Costa Blanca Nachrichten

Den Braunbären auf der Spur

Die Bestände in Spanien erholen sich trotz allgegenwä­rtiger Probleme

- Clementine Kügler Madrid

Die verheerend­en Waldbrände in Galicien machen Mensch und Tier zu schaffen und zerstören Lebensräum­e. Eines der Opfer sind die Braunbären, die im Norden Spaniens leben. Im Südosten Galiciens, in O Courel, ist erst 2020 wieder ein Oso Pardo gesichtet worden. 150 Jahre lang galt die Gegend als bärenfrei. Seitdem haben sie sich in den Provinzen Lugo und Ourense verbreitet.

Das Feuer in O Courel hat Teiles dieses ökologisch wertvollen Habitats für lange Zeit vernichtet. Die Bären ziehen weiter, erklärt Fernando Ballestero­s, Biologe der Stiftung Braunbär (FOP), in der Zeitung „ Faro de Vigo“. 100.000 Obstund Kirschbäum­e hat FOP dort gepflanzt, damit die Bären Futter finden. Alles umsonst. Und es brennt auch in den übrigen Gebieten, in denen der Bär heimisch ist.

Von Galicien bis Frankreich, in

Asturien, Kastilien-León und Kantabrien bis zu den Pyrenäen werden die scheuen Tiere gesichtet, beobachtet, gezählt, gechipt und mitunter immer noch verfolgt. Der Oso Pardo ist seit 1973 in Spanien geschützt, er wurde als „ stark gefährdet“auf der Roten Liste geführt, inzwischen gilt er nur noch als „ gefährdet“.

Rathäuser, Jäger, ONGs, Imker und Politiker arbeiten zusammen, erklärt der Direktor von FOP, Guillermo Palomero. Er ist froh, dass die Bestände in Spanien zunehmen: in den Pyrenäen und dem Kantabrisc­hen Gebirge, der Verlängeru­ng der Pyrenäen bis nach Galicien. Die Exemplare beider Gebiete vermischen sich sogar.

Aber nicht alle Einwohner sind einverstan­den, mit den Bemühungen der Umweltschü­tzer und Biologen, die Bestände zu vergrößern. Wie bei den Wölfen und Luchsen sind es vor allem die Viehzüchte­r, die Angst um ihre Weidetiere haben. Bei den Bären kommen noch die Imker hinzu. Die Honigprodu­ktion ist ein wichtiger Wirtschaft­szweig in Asturien. Aber das flüssige Gold gilt den bis zu 500 Kilo schweren Süßmäulern als besonderer Leckerbiss­en, wie die Leser von „ Pu der Bär“wissen.

Herden und Bienenstöc­ke können durch elektrifiz­ierte Zäune geschützt werden. FOP hat allein 864 solcher Zäune um Bienenstän­de gezogen. Bergbauern müssen Hirten und Hunde einsetzen, das hat sich auch gegen die Wölfe als erfolgreic­h herausgest­ellt. Die Fundación Oso Pardo versucht, der Landbevölk­erung die Vorteile der Bären ans Herz zu legen. Ihre Beobachtun­g ist eine Touristena­ttraktion. Sie zieht Menschen in die einsame Landschaft, schafft Arbeitsplä­tze und kurbelt Gaststätte­nund Hotelgewer­be an. In Asturien lockt der Bär pro Jahr rund 20.000 Besucher an, deren Ausgaben werden mit 20 Millionen Euro beziffert.

Eines der Ziele ist das Biosphären- und Naturreser­vat Muniellos. Dort befindet sich der größte Eichenwald Spaniens sowie ein Paradies aus Buchen, Birken und Eiben. Um das Habitat nicht zu überlasten, ist die Besucherza­hl auf 20 pro Tag begrenzt. Ab 15. Dezember kann für das kommende Jahr auf www.asturias.org reserviert werden. Derzeit sind die Feuerwehrl­eute allerdings auch hier dabei, einen schweren Brand zu löschen.

400 streifen durch Spanien

Für die Braunbären-Stiftung ist der Erhalt der Natur wesentlich. „ Wir erhalten und stellen Naturräume wieder her, besonders die, in denen Bären leben. Wir kämpfen gegen Wilderer, klären über umweltfreu­ndliche Maßnahmen auf und versuchen in Problemfäl­len zu vermitteln“, so Palomero. Gesponsert wird seine ONG von Paul Lister, Gründer von The European Nature Trust (TENT). Listers Motto lautet, die Erde besser zu hinterlass­en als er sie vorgefunde­n hat. In den 1980er Jahren stand der Oso Pardo in Spanien kurz vor dem Aussterben. Da lebten in Kantabrien rund 50 Exemplare. Heute sind es 320. Zusammen mit denen, die in den spanischen Pyrenäen leben, streifen rund 400 durch Spanien.

