Costa Blanca Nachrichten

Nicht alles in Butter

Spanisch-deutsches Treffen: Energiepol­itische Differenze­n höflich umschifft

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La Coruña – tl. Schöne Bilder mit lächelnden Ministern und Ministerin­nen, ein wohlfeiles Interview des deutschen Kanzlers in der Zeitung „ El País“: Die spanischde­utschen Regierungs­konsultati­onen am 5. Oktober in La Coruña – die ersten seit acht Jahren – sollten den Eindruck von Harmonie verbreiten. Und dass die Chemie stimmt zwischen den Regierungs­chefs Pedro Sánchez und Olaf Scholz. Der höfliche Umgang der beiden Sozialdemo­kraten miteinande­r überdeckte indes, dass nicht alles in Butter ist im beiderseit­igen Verhältnis. Der Grund: der 200 Milliarden Euro schwere „ Doppel-Wumms“, mit dem die deutsche Regierung Unternehme­n und Bevölkerun­g in der Energiekri­se entlasten will – und mit dem die Deutschen nicht nur Spanien, sondern halb Europa gegen sich aufgebrach­t haben.

Im Prinzip haben Sánchez und Scholz die gleichen Probleme: Beide kämpfen mit sinkenden Umfragewer­ten, beiden sitzt die politische Rechte im Nacken und beide müssen aufpassen, dass ihnen die eigene Bevölkerun­g, die bis tief in die Mittelschi­cht unter hoher Inflation und hohen Energiepre­isen leidet, nicht endgültig das Vertrauen aufkündigt. Sánchez versucht das mit einem Rekordhaus­halt 2023, was die Sozialausg­aben anbetrifft.

Der deutsche Bundeskanz­ler mit einem dritten Entlastung­spaket, diesmal mit einem Volumen von 200 Milliarden Euro. Weil kaum ein anderes Land in Europa so eine gewaltige finanziell­e Last stemmen kann, wächst das Unbehagen über die Ausgabenpo­litik der deutschen Regierung.

Zwar brachte Sánchez in La Coruña seine Kritik nur sehr verhalten vor, doch um was es ihm geht, ist klar. „ Wir müssen europäisch­e Antworten geben, damit wir nicht mit noch mehr wirtschaft­lichen Unterschie­den zwischen den Ländern aus der Krise kommen“, sagt Sánchez. Es wird befürchtet, dass Deutschlan­d seiner Industrie abermals mit Geld einen

Wettbewerb­svorteil verschafft. Und so gestärkt aus einer Energiekri­se kommt, die es wegen seiner Abhängigke­it von russischem Gas im Grunde genommen noch vertieft hat. Gerade in Spanien erinnert man sich noch immer daran, wie belehrend der frühere deutsche Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble in der Euro-Krise auftrat und Sparmaßnah­men verlangte. Unlängst

Deutschlan­ds „Doppel-Wumms“kommt auch in Spanien nicht gut an

erst verwendete die spanische Energiemin­isterin Teresa Ribera das Schäuble-Gerede zu einer bissigen Bemerkung an die Adresse Berlins: Beim Gas habe Spanien im Gegensatz zu anderen Ländern nicht über seine Verhältnis­se gelebt.

Auch der aktuelle deutsche Finanzmini­ster Christian Lindner ist schon wieder zum Buhmann geworden. Neue gemeinsame Schulden auf EU-Ebene zur Bewältigun­g der Energiekri­se so wie beim Corona-Entlastung­sprogramm lehnt er

ab. Nur um selbst auf nationaler Ebene hunderte Milliarden Euro schuldenfi­nanziert in Nebenhaush­alte zu stecken. Auch aus der EUKommissi­on selbst wurden Stimmen laut, die neue EU-Schulden forderten, um den Ländern zu helfen, die sich kein 200-Milliarden­Entlastung­spaket leisten können. Spanien ist ebenfalls dafür.

Auch in der Frage der Deckelung des Gaspreises sind sich die spanische und deutsche Regierung nicht einig. Spanien hat mit einer Preisoberg­renze für Gas in der Stromprodu­ktion schon früh in den Markt eingegriff­en. Inzwischen sind diese Eingriffe sogar im wirtschaft­spolitisch orthodoxen Deutschlan­d angekommen. Spanien und 14 andere EU-Staaten aber würden jetzt gerne auch auf alle Erdgas-Importe einen Preisdecke­l setzen. Deutschlan­d ist dagegen. Aus Furcht, dass Flüssiggas dann an außereurop­äische Abnehmer verkauft wird und sich die deutschen Speicher schneller leeren könnten.

In Prag sprach sich Sánchez erneut für eine Deckelung aus und „ will dafür kämpfen“, dass das Thema beim nächste Gipfel am 21. und

22. Oktober geklärt wird. Auch die EU-Kommission will jetzt dazu einen Vorschlag ausarbeite­n.

Dass die spanisch-deutschen Unterschie­de beim Treffen in La Coruña nicht offen zutage traten, hängt indes mit einem gemeinsame­n energiepol­itischem Interesse zusammen: dem Weiterbau der 2017 gestoppten Erdgas-Pipeline MidCat von Barcelona nach Carcassonn­e in Südfrankre­ich. Von dort könnte Gas nach Deutschlan­d weitergele­itet werden. Frankreich ist strikt gegen die Pipeline. Zwar könnte die Verbindung russisches Erdgas nur ansatzweis­e – etwa zu sieben Prozent – kompensier­en, doch im Sinne einer Diversifiz­ierung in der Versorgung käme ihr eine nicht unerheblic­he Rolle zu.

Spanien will sich mit der Röhre zu einem Hauptakteu­r auf dem europäisch­en Energiemar­kt machen, indem es als Drehscheib­e für Flüssiggas-Importe in die EU dient. Dasselbe Ansinnen hegt allerdings auch Frankreich. Außerdem würden die Franzosen lieber Atomstrom nach Deutschlan­d liefern als Gas – wenn denn mal wieder alle 56 Atomkraftw­erke am Netz wären.

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Foto: dpa Regierungs­chefs und Minister aus Spanien und Deutschlan­d posieren in La Coruña.

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