Das vermeintliche Paradies Europa
Viele Strandverkäufer in Alicante kommen aus dem Senegal und hoffen auf ein besseres Leben
Alicante – as. Strandtücher, Uhren und Sonnenbrillen – am Strand von Alicante und an der ganzen Küste versuchen fliegende Händler oft, Touristen Billigware aus China anzudrehen. Doch über das Schicksal dieser Verkäufer machen sich die wenigsten Gedanken. Viele von ihnen sind Senegalesen, die aus dem Westen Afrikas nach Spanien kommen.
„ Ein Grund ist die Armut, die in ihrem Heimatland herrscht. Viele Afrikaner haben die Vorstellung, dass Europa das Paradies ist. Hier gibt es Arbeit und mehr Menschenrechte“, erklärt Mahmadou Sila, der Ex-Vorsitzende der Senegalesenvereinigung Calp. „ Aber wenn sie in Spanien ankommen, wird ihnen klar, dass das Leben in Europa nicht das Paradies ist. Sie leiden unter Rassismus und müssen Angst vor der Polizei haben, da sie keine Arbeitserlaubnis haben“, sagt er.
Laut Sila kümmern sich NGOs um die Senegalesen und bieten Integrations- und Sprachkurse an. Die Immigranten leben in Unterkünften, die von den ONGs bereitgestellt werden, wenn sie niemanden in Europa kennen, wo sie wohnen können. Während des Gesprächs läuft eine Senegalesin vorbei, Sila und sie begrüßen sich herzlich. „ Wir Senegalesen helfen uns hier gegenseitig“, meint Mahmadou Sila.
Es ist wichtig nicht aufzufallen
Bis 2019 engagierte sich der aus dem Senegal stammende Spanier in der Vereinigung für Senegalesen, die er mit anderen gründete, um seinen Landsleuten zu helfen. „ Ich habe ihnen dabei geholfen, ihre Dokumente auszufüllen, und habe für sie übersetzt“, berichtet er. Zu dem Zeitpunkt besaß er selbst noch nicht die spanische Staatsbürgerschaft, seit 2010 ist er offiziell
Spanier. 2019 sei er aus der Vereinigung ausgestiegen, da es ihm zu viel wurde und er mehr Zeit für sich selbst brauchte. „ Ich habe viel zwischen Senegalesen und Spaniern vermittelt und meinen Landsmännern gezeigt, dass sie nicht vor der Polizei weglaufen sollen, wenn diese sie anhält. Weglaufen macht alles nur schlimmer“, bekräftigt er. Einmal sei ein Senegalese auf der Flucht vor der Polizei von einer Brücke gefallen und habe sich schwer am Bein verletzt.
„ Laut Gesetz kann die Polizei die Immigranten deportieren und in ihr Heimatland zurückbringen. Aber heutzutage ist die Situation nicht mehr so heikel. Es geht mehr darum, nicht negativ aufzufallen. Wenn die Immigranten sich nichts zuschulden kommen lassen, dann passiert in der Regel nichts. Sie tun
ja eigentlich nichts Verbotenes. Sie verkaufen ihre Ware ja nur, um überleben zu können“, erläutert Sila. Die Produkte, die sie verkaufen, würden sie von Händlern bekommen und sie für einen höheren Preis an ihre Kunden weiterverkaufen. Bei manchen Händlern könne auch auf Kommission gekauft werden. „ Wenn die Polizei kommt und sie schnell alle Sachen zusammenpacken müssen, dann geht auch manchmal etwas kaputt. Das ist natürlich schlecht, weil sie dann ihr eigenes Geld verlieren“, meint Sila.
Sila ist der Illegalität entflohen
Der junge Mann erzählt auch von seiner eigenen Ankunft in Spanien und sagt, er sei am Anfang ebenfalls Straßenverkäufer gewesen. „ Ich habe das nur gemacht, weil
ich keine andere Wahl hatte“, sagt er. „ Ich wollte Geld sparen, um mich so schnell wie möglich weiterbilden zu können und eine Arbeit zu finden.“
So wie ihm vor einigen Jahren geht es vielen Senegalesen. An den Straßen sitzen oft Frauen, die Flechtfrisuren anbieten. Manche Frisuren halten nur zwei Wochen, andere bis zu drei Monate. Die Preise liegen zwischen zehn und 30 Euro, je nach Frisur. „ Ich arbeite jeden Sommer in Alicante an der Strandpromenade“, sagt Amy Treza. Doch einige der Menschen, die täglich auf den Straßen Zöpfe flechten, leben schon seit vielen Jahren hier und sprechen perfektes Spanisch. Viele Frauen sitzen den ganzen Tag an den Strandpromenaden – manche sogar mit Babys und kleinen Kindern.