65 Jahre durch Höhen und Tiefen
Hugo und Inge Selnar feiern an der Costa Blanca ihre Eiserne Hochzeit – Blick zurück und nach vorn
Benissa – at. „ Meine Hochzeit war nicht der schönste Tag meines Lebens“, sagt Hugo Selnar gleich vorneweg. Trotzdem hält die Ehe mit seiner Frau Inge seit bereits 65 Jahren. Am 19. Oktober feierten die beiden, die einen Teil des Jahres in ihrem Haus in Benissa verbringen, ihre Eiserne Hochzeit im „ Vall de Cavall“bei Gata de Gorgos.
Der CBN schickten sie ein Foto vom Hochzeitstag, das ungläubige Blicke erntete. 91 Jahre er, 88 Jahre sie? „ Wir werden oft jünger geschätzt“, sagt Hugo Selnar, der die 65 Jahre Ehe zum Anlass nimmt, zurückzublicken. Zum Beispiel auf diesen „ nicht schönen“Tag in Kempten. „ Ich war alleine unter Fremden und kannte nur meine Braut“, erinnert er sich an den 19. Oktober 1957.
Seine Eltern in Heilbronn hatten eigentlich eine Zahnarzttochter für ihn vorgesehen, die er nur von einem Abend kannte – in welchen Vater und Mutter wohl zu große Hoffnungen gesteckt hatten. Der Hochzeit ihres Sohnes blieben sie aus Protest fern. Dabei war der im
Familienbetrieb tätige Schreinermeister, dem zwischendurch ein kurzes Studium in Stuttgart erlaubt wurde, der jungen Modedesignerin, die er dort kennenlernte, gänzlich verfallen. „ Ich war 25 und hatte bisher nie eine feste Freundin. Je mehr mir eine Frau gefiel, desto verklemmter wurde ich. Bei Inge war das ganz anders. Es war so, als würde ich sie schon lange kennen.“Das Elternhaus, in dem er auf kein Verständnis für seine große Liebe stieß, verließ er bei Nacht und Nebel – um vier Wochen später zu heiraten.
Aufstieg und Erfolg
Es folgten Höhen und Tiefen, erstere behielten Oberhand und führten die beiden in ein Leben, das sich der aus einfachen Verhältnissen stammende Hugo und die als Halbwaise aufgewachsene Inge, die ihren Vater mit neun Jahren verloren hatte und mit Mutter und Bruder aus dem Osten geflüchtet war, nie hätten träumen lassen.
Hugo Selnar schaffte es beruflich ganz weit nach oben. Auch wenn er zunächst doch wieder in die elterliche Schreinerei zurück musste, bevor er in Schnelldorf mit einem Partner eine eigene Fensterfabrik auf die Beine stellte. Es folgte ein beruflicher und sozialer Aufstieg, die Familie wuchs um drei Söhne und „ Inge hielt mir nicht nur den Rücken frei, sondern war auch mein Gewissen bei geschäftlichen Entscheidungen“. Die größte dieser Entscheidungen war Selmars Vision, eine digitale Produktionsfirma für Fenster, damals noch fast undenkbar, zu gründen. Ende der 80er Jahre setzte er dafür sein ganzes Vermögen ein. Mit Erfolg.
1990 wurde die Anlage gestartet, wenige Jahre später veräußerte er sie an einen Investor und begann, sich an ein Leben ohne Stress und Pflichten und mit Reisen um die halbe Welt zu gewöhnen. Mit dem Wissen, Pionierarbeit geleistet, nebenbei noch eine von den Ärzten als unheilbar eingestufte Krankheit überstanden und vor allem sämtliche Höhen und Tiefen mit seiner Frau geteilt zu haben.
Und das Geheimnis der so lange währenden Ehe? „ Wir haben irgendwann nach einer heftigen Auseinandersetzung festgestellt, dass unsere Gespräche künftig den Ton haben sollten, den wir gegenüber guten Freunden benutzen“, sagt Hugo Selnar. „ Im Laufe der Jahre haben wir das gelernt und hatten tatsächlich immer weniger Konflikte. Wir lächeln uns an, wenn wir aneinander vorbeilaufen. Wir nehmen uns mehrere Male täglich in die Arme. Wir haben einen respektvollen, höflichen, offenen, ehrlichen und zärtlichen Umgang. Irgendwann sahen wir uns in die Augen und umarmten uns. Wir hatten uns neu ineinander verliebt.“
Nach dem Eisen der Stein
An die Costa Blanca – zuerst nach Dénia, dann nach Moraira und Benissa – zog es die beiden Ende der 90er Jahre des gesunden Klimas wegen. Übrigens: 67,5 Jahre nennt man Steinerne Hochzeit. Das nächste Ehejubiläum steht also praktisch vor der Tür.