Kein Dorffest ohne Stiere
In El Verger regt sich zaghafter Widerstand – Unauffällige Demonstration bei bous al carrer
El Verger – ab. Laute hysterische Schreie, Pfiffe und Grölen. Mit Stöcken, an denen T-Shirts wehen, fuchteln junge Männer wenige Schritte von einem Stier entfernt herum. Ihren Mut unter Beweis stellend geht es ihnen darum, scheinbar ungeachtet der Konsequenzen das Tier zu reizen.
Der Stier zeigt sich eher unbeeindruckt, bewegt sich kaum von der Stelle. Aufmerksam beobachtet er die aufgebrachte Meute, die sich in der abgeriegelten Straße um ihn herum versammelt hat. Das Tier fixiert die Jugendlichen, die Jugendlichen provozieren den Stier. Der rast plötzlich auf einen der Männer los. In letzter Sekunde kann sich der Spanier hinter Gitterstäben in den Sicherheitsbereich retten, während sich das Rind wütend über das T-Shirt hermacht.
Zugetragen hat sich diese Szene vor wenigen Tagen bei den Stiertreiben in El Verger. Und während das umstrittene Vergnügen, das in dem Ort bei keiner Fiesta fehlen darf, unter strenger Aufsicht von Ortspolizei und Zivilschutz für begeisterte Hysterie und Festlaune sorgte, demonstrierten am Rande einige wenige vermummte Personen gegen die bous al carrer (Straßen-Kuhtreiben). „ La tortura no es cultura“, „ Diese Tortur ist keine Kultur“, war auf dem Transparent zu lesen, mit dem die Demonstranten vor allem gegen den bou embolat mobil machten. Bei dieser mitternächtlichen Veranstaltung, die in vielen Orten der Region ihre Anhänger hat, werden den Stieren brennende Fackeln an den Hörnern befestigt.
Auch das sei leider Tradition in El Verger, berichtet eine Holländerin, die seit 20 Jahren in der Gemeinde lebt. Ihren Namen möchte die Frau nicht nennen, aus Angst, Befürworter des Stiertreibens könnten sich gegen sie stellen. „ Ich möchte nicht riskieren, dass man mir die Autoreifen aufschlitzt“, meint sie. Aus dem Grund hätten auch die Demonstranten ihr Gesicht vermummt. Das Thema Kuhtreiben sei in El Verger ein sehr sensibles Thema, das sehr viele Anhänger habe.
Absolute Tierquälerei
„ Solche Veranstaltungen müssen im 21. Jahrhundert doch wirklich nicht mehr sein“, meint die Holländerin. Sie sei prinzipiell gegen Stierkämpfe, aber auch Kuhtreiben und die Fackelläufe seien für sie absolute Tierquälerei. „ Da wird auch noch weiter gemacht, wenn dem Tier vor Erschöpfung die blau angelaufene Zunge aus dem Maul hängt oder ihm von den Fackeln Reste in die Augen kommen“, weiß die Einwohnerin. „ Und wer übernimmt die Verantwortung, wenn beim Stiertreiben Menschen schwer verletzt werden?“Sie finde solche Veranstaltungen gar nicht lustig.
Dass Menschen zu Schaden kommen, ist keine Seltenheit. Am Donnerstag kam es bei Fiestas in Beniarbeig zu einer Tragödie. Eine 70-jährige Frau war auf der Stelle tot, nachdem ihr eine Kuh die Hörner in die Brust gerammt hatte. Sie ist die siebte Person, die dieses Jahr bei Stiertreiben ums Leben kam. Erst vor wenigen Wochen erlag ein französischer Tourist seinen Verletzungen, die ihm ein Stier bei Stiertreiben in Pedreguer zugefügt hatte. Wenige Tage zuvor war in Puçol nachts um 3 Uhr ein erst Zwölfjähriger von einem Stier aufgespießt worden, der sich zum Zeitpunkt des Unfalls in Begleitung seines 14-jährigen Cousins in einem Gefahrenbereich befand.
Solche Beispiele, die die Gefahr dieser Veranstaltungen verdeutlichen und schon aus diesem Grund zu einem Umdenken führen sollten, gibt es leider genug. Doch erfreuen sich die Stiertreiben gerade im Land Valencia einer wachsenden Beliebtheit.