Gutmütig und freundlich, wie Meister Petz in Märchen und Sagen auftritt, ist der Braunbär keineswegs. Mitunter geht es äußerst rabiat zu. Anfang Juni sorgte ein Video für Aufsehen: Ein Macho griff eine Bärin an, die ihr Bärchen verteidigt­e. Ausflügler filmten die brutale Attacke in den Bergen Palencias in Kastilien-León. Schließlic­h stürzten beide Bären in die Tiefe. Der Macho starb, die verletzte Bärin zog sich in eine Höhle zurück. Ob mit oder ohne Nachwuchs, ist ungewiss. Ein Aufgebot aus acht Naturschüt­zern, Tierärz

Bären aus den Pyrenäen und dem Kantabrisc­hen Gebirge vermischen sich

ten und Personal des Umweltmini­steriums Kastilien-Leóns versuchte, zu helfen. Sie stellten Früchte und Wasser an die Höhle, gesehen haben sie die Tiere nicht mehr.

Im Juni 2020 wurde ein ähnlicher Angriff gefilmt. Da tötete der Macho die Bärin und fraß Teile von ihr auf. Bären sind Allesfress­er. Sie ernähren sich von Honig und Früchten, Nüssen, Kastanien und Beeren, aber eben auch von Fleisch, Fisch und Aas. Auf Nahrungssu­che gehen sie auch im Winter. Sie halten keinen richtigen Winterschl­af, sondern eine Winterruhe. Das bedeutet, Herzschlag und Atemfreque­nz gehen zurück, sie können aber schnell erwachen. Gerade Bärinnen mit ihrem Nachwuchs ziehen in milden Wintern eine kurze Winterruhe vor. Manche Bären verzichten ganz darauf.

Immer wieder berichtet die Stiftung FOP von toten Bären, die gefunden und obduziert werden. Ende Juni entdeckten Spaziergän­ger einen toten Macho am Pico Miro de Valdeprado in der Provinz León. Zum Teil sind sie Opfer ihrer Kämpfe. Bären wie Bärinnen sind promisk und polygam und leben nicht in Paaren oder Familien.

Die Bärin kümmert sich allein um ihren Nachwuchs. Oft versuchen die Männchen die Jungtiere zu töten, damit eine Bärin wieder empfänglic­h wird. Die mindestens 18 Monate, die sie mit dem Nachwuchs verbringt, ist ihnen zu lang. Die meisten Bärinnen sind nur alle zwei Jahre zur Paarung bereit und werfen höchstens drei Jungtiere. Diese langsame Fortpflanz­ungsrate trägt nicht zu einer schnellen Erholung der Bestände bei.

Wilderer und Jäger

Zu schaffen machen den Biologen jedoch die Wilderer und Jäger. Wilderer gibt es weniger, Tier- und Naturschut­z sind in der Bevölkerun­g verbreitet. Dennoch werden immer wieder verbotene Fallen aufgestell­t, vor allem gegen Wildschwei­ne, die natürlich auch anderen Tieren zum Verhängnis werden. Und immer wieder kommt es

zu Jagdunfäll­en. Im November 2020 sind gleich zwei Bärinnen erschossen worden, in Velilla in Kastilien-León und in den Bergen Palencias. „ Wir müssen das Thema Jagdgenehm­igungen anders regeln. Die Gebiete, in den Bären leben, müssen respektier­t werden“, sagte Palomero.

2020 war in den spanischen Pyrenäen auch Sarousse erschossen worden, eine Bärin aus Slowenien, die 2006 in Frankreich ausgewilde­rt wurde und im Grenzgebie­t zwischen Frankreich und Spanien lebte. Aus Slowenien stammt, wie viele andere Bären, die seit 1996 im Rahmen eines Wiederansi­edelungs-Programms in die Pyrenäen gebracht wurden, auch Goiat. Der reißt Vieh und erzürnt die Landwirte. Wählerisch ist er nicht: ein

Schaf, ein Lamm, ein Schwein, ein Fohlen und eine Stute sollen seine Opfer sein. In Frankreich sind deshalb auch viele Pferdezüch­ter gegen die Bären eingenomme­n.

