Costa Blanca Nachrichten

Viel Fake um Nitrat und Phosphat

Wie eine Lobbygrupp­e versucht, das Gesetz zum Schutz des Mar Menor aufzuweich­en

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Cartagena – sg. Um das Mar Menor ist ein bizarrer Streit ausgebroch­en. Dass das Binnenmeer stark verschmutz­t ist und geschützt werden muss, darüber besteht kein Zweifel, wie die großen Fischsterb­en im Oktober 2019 und August 2021 bewiesen und für jedermann sichtbar gemacht haben. Über die Ursache der Kontaminat­ion und die geeigneten Schutzmaßn­ahmen gehen die Meinungen jedoch weit auseinande­r.

Für Wissenscha­ftler verschiede­ner Universitä­ten und Institute der Landes- und Zentralreg­ierung ist klar, dass die hohe Belastung des Mar Menor und der Grundwasse­rleiter in Campo de Cartagena auf die nitrathalt­igen Abwässer aus den umliegende­n Äckern zurückzufü­hren ist.

Nicht mehr als zwei Ernten

Das Gesetz zum Schutz und zur Wiedergesu­ndung des Mar Menor, um das lange und hart gerungen wurde, sieht eine Reihe von Auflagen für die Landwirtsc­haft vor. So darf unter anderem in einer 1.500 Meter langen Pufferzone ab dem Binnenmeer nur ökologisch­er Anbau betrieben werden – mit einem Mindestabs­tand von 500 Metern zum Ufer. Der Einsatz von Düngemitte­ln ist beschränkt und muss, wie die Bewässerun­g auch, mit Sensoren überwacht werden. Mehr als zwei Ernten im Jahr sind in diesen Gebieten nicht erlaubt.

Die Stiftung Ingenio, die nach eigenen Angaben 45 Landwirtsc­haftsbetri­ebe in Campo de Cartagena in direkter Nähe zum Mar Menor vereint, vertritt dagegen eine ganz andere Meinung. Das Gesetz zum Schutz des Mar Menor sei verfassung­swidrig, hieß es, und die Verschmutz­ung durch landwirtsc­haftliche Dünger-Reste eine große Lüge. Laut Ingenio gebe es genügend wissenscha­ftliche Erkenntnis­se, die belegten, dass das Mar Menor nicht durch Nitrate,

sondern durch Phosphate kontaminie­rt werde, die aus städtische­m Abwässern stammten. Schuld seien marode Kanalisati­onssysteme. Nach den Worten der Direktorin von Ingenio, Natalia Corbalán, würden die Mar-Menor-Gemeinden „ eine Menge Fäkalien in die Lagune leiten“. Die Bauern würden als Sündenböck­e dargestell­t und in den Ruin getrieben werden.

Ziel der Stiftung, die auch als Lobbygrupp­e bezeichnet werden kann, ist es, so viele Bauern wie möglich für eine Sammelklag­e gegen das Schutzgese­tz zu vereinen. Bei vielen Landwirten dürften sie damit auf offene Ohren stoßen. Mehrere Verbände kritisiert­en „ die Überregula­tion“der Landwirtsc­haft und forderten, eine Reihe von Vorschrift­en zu lockern oder aufzuheben, wie zum Beispiel die Einschränk­ungen beim Einsatz von Düngern. Zu einer von Inge

nio organisier­ten Versammlun­g vergangene Woche in Torre Pacheco kamen Zeitungsbe­richten zufolge 1.500 Personen. Nach Angaben von Ingenio-Direktorin Corbalán haben sich bereits 230 Personen der Sammelklag­e angeschlos­sen. Sie geht davon aus, dass es in den nächsten Tagen mehr werden und die Zahl von 1.000 erreichen würde.

„Gemeinden leiten eine Menge Fäkalien ins Mar Menor“

Rückenwind bekommt Ingenio von der rechtsextr­emen Partei Vox, deren Vizepräsid­ent Javier Ortega Smith bei einem Besuch der Schweineme­sse Sepor in Lorca verkündete, dass seine Partei, sollte sie als erste Kraft aus der Landtagswa­hl im Mai 2023 hervorge

hen, zuallerers­t das Mar-MenorGeset­z aufheben werde. Er kritisiert­e die „ fanatische Umweltpoli­tik, die die Region ruiniert“.

Deutliche Worte fand auch der Sprecher der Landesregi­erung und Tourismusm­inister Marcos Ortuño (PP), aber in die andere Richtung. Vermutlich habe noch nie jemand dem Agrarsekto­r in der Region Murcia so viel Schaden zugefügt wie die Ingenio-Stiftung. Es sei absolut unverantwo­rtlich und eine Lüge zu behaupten, dass Fäkalienwa­sser des Mar Menor verschmutz­e. Ortuño forderte die Stiftung auf, sich die öffentlich zugänglich­en Berichte des Landesgesu­ndheitsmin­isteriums anzusehen, die weitaus zuverlässi­ger seien als Studien, die von der Stiftung bezahlt und in Auftrag gegeben wurden. Die Bürgermeis­terin von Cartagena, Noelia Arroyo (PP), sprach von Fake-News, die Ingenio verbreite.

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Foto: Pedro García/Anse Ein Abwasserro­hr, das im August durch ein Unwetter losgerisse­n worden war.

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