Liebe Leser,
ihre größte Sorge der letzten 40 Jahre war der
Abgabepreis für Oliven, abwechselnd schimpften sie höchstens auf „ rojos“und „ señoritos“in Sevilla. Doch die Protestkultur der vorlauten Greta-Jugend hat offenbar auf die alten Baumbestände Andalusiens übergegriffen. Boykottieren oder nicht? Die WM in Katar. Das diskutierten meine geriatrischen
Stammtischliberos und Tresenstürmer in unserer Kleinstadtbar mitten in Andalusien.
Zwischen Flüchen auf den „ inútil“Schiedsrichter beim letzten Real-Spiel spuckten sie dazu mehr Wortfetzen als echte Argumente wie Olivensteine in den Raum. Zunächst Ähnliches, was auch an deutschen Stammtischen nachtröpfelt: „ Alle korrupt, kannst eh nix machen, was geht mich das an“. Doch dann erinnerte einer an die WM 1978 in Argentinien. Die schmachvollen Niederlagen Spaniens und Deutschlands gegen – madre mía – Österreich. Argentinien habe sich dank Militärdiktatur den Titel ergaunert und erpresst, sind sie sich sicher. Und die Menschenrechte? „ Warum habt ihr nicht Olympia in Peking, die WM in Russland boykottiert?“, fragt Wirt Pepe, um sein Public-Viewing-Publikum bangend, sollte die Debatte hier jetzt eine falsche Dynamik bekommen. Warum jetzt Katar? Weil das Feindbild gegen Moslems geschlossener ist, gieße ich klugscheißerisches Diskurs-Olivenöl ins Feuer. Und wieso darf der Iran mitspielen? Der Ex-Eigner des FC Málaga ist ein Scheich aus Katar, wird wegen Finanzvergehen europaweit gesucht. Sein spanischer Vorgänger als Präsident ging vorige Woche wegen Tabakschmuggels ins Gefängnis. „ Die Spieler boykottieren ihr Team eh schon selbst“, klopft sich einer angesichts der desaströsen Ergebnisse des Málaga FC auf die Schenkel. Das Thema Katar war beendet. Vielleicht hatte die Debatte über einen Boykott der WM ihr realistischstes Ziel schon erreicht, indem sie stattfand. „ Am 27. November bist du fällig“, drohen sie mir liebevoll, wenn Spanien auf Deutschland trifft, am ersten Advent. Die Chancen stehen gut, dass es trotzdem eine
„ Sommer“-WM wird. Es ist nicht alles schlecht am Klimawandel. Aber das vertieft der heilige Stammtisch ein anderes Mal.
Marco Schicker, Redakteur