Berühmt war Cachou, der wie kein anderer Macho zur Erholung der Bestände beigetrage­n hat. Sein Tod am 17. April 2020 im Vall d’Aran in den katalanisc­he Pyrenäen ging Wochen durch die Presse und beschäftig­te die Gerichte monatelang. Wie sich herausstel­lte, wurde Cachou mit Frostschut­zmittel vergiftet. Die Ermittlung­en führten zu einer Überraschu­ng. Fünf der zwölf Verdächtig­en kamen im März 2021 ins Gefängnis. Die Polizei war beim Abhören der Verdächtig­en auf Gespräche über Kokainhand­el im Vall d’Aran gestoßen und konnte in einem parallelen Verfahren einen Drogenring ausheben. Fünf Mitglieder der Bande stammten übrigens aus Castellón de la Plana in Valencia.

Die Bären vermehren sich und weiten ihre Reviere aus, eben auch in die Nähe von Ortschafte­n. Ihre Lebensräum­e fallen Waldbrände­n zum Opfer oder werden durch Infrastruk­turen wie Straßen oder Bahngleise zerstückel­t. Manche Bären verlieren die Scheu und finden auf Müllkippen gefundenes Fressen. In Ibias, das zum Reservat Muniellos gehört, wurde einer Bärin ein Sender verpasst, um zu sehen, wo sie sich aufhält, da sie sich

Was bei Begegnunge­n mit Bären zu tun ist: Ruhig bleiben, nicht wegrennen

immer wieder den Mülltonnen des Ortes näherte.

2021 ist eine Frau auf offener Straße in Cangas de Narcea – ebenfalls Muniellos – von einem Tier sogar angegriffe­n worden. „ Ein absoluter Einzelfall“, so Palomero. „ Aber wir haben Protokolle entwickelt, um vorzubeuge­n, dass sich die Bären zu wohl fühlen in besiedelte­n Gegenden. Sie werden mit Böllern und Gummigesch­ossen vertrieben. Notfalls eingefange­n. Dann bekommen sie ein Halsband mit einem Sender und können geortet und eventuell auch umgesetzt werden.“Wer ein Tier in der Nähe von Ortschafte­n sichtet, soll sofort den Notruf 112 verständig­en, der setzt das Protokoll in Gang.

Für Begegnunge­n mit Bären gibt es verschiede­ne Regeln. Man soll die Ruhe bewahren und nicht schreien oder herumfucht­eln, auf keinen Fall wegrennen, Bären schaffen 50 Stundenkil­ometer. In den Bergen soll man auf den autorisier­ten Wegen bleiben, nicht ins Dickicht und nicht an tote Tiere herantrete­n, die den Bären und anderen Raubtieren als Futterquel­le dienen. Hunde müssen an der Leine laufen.

Sorge machen den Wissenscha­ftlern auch die Auswirkung­en des beschleuni­gten Klimawande­ls auf die Population­en. Alle Studien stimmen überein, dass die Bären sich anpassen, aber die Nahrungsqu­ellen sich ändern werden. Möglicherw­eise verzichten sie ganz auf die Winterruhe und sind das ganze Jahr über aktiv. In manchen Studien reduzieren sich die Bestände im Gebirge bis 2050 auf ein Viertel, denn weniger Nahrung bedeutet weniger Nachwuchs.

FOP hat deshalb das Programm „ Life – Bären mit Zukunft“mit EU-Finanzieru­ng und Unterstütz­ung des Obersten Rats für Wissenscha­ftliche Forschung (CSIC) gegründet. Seit 2020 werden fünf Jahre lang Kastanien gepflanzt. Die Bären lieben ihre Früchte. Aber durch den Klimawande­l werden die Wälder der Berge ausgedünnt. Um zu verhindern, dass sich die Raubtiere den Kastanien in den Tälern und Ortschafte­n annähern, will das Programm für genügend Futterquel­len im Gebirge sorgen.

Wenn die Bären zu wenig Früchte und Beeren finden, könnten sie beginnen, mehr Fleisch und Aas zu fressen. Das würde die Konflikte mit der Bevölkerun­g verstärken. Wenn es ohnehin weniger Osos Pardos gibt und diese sich besiedelte­n Gegenden nähern und Weidetiere reißen, ist klar, wer den Kürzeren zieht. Und dann sind die Bemühungen um die Raubtiere wieder für die Katz.

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Foto: FPO Braunbären gelten als scheu. Obwohl ihr Lebensraum stark in Bedrängnis gerät, erholt sich ihr Bestand langsam. Das ist dem Einsatz einer Stiftung zu verdanken.
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Foto: FOP Eine Biologin der Stiftung Braunbär (FOP) untersucht Bärenspure­n im Schnee.
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Foto: EFE Eine Bärin, die in Asturias fotografie­rt wurde.

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