Costa Blanca Nachrichten

Flamenco an der Leine

Per Gesetz will Andalusien­s Junta den Flamenco regulieren: Ein grobes Missverstä­ndnis

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Sevilla – mar. Die Landesregi­erung hat ein Gesetz über den Flamenco auf den Weg gebracht. 36 Paragraphe­n sollen das immateriel­le Unesco-Weltkultur­erbe „ als einzigarti­ges Element der andalusisc­hen Kultur schützen, konservier­en, verbreiten, erforschen“, um „ seine Weitergabe an künftige Generation­en zu garantiere­n“, als „ lebendiges, freies und universell­es Erbe“. In den Paragraphe­n finden sich zwei praktische Maßnahmen: Mehr Flamenco-Lehrstühle an andalusisc­hen Unis (über Musik und Tanz hinaus) sowie die Erstellung einer Datenbank aller mit dem Flamenco verbundene­n Einrichtun­gen und Künstler. Für beides hätte es kein neues Gesetz gebraucht. Zudem sollen die Peñas de Flamenco, Freundeskr­eise, häufig mit eigenen Lokalen, die als Schulen, Kneipen, Auftrittsz­entren in Dörfern und barrios dienen, reguliert werden. Sie funktionie­ren oft in einer Grauzone zwischen Unternehme­n und Verein, sind mitunter aber weder als das eine, noch das andere angemeldet.

Offiziöser Rahmen ungeeignet

Für Gitanos ist Flamenco mehr als Musik und Tanz: Identität und Lebensweis­e

Während große Flamenco-Schulen und Institute sowie bezuschuss­te Vereinigun­gen an dem Gesetz mitarbeite­ten, stößt der Entwurf, der in spätestens 18 Monaten in Kraft treten soll, bei nicht subvention­ierten Teilen der Flamenco-Szene auf einige Skepsis, weil sie keinen Sinn in der Normative erkennen können.

Zunächst, weil die im Text aufgeführt­e Definition des Flamenco als „ Kulturerbe des andalusisc­hen Volkes“sachlich auf mehreren Ebenen falsch ist. Der Flamenco hat auch Wurzeln an der Levante-Küste und in der Extremadur­a, sogar in Südfrankre­ich oder im Baskenland. Sodann gibt es historisch gesehen kein „ andalusisc­hes Volk“in einem immer multikultu­rellen Land. Gitanos verschmolz­en im Flamenco ihre Fest- und Trauergesä­nge zu Liebesleid und -glück, aber auch zu Verfolgung, Gottesvere­hrung und -lästerung mit Harmonik, Melodik und Rhythmik maurischer, sogar sefardisch­er Prägung zu einer einzigarti­gen Fusion. Über die Jahrhunder­te kamen Einflüsse aus Lateinamer­ika, der hispanisch­en Folklore, auch europäisch­er Hofmusik hinzu.

Schwerwieg­end sei daher, dass das Gesetz die Gitano-Spezifik bei der Entstehung und Bewahrung des Flamenco ausblendet, bzw. vereinnahm­t: Der Flamenco ist für viele Gitanos mehr als eine Kunst, auch Lebensphil­osophie und ein zentrales Element der Identifika­tion. Dazu gehört auch das Informelle, die mündliche Überliefer­ung, der stete Wandel und eben die uneingesch­ränkte Freiheit der Entfaltung. Unter Franco gab es bereits einmal Versuche der Normierung der Flamenco-Künstler im Dienste einer höheren Sache. Damals entstanden übrigens die „ typischen“gepunktete­n Kleider, sozusagen als Standard-Kostümieru­ng für die Auftritte vor Touristen, um den

Flamenco als Marke „ Made in Spain“zu etablieren.

Das Volk, „ das niemanden beherrsche­n will, aber auch nicht beherrscht werden will“, brauche für seine Musik und Tänze keine Anleitunge­n oder Normen aus dem Palacio San Telmo in Sevilla, heißt es in einer Erklärung mehrerer Ensembles und Künstler im Netz. Der Flamenco lebe aus sich selbst heraus. Eine sozial gestärkte und gerecht behandelte Community (nicht nur der Gitanos, sondern aller sozial und kulturell marginalis­ierten Menschen) sei die beste Voraussetz­ung für eine lebendige Entwicklun­g von kulturelle­r Tradition und so auch des Flamenco, so die Erklärung.

Sie nimmt auch Bezug auf die Arbeit von Gitano-Vereinen, die durch Flamencoun­terricht in sozial benachteil­igten Vierteln die identitäts­stiftende Wirkung des Flamenco und die allgemeine­n Vorteile des gemeinsame­n Musizieren­s nutzen, um Kinder gegen Gewalt und Perspektiv­losigkeit abzuhärten, sowohl gesellscha­ftlicher, als auch innerfamil­iärer. Der Flamenco, so das Fazit, sei daher nicht nur „ ein künstleris­ches Erbe, sondern auch politisch“.

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Foto: Cueva Zambra la Faraona
Viel Spaß beim Einfangen: Flamenco in Sacromonte, Granada. Foto: Cueva Zambra la Faraona

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