Hier isst die Inflation nicht mit
Spanien diskutiert über die Deckelung der Preise für Grundnahrungsmittel
Madrid – sk. Die Inflation jenseits der zehn Prozent erdrückt vor allem Haushalte, die nur auf geringes Einkommen und wenige Rücklagen zurückgreifen können. Arbeitsministerin Yolanda Díaz will ihnen mit einer Deckelung der Preise für Grundnahrungsmittel entgegenkommen und hat Sondierungsgespräche mit Supermärkten begonnen.
Der umstrittene Vorstoß stieß bei der französischen Supermarktkette Carrefour auf offene Ohren, die am Montag ein Grundnahrungsmittelpaket für insgesamt 30 Euro ins Sortiment aufnahm, in dem 30 Produkte wie Nudeln, Konserven, Öl oder Kaffee liegen.
Die derzeitige Situation erfordert rasche und wirksame Maßnahmen,“meinte der Carrefour-Chef für Spanien, Alexandre de Palmas. Die Aktion läuft bis 8. Januar.
„Sowjetischer“Vorstoß
Der Arbeitgeberverband CEOE hält den Vorschlag für „ sowjetisch“, die konservative Volkspartei für nicht vereinbar mit der freien Marktwirtschaft, und die Einzelhändler kritisieren, dass die Maßnahme den Konsum in den großen Supermarktketten fördere. Weder Politik noch Wirtschaft haben also die Maßnahme von Díaz und Verbraucherminister Alberto Garzón (beide Unidas Podemos) mit Begeisterung aufgenommen.
Auch die Sozialisten (PSOE) beäugten die neue Aktion des Koalitionspartners mit Misstrauen.
Der Geldbeutel der Spanier ist Angelegenheit der ganzen Regierung“, meinte etwa Verteidigungsministerin Margarita Robles. Landwirtschaftsminister Luis Planas verwies auf das europäische Recht, das Preisinterventionen nur
auf regulierten Märkten zulasse, und Parlamentssprecher Patxi López befürchtete Nachteile für den kleinen Einzelhandel. Auch andere Regierungsmitglieder hielten Yolanda Díaz vor, weit über ihre Kompetenzen als Arbeitsministerin hinauszuschießen.
Die jedoch erklärte, nicht von Interventionen, sondern von Vereinbarungen gesprochen zu haben. „ Wir bemühen uns darum, dass die großen Einzelhandelsketten sich auf eine Art Einkaufskorb für Lebensmittel einigen, den sich das ganze Land leisten kann“, sagt Díaz.
Die beiden Politiker hoffen, dass Carrefour – immerhin zweitgrößte Einzelhandelskette in Spanien – mit dieser Aktion die Mitbewerber mitreißt. In dieser Woche führen die Politiker diese Gesprächsrunde fort mit anderen Su
permärkten, Vertretern von Mercadona, Lidl, Spar, El Corte Inglés, Alcampo und Eroski. Auch Verbraucherschutzverbände wie OCU sollen eingebunden werden, die sich bisher allerdings eher für Lebensmittelgutscheine oder die Mehrwertsteuer-Befreiung für Grundnahrungsmittel starkmachen.
„Ein Einkaufskorb, den sich das ganze Land leisten kann“
Der Warenkorb soll Woche für Woche 20 bis 30 verschiedene Produkte enthalten, darunter auch Frischwaren wie Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse. Vor allem Verbraucherminister Garzón macht sich für eine „ ausgewogene Ernährung“stark. Direkt eingreifen ins
Angebot oder gar die Preise diktieren, das haben die beiden Politiker nicht vor. Wohl aber schwebt ihnen eine Obergrenze für das Gesamtpaket vor, ähnlich wie bei Gas oder Benzin. „ Die großen Ketten können eine Anstrengung unternehmen und solche Einkaufskörbe für Verbraucher zusammenstellen, und wir haben bereits von einigen Angeboten gehört, die zeigen, dass dies möglich ist“, meinte Garzón.
Der Bauernverband Unión de los pequeños agricultores konterte das Vorhaben mit seiner Forderung nach „ gerechten Preisen bei der Erzeugung und im Verkauf“, hielt es für wirkungsvoller, das „ Gesetz zur Lebensmittelkette“anzuwenden und eine „ transparente Preisbildung für Produkte“zu fördern. Der Lebensmittelkorb dürfe nicht zulasten der Erzeuger gehen.