Unsportliche Karawane
Zugpassagiere mit Behinderungen oder Kinderwagen reisen in C1-Linie noch heute wie 1982
Orihuela – sw. Seit 1982 gehören sie im Land Valencia für unzählige Menschen zur Alltagsroutine dazu: Die Dieselzüge 592. Eigentlich ein überaus gelungener Typ spanischer Zugbaukunst, denn etwa auf der Strecke Alicante-Murcia sind sie seit 40 Jahren nicht aufzuhalten, die ollen „ camellos“. Kamele nennt man die Züge, weil sie wegen der altbackenen Klimaanlage Höcker auf dem Dach tragen. Aber mit dem Kultfaktor aus dem Jahr der spanischen Fußball-WM 1982 können immer weniger Passagiere etwas anfangen. Allen voran die, die bei der Fortbewegung nicht nur auf Schienen Räder benötigen.
Für Menschen im Rollstuhl oder Menschen mit Kinderwagen ist auf den Bahnhöfen von Elche, Callosa oder Orihuela bereits vor Antritt der Karawane das Besteigen der Kamele eine körperliche Herausforderung unsportlicher Art. Denn für flotte und fitte Reisende ist die Treppe, die an jeder Tür bestiegen werden muss, kein großer Akt. Aber Menschen, die Hilfsmittel bedürfen, überwinden nur mit großer Anstrengung den gefährlichen Abstand von Tür und Gleis
In ihrer Jura-Abschlussarbeit beleuchtete Mar Martínez kürzlich die Mängel auf der Regionalbahnlinie im Süden der Costa Blanca
und kritisierte sie in der „ Información“. Einzig den Dienst Servicio de Asistencia biete Spaniens Bahnanbieter Renfe Betroffenen an. Der sei für taubstumme, blinde oder geistig behinderte Menschen schön und gut, müsse aber vorher beantragt werden. Von fairer Bewegungsfreiheit könne also keine Rede sein, so Martínez. Weder die Gänge in den Waggons, die viel zu eng seien, noch die Toiletten seien in den „ camellos“behindertenge
recht, kritisierte die junge Juristin.
Das Problem sei Renfe sogar bekannt: Für je eine Million ließ der Bahnbetreiber zuletzt die Cercanías-Linien nach Villena und San Vicente verbessern. Aber nicht die C1-Linie nach Murcia.
Erschreckend wenig Geld
Der Fall ist nun sogar beim spanischen Ombudsmann Defensor del Pueblo angelangt – nach Klage durch Mar Martínez. Dass Adap
tierungen alter Züge möglich sind, zeigen Beispiele wie Madrid und Valencia, wo die Cercanías für behinderte Menschen angepasst wurden. Ein Problem bleibt aber in Alicante das Geld. Erschreckend wenig will Madrid auch im neuen Haushalt in die Costa Blanca investieren. 5,6 Millionen sind 2023 vorgesehen, immerhin das Doppelte zum Jahr zuvor, aber im Vergleich zu den 439 Millionen für Valencia geradezu unglaublich unfair.