Aus Versen werden Bilder
„Enfant terrible“der Kunstszene von Murcia, Pepe Yagües, ehrt Dichter Miguel Hernández
Molina de Segura/Orihuela – sg. Einer, der sich was traut, der Kirchgänger mit einer lebensgroßen nackten Frau aus Holz verstört, der auch vor Politikern keinen Halt macht, sie symbolisch ans Kreuz nagelt oder auf die Hörner nimmt – im wahren Sinn des Wortes –, der Stierkampffreunde ärgert und der auch schon mal nackt zur eigenen Vernissage erschienen ist: Der renommierte Bildhauer aus Molina de Segura, Pepe Yagües, hat sich seinen Ruf als „ Enfant terrible“der Kunst in der Region Murcia verdient.
Geschadet hat ihm das nicht. Im Gegenteil. Man spricht über ihn und seine imposanten Kunstwerke, wie zum Beispiel die zwei Meter große und 200 Kilogramm schwere nackte Flora, eine Frau aus Holz, die Yagües vor einigen Jahren während des Frühlingsfestes durch Murcia schob – aus Protest gegen den damaligen Entwurf eines neuen und verschärften Abtreibungsgesetzes. Unter Floras Busen war eine Nachricht an den verantwortlichen Justizminister zu lesen, die soviel bedeutete wie, er solle die Finger von ihr lassen.
Götter, Monde und Erotik
In seiner aktuellen Ausstellung in Orihuela widmet sich Pepe Yagües einem der bedeutendsten Dichter Spaniens, Miguel Hernández. Die Exposition mit dem Titel „ Ícaro en lunas“(Ikarus auf den Monden) ist eine Hommage an den Poeten, der in Orihuela geboren wurde und 1942 während des Franco-Regimes (1939-1977) im Alter von 31 Jahren im Gefängnis zu Tode kam. „ Alle meine Werke basieren auf eher weniger bekannten Versen von Miguel Hernández“, sagt Pepe Yagües und zählt eine Reihe
von Beispielen auf.
Da geht es um Gedichte, in denen zahlreiche Figuren aus der griechischen und römischen Mythologie auftauchen, wie Venus, die Göttin der Liebe, Phaethon, der Sohn des Sonnengottes Helios oder Europa, die Geliebte von Zeus, der sich ihr wegen seiner argwöhnischen Ehefrau Hera als
Stier näherte. Pepe Yagües hat sich die Venus vorgenommen und einen nackten Mann zwischen ihre korallenroten Lippen gelegt.
„ Der Mond ist ein wichtiges Element in den Gedichten von Miguel Hernández und zieht sich durch seine Verse“, sagt Pepe Yagües, der Ikarus in einem seiner Werke den Mond als Flügel verleiht. Yagües hat sich auch der „ erotischen Verse“angenommen, „ die Miguel Hernández mit großer Kraft und Eindringlichkeit schrieb und die der spanische Schriftsteller Antonio Muñoz Molina als ‚ die sexuelle Ungeniertheit des Bauern‘ beschrieb“. Pepe Yagües hat dazu das Bild „ Getragen von Küssen“angefertigt.
Die „ luftigen Verse“des Dichters, in denen gen Himmel geflogen wird, beschreibt Pepe Yagües als Metaphern für die Sehnsucht nach Freiheit, auch wenn man sie noch nicht verloren habe. Yagües Interpretation ist eine Messingstruktur, in der eine nackte Frau abhebt.
Bestie mit leuchtendem Herz
Insgesamt stellt der Künstler aus Murcia 20 Stiche und fünf Skulpturen aus. Bei den Bildern handelt es sich um neue und zum Teil noch nicht veröffentlichte Stahlstiche. Dabei wird die Zeichnung auf eine Stahlplatte geätzt und nach dem ganzen Prozess auf Papier gedruckt. Die Skulpturen, von denen zwei über zwei Meter groß sind, wurden aus Eisen, Messing und Holz gefertigt. Hervorzuheben ist das Werk „ Erinnerung an die wilde Bestie“mit seinem photovoltaischen Herz, das aufleuchtet, wenn kein Licht mehr vorhanden ist.
Die Ausstellung „Ícaro en lunas“läuft bis zum 11. Dezember in dem Saal Rincón Hernandiano im Casa Museo Miguel Hernández in Orihuela, C/ Miguel Hernández 73. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag, 10 bis 14 Uhr und 16 bis 19 Uhr, Sonntag vormittags.