Scherben und Fortschritt
Im Hafen Torrevieja ist ein neuer Fischmarkt im Betrieb – 20-Millionen-Freizeitzone folgt
Torrevieja – sw. Torreviejas erneuertes Tor zum Meer nimmt Formen an. Anfang Oktober eröffneten die Stadt und die Landesregierung zusammen die spektakuläre neue Lonja (Fischbörse). Und nun legten die Kernarbeiten los, die dem Hafen nicht nur ein frisches Äußeres, sondern auch neue Schwerpunkte verleihen sollen. Gebaut wird die Freizeitzone Paseo del Mar, die ab Sommer 2023 Besucher zum Hafenvergnügen locken soll.
Vor dem Bau steht aber noch der Abriss an. Die Maschinen haben begonnen, die alten Häuschen der Fischer aus den 60ern sowie Lager für Boote der Schleppnetzfischerei niederzureißen. Sechs futuristische Gebäude von bis zu zwölf Metern Höhe sollen hier erwachsen, um lauter Gastronomie- und Erlebnisangebote zu beherbergen. Restaurants mit Blicken auf die Hafenbecken etwa, Multikinos, eine amerikanische Bowlingbahn.
In den Scherben, das spürt man beim Besuch der Mole, liegt hier eine Ära des Hafenlebens. Altes geht, Neues entsteht. Vergangenheit ist bereits der Parkplatz, auf dem besonders die ausländischen Residenten aus den Urbanisationen so gern ihre Autos abstellten, um im Puerto zu schlendern. Parken darf man hier nicht mehr. Stattdessen entstehen im Zuge der Moder
nisierung 600 Plätze auf zwei unterirdischen Etagen.
Eine Lotsenkabine zur Ausführung des Baus der Tiefgarage steht schon. 60 Pumpen will das Bauunternehmen nutzen, um das Wasser aus der Erde herauszuholen. Ein lebloses Gerippe ist nur noch die alte Lonja. Bald wird sie komplett abgerissen, genauso wie die vergilbten Häuschen, die über Generationen das Leben von Torreviejas Fischerfamilien geprägt hatten.
Tourismus und Konsum heißen nun die Netze, die die Massen einfangen sollen. Ganz legal ist das nicht, denn Valencias Gesetz erlaubt im Hafen eigentlich keine Hauptaktivität nicht-nautischer Art. Aber im Namen des Fortschritts sind gesetzliche Normen dehnbar. Immerhin überleben einige Kultobjekte, so der Kiosk El Isla, der von der alten zur neuen Lonja zieht.
Zwei Millionen Euro kostete der neue Fischmarkt, den Empre
sas del Sol – für 50 Jahre Konzessionär des Freizeithafens – fertigstellte. Von einer „ historischen Stunde“sprachen Stadt und Land. Und immerhin ist im Rahmen des 20-Millionen-Projekts das Zollgebäude im demokratischen Spanien angelangt: Nach 45 Jahren ist das Franco-Symbol auf dem restaurierten Türmchen weg – und stattdessen ragen Helm und Drache, Insignien der Generalitat Valencia, gen Himmel und Wolken des Wandels.