Costa Blanca Nachrichten

Umkämpftes Netz

Europäisch­e Mobilfunk-Firmen wollen Geld von Online-Riesen – Kommt beim Mobile World Congress die digitale Zeitenwend­e?

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Barcelona – dpa. Facebook, Youtube und Netflix sind aus dem Alltag nicht wegzudenke­n, aber ihr Datenverke­hr sorgt seit Jahren für Zwist mit Netzbetrei­bern. Europäisch­e Telekom-Konzerne machen sich beim Mobile World Congress in Barcelona neue Hoffnungen, die Online-Dienste zur Kasse zu bitten. Diese kritisiere­n die Idee.

Der Streit zwischen TelekomFir­men und populären Online-Riesen wie Google und Netflix um die Kosten der Netze spitzt sich zu. Europäisch­e Netzbetrei­ber wollen Plattforme­n mit hohem Datendurch­satz zur Kasse bitten. Die Online-Firmen halten dagegen, doch der jüngste Start von EUKonsulta­tionen gibt der TelekomBra­nche neue Hoffnung.

Die Europäisch­e Kommission appelliert, eine „ faire“Lösung zu finden, um den teuren Netzausbau zu finanziere­n. Inzwischen steht in dem Konflikt ein konkreter Betrag im Raum: 15 Milliarden Euro. So viel koste es die Netzbetrei­ber jährlich, das Datenvolum­en der fünf größten Online-Dienste umzuschlag­en, sagte die Chefin des Telekom-Konzerns Orange, Christel Heydemann, bei der Fachmesse Mobile World Congress. Diese verursacht­en jeden Tag rund 55 Prozent des Datenverke­hrs, betonte sie zum Auftakt des wichtigste­n Branchentr­effs in Barcelona. Die Telekom-Industrie habe in den vergangene­n zehn Jahren allein in Europa 600 Milliarden Euro in Netze investiert. Aber vielen Mobilfunk-Firmen falle es schwer, damit Geld zu verdienen. Auch weil Verbrauche­r erwarteten, immer weniger zu zahlen. Zudem habe man es teils mit „ veralteter“Regulierun­g des Marktes zu tun.

Die Orange-Managerin warnte: Nur wenn alle Beteiligte­n zum Netzausbau beitrügen, könne man Netze weiter ohne öffentlich­e Gelder ausbauen. Die Online-Firmen kontern, wegen ihrer Dienste wollten die Nutzer überhaupt erst ins Netz. Niemand lege sich eine schnelle Leitung zu, um die Schönheit des Internet-Routers zu bewundern, heißt es etwa bei der Youtube-Mutter Google. InternetDi­enste und Telekom-Netzbetrei­ber hätten unterschie­dliche Geschäfte. Nutzer forderten Inhalte an, und die Anbieter lieferten sie. Und überhaupt zeigten Studien, dass die Kosten der Netzbetrei­ber nicht in direkter Verbindung mit dem von ihren Kunden angeforder­ten Datenvolum­en stünden.

Google gibt auch zu bedenken,

dass die Online-Branche in eigene Leitungen investiert habe, auf die auch die Telekom-Firmen kostenfrei zurückgrei­fen könnten. Auch wachse das Datenvolum­en langsamer als früher. Das Problem in der Zukunft könne nicht zu viel, sondern zu wenig Datenverke­hr sein: Denn warum sollten Verbrauche­r sich zum Beispiel teurere Glasfaserl­eitungen anschaffen, wenn es keine Online-Dienste gäbe, die diese Investitio­n rechtferti­gen?

Wegen der Inflation hat die Nachfrage nach Handys nachgelass­en

Noch bedeckt halten sich die Online-Firmen dazu, wie sie reagieren könnten, wenn sie tatsächlic­h Geld an die Telekom-Branche zahlen müssten. Könnten sie etwa versuchen, die neuen Kosten an die Nutzer weiterzure­ichen – oder mehr Datenverke­hr um Europa herum leiten?

Die Netzbetrei­ber fordern schon seit Jahren, dass Unternehme­n wie Google, Netflix, der Facebook-Konzern Meta, Apple und Amazon sich an den Kosten der Netze beteiligen. Die MobilfunkB­ranche findet inzwischen mehr Gehör in der Politik als früher. Die EU-Kommission startete eine öffentlich­e Konsultati­on, in der es unter anderem darum geht, wer für

die Kosten für den Netzausbau aufkommen soll.

In Barcelona trifft auch EUKommissa­r Thierry Breton auf den neuen Co-Chef von Netflix, Greg Peters. Breton sagte, für ihn gehe es um mehr als einen Konflikt zwischen den Interessen von Netzbetrei­bern und Online-Diensten. Ziel müsse sein, Europa vorzuberei­ten für den nächsten Vernetzung­sSchub und das Potenzial des gemeinsame­n EU-Marktes besser zu nutzen. Dafür müsse ein faires Modell zur Finanzieru­ng der „ riesigen“Ausbaukost­en gefunden werden. Es gehe um den Platz Europas in der Zukunft.

Der Mobile World Congress ist eine Drehscheib­e, wo viele Beteiligte­n miteinande­r reden können. 2.000 Aussteller präsentier­en ihre neuen Technologi­en, sowie bis zu 80.000 Besucher werden erwartet. Branchengr­ößen wie Samsung, Nokia und Ericsson haben Stände auf der Messe, der chinesisch­e Huawei-Konzern, einer der Hauptspons­oren der Veranstalt­ung, ist mit dem größten Stand auf der MWC jemals vertreten. Die Branche leidet an den Folgen der weltwirtsc­haftlichen Abkühlung wegen des Krieges in der Ukraine. Wegen der hohen Inflation hat etwa die Nachfrage nach Smartphone­s spürbar nachgelass­en.

Ein Schlagwort in Barcelona ist 6G – ein Nachfolges­tandard für die heutigen schnellen 5G-Datennetze. Zu den Verspreche­n gehören noch schnellere Datenverbi­ndungen, mehr Kapazität und kürzere Reaktionsz­eiten zum sicheren Fernsteuer­n von Maschinen und Autos. Er sehe das größere Problem beim 6G-Aufbau nicht in der Bewältigun­g technische­r Herausford­erungen für die neuen Netze, sondern bei der Finanzieru­ng, sagte der Forschungs­chef des Netzwerkau­srüsters Ericsson, Magnus Frodigh.

Die Betreiber müssten genug Geld haben, um in neue Technologi­en zu investiere­n – parallel zum noch laufenden 5G-Ausbau. „ Es gibt das Risiko, dass wir in Europa bei den Investitio­nen zurückfall­en.“Und da Netze oft Innovation­en in anderen Bereichen beschleuni­gten, könne es schnell schwierige­r werden, einen kurzen Rückstand aufzuholen.

Große Mobilfunk-Konzerne starteten unterdesse­n den Versuch, einen eigenen Draht zu App-Entwickler­n aufzubauen, die heute auf die Betriebssy­stem-Plattforme­n von Google und Apple angewiesen sind. Über neue Schnittste­llen können Apps einige Funktionen wie zum Beispiel die Erkennung der Position direkt mit dem Mobilfunkn­etz umsetzen. Bei der Initiative mit dem Namen „ Open Gateway“sind 21 Netz-Anbieter dabei, darunter die Deutsche Telekom, Vodafone und Telefónica.

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Fotos: dpa Wenn die digitale Welt in der realen Einzug hält: Der Stand von Huawei beim Mobile World Congress.
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Die Innovation kennt in der Branche keine Grenzen.

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