Wie das Leck-Eis in der Sonne
Trotz Inflation: Spanier verzichten nicht auf Urlaub, schränken sich aber ein
Madrid – tl. Wie urlaubt es sich in Zeiten von Hyper-Inflation? Nach zwei verlorenen Jahren wegen der Corona-Pandemie befindet sich die Tourismusbranche in Champagner-Laune. Von Galicien im Norden bis hinunter nach Andalusien im Süden hängen an den Hoteleingängen die Schilder „ Belegt“. Doch der Schein trügt.
Die Inflation macht sich wohl bemerkbar: vor allem bei Unternehmen mit einer sinkenden Rentabilität wegen der hohen Kosten, die nicht komplett an die Kunden weitergegeben werden können. Die Urlauber wiederum stellen fest, dass ihr Geld schmilzt wie das Leck-Eis in der Sonne. Doch auf den Urlaub verzichtet die Mittelklasse nicht. „ Ein Großteil der Bevölkerung veranschlagt den Urlaub im allgemeinen Familienbudget“, sagt Juan Ignacio Pulido, Professor für angewandte Wirtschaft in Jaén.
Der Urlaub zähle zu den Prioritäten einer Familie. Wichtiger seien lediglich Lebensmittel, Gesundheit, Bildung und Wohnung, sagt der Experte. Darauf kann die Tourismusbranche bauen. Und sie hat es getan, was sich am Beschäftigungsgrad ablesen lässt. Wie im Rekordjahr 2019 sind in der Hochsaison 2,7 Millionen im Tourismus beschäftigt, wie das Nationale Statistikinstitut (INE) festgestellt hat.
Vom Volumen her lag der erste Sommermonat Juni um 15 Prozent unter dem Wert von 2019. Bei den Ausgaben wurden die Zahlen aus dem Rekordjahr bereits erreicht. Wegen der Inflation. Die Teuerung
Es vergeht keine Minute, in der man nicht mit einer Teuerung konfrontiert wird
beeinflusst zwei Entscheidungen: Wie lange man verreist und wohin man fährt. „ Dieses Jahr verreisen wir weniger Tage und sind nicht so weit weg gefahren“, äußert Professor Pulido, der im andalusischen Roquetas de Mar Ferien macht.
Rund 90 Prozent der Spanier haben sich nach Einschätzung der Reiseagentur Destinia für ein nationales Urlaubsziel entschieden. Es dominieren die „ Klassiker“: Salou, Peñíscola, Roquetas, Cambrils oder Benidorm. „ Wir haben sehr ähnliche Zahlen wie 2019“, bestätigt Nuria Montes, Generalsekretärin der valencianischen Hotelvereinigung Hosbec. In Benidorm seien viele Häuser voll belegt.
Die Reiseagentur Destinia bestätigt diesen Trend. 2019 hätten Urlauber im Sommer im Schnitt für fünf Tage gebucht. In diesem Jahr seien es drei oder vier Tage. Für ein Zimmer, das 2019 im Schnitt noch 48 Euro pro Person und Nacht gekostet habe, müsse man jetzt 58 Euro zahlen – also 21 Prozent mehr. Diese Verteuerung macht sich vor allem bei Last-Minute-Buchungen bemerkbar. Für Frühbucher dagegen hat es noch Preise gegeben, die jetzt billig erscheinen.
Wer kurzfristig etwas sucht, hat in der Tat Pech mit den Preisen. Die Zeitung „ El País“nennt das Beispiel von Vanesa Sánchez, die Anfang Juli mit der Familie eine Woche auf Teneriffa verbringen wollte. Und musste feststellen, dass die Hotelpreise um 50 Prozent über 2019 lagen. Für sie, ihren Mann und die drei Kinder wären im Juli inklusive Flug ab Málaga und eine Woche Halbpension im Mittelklasse-Hotel 5.290 Euro fällig gewesen. „ Ich wäre fast tot umgefallen“, erzählt Vanesa Sánchez.
Als Alternative schaute sie nach einem Hotel in Chiclana, in dem die Familie schon einmal gewesen war. Damals kostete eine Woche Vollpension 1.400 Euro, jetzt waren es 1.760 Euro. Schließlich landete die Familie in Roquetas de Mar – an einem Wochenende im September für 500 Euro im Aparthotel. Das Beispiel zeigt: Die Preise sprengen schnell das Budget einer Familie. Statt einer Woche bleibt dann ein Wochenende – in der Nebensaison.
Nicht nur die Preise für die Unterkunft knabbern am Reisebudget. Wer mit dem Auto fährt, hat höhere Spritkosten als 2021. Von den Flugpreisen ganz zu schweigen. Wer kurzfristig einen Mietwagen haben will, muss einen horrenden Preis zahlen. Und dann geht es weiter: der Einkauf im Supermarkt, das Essen im Chiringuito, die Strandliege. Es vergeht kaum eine Minute, in der man nicht mit einer Teuerung konfrontiert würde. Viele weichen auf All-InclusiveAngebote aus oder buchen ein Ferienapartment nach dem Motto: lieber zu Hause essen als auswärts.