Industrie fordert Survival-Kit
Krisengipfel und EU-Energiegipfel: Was tun gegen die hohen Energiepreise?
Madrid – tl. Der Industrie steht das Wasser bis zum Hals. Viele Unternehmen werden die Energiekrise nicht überleben, heißt es. Betroffen sind so gut wie alle Sektoren. Wie immer soll’s der Staat richten. Bei einem Krisengipfel mit Vertretern der Regierung forderten Spaniens Industrieführer daher einen Zehn-Punkte-Überlebenskatalog. Und können in einigen Punkten auf schnelle Hilfe hoffen.
An dem Treffen nahmen Energieministerin und Vizeregierungschefin Teresa Rivera sowie Industrieministerin Reyes Maroto teil. Die Wirtschaftsseite war vertreten durch die Allianz für Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Dieser Allianz gehören die Branchenverbände von wichtigen Industrien an: Automobil, Papier, Chemie, Nahrungsmittel und Getränke, Zement, Rohstoffe und Eisen. Diese Unternehmen stehen für 55 Prozent der Industrieleistung.
Hauptforderung der Allianz ist eine Änderung der Funktionsweise des europäischen Strommarkts. Hier ist die EU auch bereit einzugreifen. Allerdings wohl nicht in dem Maße, wie sich das Regierung und Industrie wünschen. Beim Energiegipfel am Freitag in Brüssel wurde klar: Den Gas- vom Strompreis abzukoppeln und Verbraucher und Unternehmen so von den niedrigen Preisen erneuerbarer Energien profitieren zulassen, das wird erst einmal nicht passieren. Auf längere Sicht aber können sich die meisten Mitglieder eine Reform des Preisbildungsmechanismus auf dem europäischen Strommarkt vorstellen.
Gleichwohl soll es einen EUweiten Preisdeckel auf Gasimporte geben. Die EU-Kommission hatte dies zunächst lediglich für Gas aus Russland vorgeschlagen. Die Wirkung wäre allerdings begrenzt. Russisches Gas macht nur noch
neun Prozent der EU-Importe aus. Eine Mehrheit unter den Mitglieder, darunter Spanien, plädierte daher für eine Deckelung aller Importe aus Drittstaaten. Anderen geht das zu weit. Sie fürchten um die Versorgungssicherheit. Gefordert ist jetzt die EU-Kommission. Sie will in Kürze konkrete Gesetzesvorschläge dazu unterbreiten.
Einigkeit bestand beim EUEnergiegipfel dagegen darin, Marktlagengewinne von Unternehmen abzuschöpfen, die Strom billig produzieren, aber teuer verkaufen können. Mit den Einnahmen sollen die Energiepreise gesenkt werden. Dazu dienen soll auch ein sogenannter „ Solidarbeitrag“, den Unternehmen abführen müssen,
die mit fossilen Energien handeln und in der Energiekrise Rekordgewinne erzielen.
Zurück nach Spanien: Ein weiteres Problem ist die „ unhaltbare Situation“für Gaskraftwerke in Kraft-Wärme-Kopplung. Dabei handelt es sich um die gleichzeitige Umwandlung von Energie in elektrische Energie und nutzbare Wärme. Die parallel zur Stromerzeugung produzierte Wärme wird zu Heizzwecken, Warmwasserbereitung oder für Produktionsprozesse genutzt. Die Deckelung des Gaspreises gilt in der Stromproduktion aber nicht für diese Gaskraftwerke.
Das wiederum macht den Betrieb unrentabel. Die Folge: Zwei Drittel dieser Kraftwerke, die für sieben Prozent der Stromproduktion in Spanien stehen, wurden stillgelegt. Die Industrie nutzt in der Kraft-Wärme-Kopplung oftmals Blockheizkraftwerke, deren Energieeinsatz als effizient gilt. Was
dem Energiesparplan der Regierung helfen würde. Regierungschef Pedro Sánchez sagte zu, die Gaspreis-Deckelung „ zeitlich begrenzt auch für die Kraft-Wärme-Koppelung der Industrien mit großem Energiebedarf anzuwenden“.
Entgegenkommen von Madrid
Außerdem fordert die Industrieallianz eine Befreiung vom Preisanpassungsmechanismus der Energielieferverträge, die vor dem 26. April geschlossen wurden. Bei einem weiteren Punkt kann die Industrie mit einem Entgegenkommen der Regierung rechnen. Unternehmen, die ihre Produktion einstellen, können ihren nicht genutzten Strombedarf versteigern.
Die Regierung will diese Prozesse reaktivieren und auf Gas ausweiten. Auch eine freiwillige Unterbrechung der Produktion soll als Beitrag zum Energiesparen gefördert werden.
„Unhaltbare Situation“für Gaskraftwerke in Kraft-Wärme-Kopplung.