Die Banditen sind zurück
Neues Bandolero-Museum in El Borge zwischen Historie und Verklärung
El Borge – mar. „ Helden oder Bösewichte, mutige Männer oder Diebe – zwischen Mythen und Legenden kehrt das Banditentum nach El Borge zurück. Das Museum setzt darauf, die Geschichte einer Epoche zu bewahren, die halb Europa zu uns führte, auf der Suche nach Abenteuern und den Eigentümlichkeiten Andalusiens“, freute sich Jesús Almazán, dem die Sammlung zu großen Teilen zu verdanken ist und er richtet dabei den Blick natürlich nur zufällig auf die zur Eröffnung erschienenen Politiker. Die Bandoleros sind zurück in El Borge.
Da hätten sie aber Augen gemacht, der El Tempranillo, El Guapo, Curro Jiménez oder Luis Muñoz und all die anderen Bandoleros, die meist früh am Galgen oder durch eine Kugel endeten und gesellschaftlich als Landplage geächtet waren. 200 Jahre später errichtet man ihnen nicht nur ein Museum, sogar die Staatsmacht, einschließlich der Erzfeinde der Guardia Civil, die wegen den Wegelagerern überhaupt erst gegründet wurde, treten zur Eröffnung an, sprechen von Traditionen und Identität.
Das Dörfchen El Borge im Kreis Axarquía hinter Vélez-Málaga und Rincón de la Victoria liegt in der Landschaft, als hätte der Schöpfer auf dem Weg zur Sierra Nevada einen Kleks weißer Farbe aus dem Eimerchen verschüttet. Seit 23. Februar 2023 beherbergt das romantische Bergdorf die „ Galería del Bandolero“in einer für 200.000 Euro umgebauten frühe
ren Ölmühle. 1.500 Ausstellungsobjekte werden gezeigt, die meisten davon stammen aus dem Bandolero-Museum in Ronda, das 2020 nach zehn Jahren schließen musste. Wir finden alte und nach
„El Borge, Wiege eines der gefürchtetsten Banditen seiner Zeit“
gebaute Waffen vom 18. und 19. Jahrhundert, dazu Ölgemälde, Zeichnungen, historische Akten und Briefe, Fahndungsplakate und Gerichtsurteile, Zeitungsartikel, aber auch Dokumente zu den „ romantischen Reisenden“, die mit ihrer Schriftstellerei viel zur Saga, zur Überhöhung der Bandoleros
beigetragen haben, so wie es auch der Dorfklatsch tat, immer changierend zwischen schaurig-schönen Schreckenserzählungen und Robin-Hood-Verklärung.
Diese Verklärung, ja Verkitschung des Bandentums à la „ Wirtshaus im Spessart“dominiert bis heute und so werden mit Trachten und Kostümen aus dem Fundus des öffentlichen Fernsehens Gestalten und Szenen der berühmten Bandolero-Serie „ Curro Jiménez“aus den 1970er Jahren dargestellt, die das weitgehende Zerrbild vom freiheitsliebenden Outlaw bis in die heutigen Generationen verfestigte.
Auch der Ort El Borge hat seinen eigenen „ Helden“, Luis Muñoz, bekannt als „ El Bizco Arbo
ge“, das Biest aus Borge, der „ heute das touristische Angebot der Axarquía komplettiert“, wie sich der Präsident der Provinzverwaltung Francisco Salado geschraubt windet, „ welcher Ort wäre besser für ein solches Museum geeignet, als El Borge, Wiege eines der gefürchtetsten Banditen seiner Zeit“.
Dass die Bandoleros eine direkte Reaktion auf Politik und Unterdrückung, Armut und Ungerechtigkeiten sowie eine Folge des Machtvakuums (meist aufgrund von Kriegen) waren, vertiefte der Politiker begreiflicherweise nicht, der Museumsbesucher muss schon ein bisschen mitdenken. Aber wer weiß, wenn die Zeit reif ist und die Not wieder groß genug, wird aus der „ Banditen-Galerie“vielleicht doch einmal wieder ein „ lebendiges Freiluftmuseum“.
Für El Borge, das auch eine Pension und ein Gasthaus zur Thematik (Posada del Bandolero) bietet, ist das Bandolero-Museum natürlich ein Gewinn und Ergebnis wachsender Bemühungen, den Inlandstourismus zu beleben, auch mit dem Hintergedanken, die in mehrfacher Hinsicht ruinöse Landflucht umzudrehen, auch wenn das 20 Kilometer von der Küste entfernte El Borge da eher noch privilegiert ist.