Die Königin vom Affenfelsen
Zum Tod von Queen Elizabeth II.: Britannien und Spanien – Windsors und Bourbonen – Geschichte und Hofklatsch
Madrid/London – mar. Auch wenn die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Spanien historisch vielschichtig, die Häuser Windsor und Bourbon eng verwandt sind, besuchte Queen Elizabeth II., die am 8. September im Alter von 96 Jahren starb, Spanien nur ein einziges Mal. Das war 1988. Dabei schaute sie in Madrid, Sevilla, Barcelona und auf Mallorca vorbei, an ihrer Seite Prinzgemahl Philipp von Edinburgh. Ob diese Reserviertheit dem Dauerstreit um Gibraltar geschuldet ist oder dem Wunsch der Monarchin, die Nähe des Schwerenöters Juan Carlos I. zu meiden, bleibe dahingestellt.
Die Queen soll sich nach politischen und familiären Treffen und viel Protokoll vor allem für das schon fertige Olympia-Maskottchen für 1992, Cobi, begeistert haben und ließ T-Shirts und anderen Nippes für ihre Enkel in London besorgen. Es gab ein pflichtschuldiges Treffen mit Spaniens sozialistischem Regierungschef González. In Barcelona traf sie auch ihren Onkel, Juan de Borbón y Battenberg, der Vater (von Juan Carlos I:) und Sohn (von Alfonso XIII.) eines Königs, der aber nie selbst König war.
Die verwandtschaftlichen Bande der Häuser Windsor und Borbón vollständig darzustellen, würde Bücher füllen. Die Essenz: Sowohl Spaniens Ex-König Juan Carlos I. als auch seine Ehefrau Doña Sofía haben Königin Victoria von England (1819-1901) als gemeinsame Vorfahrin. Juan Carlos’ Großmutter, Victoria Eugenia de Battenberg ist die Enkelin von Königin Victoria und heiratete Alfonso XIII. von Bourbon, also Juan Carlos’ Großvater. Spaniens Ex-Königin Sofía von Griechenland wiederum ist mit dem Hause über ihren Urgroßvater verwandt, kein geringerer als Deutschlands letzter Kaiser Wilhelm II., dessen Großmutter Königin Victoria war. Die spanischen Prinzessinnen Leonor und Sofía stammen also sowohl vom britischen wie vom deutschen Thron ab. Felipe und seine Geschwister nannten die Queen zeitlebens tía, also Tante Lilibet.
Mit den Kelten haben Briten und Spanier sogar ein gemeinsames „ Urvolk“, wobei sich Historiker nicht einig sind, ob die Kelten von Hispanien nach Britannien übersetzten oder umgekehrt, und wer wessen Kultur dabei befruchtete. Enger wur
den die Bande mit Katalina von Aragón und Kastilien, Tochter der Katholischen Könige, die von 1509 bis 1530 sogar Königsgemahlin des berüchtigten Heinrich VIII. und Mutter von Mary I., also einer echten englischen Königin war. Allerdings war sie keine Borbón, sondern eine Trastámara und Henry VIII. auch kein Windsor, sondern ein Tudor.
Kurz darauf gab es Krieg zwischen der Royal Navy und der „ unbesiegbaren“spanischen Armada im Kampf um die Vorherrschaft im Welthandel, um Schifffahrtsrouten und die Kontrolle um die Einfahrt zum Mittelmeer. Im Zuge der britischen Angriffe verlor Spanien seine Seehoheit, der Freibeuter seiner Majestät, Francis Drake, fiel erstmals 1587 über Cádiz her und ließ spanische Küstenorte plündern.
Damals hatte Spanien Portugal besetzt und London und halb Europa damit bis aufs Blut gereizt, es musste in seine Schranken gewie
sen werden. Zumal es konkrete Pläne Felipes II. gab, mit seiner in der Lepanto-Schlacht gestählten Seestreitmacht direkt nach Britannien zu segeln, um England zu be- und Elizabeth I. abzusetzen.
1604 schlossen beide Länder einen fragilen Frieden, nachdem sich Drake beim zweiten Überfall auf Cádiz doch noch eine blutige Nase, die Spanier ein paar mehr geholt hatten und verlegten sich zusehends auf den Handel. Die Briten beherrschten den Wein- und Rosinenhandel mit Málaga und der Levante-Küste, doch sie verliebten sich vor allem in den Sherry, der ohne die räuberische Vorgeschichte vielleicht nie so raffiniert geworden wäre. Denn das Verschneiden des süßen Moscatel oder Palomino mit Alkohol war zunächst nur eine Maßnahme, um den Wein haltbar für die Verschiffung zu machen. Bald schon machten Briten wie Spanier hierbei gemeinsame Sache. Das berühmte Sherry- und BrandyHaus Osborne ist eines der vielen Beispiele für diese britisch-spanische Symbiose im Weingeiste.
Als eine Folge des Spanischen Erbfolgekrieges Anfang des 18. Jahrhunderts, bei dem auch die Briten mitmischten, blieb ein schmerzhafter britischer Stachel in Spaniens iberischem Schinken stecken: Gibraltar. Der Streit um den Peñón, den Affenfelsen, aus spanischer Sicht noch immer ein Stück Andalusien, hat bewirkt, dass beide Länder offiziell in höflicher und achtsamer Distanz zueinander blieben, dicke Freunde wurden beide Staaten aber bis heute nicht. Der Brexit hat daran nichts zum Guten geändert, obwohl die Zusammenarbeit in konkreten Fällen durchaus pragmatisch vonstatten geht.
Jenseits der Eliten haben sich hunderttausende Briten häuslich in Spanien als Residenten eingerichtet, kommen zu Millionen im Urlaub, genießen Sonne und billiges Bier. Die einfachen Menschen führen den Mächtigen wieder einmal vor, wie friedliche Koexistenz aussieht.
Gibraltar blieb Anlass für Verstimmung. Zunächst zickten Juan Carlos I. und Sofía rum, ließen sich zur Hochzeit von Charles und Diana 1981 nach London einladen, sagten aber im letzten Moment ab. Danach düpierte das frisch vermählte Windsor-Paar die Spanier, als sich Charles und Diana ausgerechnet von Gibraltar aus zum royalen Honey Moon einschifften.
Schwamm drüber, sagte irgendwann die krisengeschulte Queen. Beim Staatsbesuch von Felipe und Letizia 2017 schloss sie Frieden mit den Spaniern und ließ den Gästen die höchste denkbare Ehre angedeihen: Normalerweise werden Staatsgäste, auch gekrönte, allerhöchstens auf Schloss Windsor im Gästeflügel untergebracht. Das spanische Königspaar aber durfte direkt im Buckingham Palace in London übernachten, praktisch Tür an Tür mit der Queen. Mehr geht nicht.
Spanien hatte Pläne, Queen Elizabeth I. gewaltsam zu stürzen