Des Golfers Himmelreich
Ein gut gepflegter Golfplatz in schöner Natur, nette Mitspieler und ein gutes Handicap, das ist für Golfer das A und O
red. Schnöseliger Gesichtsausdruck, dazu karierte Hosen, ein perfekt gebügeltes Poloshirt, strahlend weiße Söckchen und sündhaft teure Sportschuhe, alles von angesagten Modemarken – so stellt sich mancher Laie das Auftreten und Outfit eines typischen Golfers vor, der sich auf dem Parkplatz vor einer elitären Anlage aus seinem brandheißen PorscheModell schält.
Schon vor Jahrzehnten hat sich Golf vielerorts den Ruf erworben, ein Freizeitvergnügen für Menschen mit dickem Bankkonto zu sein. Vor allem für älteres Publikum. Seitdem wurden Vorurteile gepflegt und Sprüche geklopft: „ Hast du noch Sex, oder spielst du schon Golf?“, ist nur ein Running Gag, der überall – außer bei Golfern – für einen guten Lacher sorgt. Auch nicht komplett von der Hand zu weisen ist die weit verbreitete Meinung, dass auf Golfplätzen schon einige Deals eingefädelt wurden, die nicht immer höchsten Idealen der Legalität entsprachen.
Davon kann sogar die kommunistische Partei Chinas ein Lied singen. Leser des Andalucía GolfMagazins wissen das, denn in einer älteren Ausgabe publizierte das Blatt eine amüsante Meldung: Schon in den 1940er Jahren sei Golf von Mao Zedong verboten worden, weil er ihn als Sport für Millionäre erachtet habe.
Golf ist zweifelsohne ein Sport, der polarisiert. Aber was ist dran an all den Klischees, sind sie noch up to date? Herrscht auf jedem Golfplatz der Welt Schicki-MickiAmbiente? „ In Spanien meist nicht mehr, in Deutschland schon eher“, meint die Luxemburgerin Jeannine
Rehlinger, die seit Jahrzehnten auf internationalen Golfplätzen den Schläger schwingt. Grund genug, sich selbst ein Bild zu machen. Und wo könnte man bessere Studien zum Thema betreiben als im südlichen Spanien und im Spezi
ellen an der Costa Blanca?
Nicht in den Fettnapf treten
Respektvoll miteinander umgehen und den Charakter bilden
Golfen ist eine etwas dynamischere Art des Spazierengehens, das ist schnell klar. Obendrein erfährt man unterwegs interessante Dinge: Ohne Golfkauderwelsch geht zum Beispiel nichts (siehe Kasten Seite 3). Und wer nicht gleich in den Fettnapf treten will, muss sich an Regeln halten. So sollte man sein Telefon ausschalten und nicht reden oder sich bewegen, wenn ein anderer zum Schlag ansetzt. Außerdem lobt man einen guten Schlag und hilft dem Mitspieler bei der Suche nach dem Ball, sollte dieser im Rough gelandet sein. Auch latscht man nicht durch die Puttlinie auf dem Green.
„ Respektvoll miteinander umgehen, das lernt man auf dem Golfplatz“, meint Jeannine Rehlinger. Und sie setzt noch einen drauf: Golf sei ein Sport für charakterstarke Menschen. „ Manche versuchen zu bescheißen. Sie zählen die Schläge absichtlich falsch oder finden plötzlich ihren Ball, obwohl der in die Pampa gegangen ist“, plaudert sie aus dem Nähkästchen. Manche würden den Ball auch mit dem Fuß schubsen, wenn keiner hinschaut, um ihn in eine bessere Lage zu bringen. Doch das täten glücklicherweise nur wenige, versichert die passionierte Golferin. Das hört sich alles so an, als ginge es auf einem Golfplatz zu wie im normalen Leben.
Und was ist mit der SchnöselKlamotte? „ Wenn meine Frau von mir verlangen würde, karierte Golfhosen anzuziehen, würde ich
mich scheiden lassen. Auf weiße Söckchen stehe ich auch nicht“, lacht der Belgier Yann Simonon, der ebenfalls seit Jahrzehnten dem Golfsport verfallen ist. Adäquate Kleidung gehört jedoch zur Etikette, ein nackter Oberkörper, Trägeroder Muskelshirts, Bikinis oder sexy Hot Pants sind No Go’s. Gute Schuhe hingegen sind ein Muss, weil man mit den falschen Tretern das empfindliche Green beschädi
gen kann – oder sich womöglich Blasen läuft. Denn bei einem Spiel legt der Golfer locker zehn bis zwölf Kilometer zurück.
Fazit in Modefragen: Teuerste Markenklamotten können, müssen aber nicht sein. Fast jeder bekannte Sportbekleidungshersteller produziert heute auch Golf-Outfits, deshalb reichen die Preise für ein Polo-Shirt beispielsweise von 15 bis 400 Euro. Und auch für seine Golfschläger muss man kein Vermögen mehr ausgeben, sofern man nicht will. „ Ich habe mein Equipment gebraucht für 20 Euro gekauft“, verrät Golfer Ken. Die Jahresmitgliedsbeiträge sind ebenfalls geeignet, um mit Vorurteilen aufzuräumen: Beispielsweise 1.500 Euro jährlich in einem Golfclub in Valencia, an der Costa Blanca oder Costa del Sol scheinen annehmbar für einen Sport, der einem geselliges Miteinander, Spaß und körperliche Fitness beschert.
Während sich die kleinen Gruppen über die Fairways und Greens bewegen, oder ihren Ball im Bunker oder Rough suchen, herrscht ein ebenso friedvolles wie konzentriertes Ambiente. Wird nicht gerade geputtet, plaudern die Spieler leise miteinander. Aber sobald sich jemand auf einen entscheidenden Schlag vorbereitet, senkt sich eine fast meditative Stimmung über das Gelände.
Jeder Golfer schwört übrigens aus anderen Gründen auf seinen Sport. Die Schottin Carol findet es zum Beispiel wunderbar, dass sie schnell nette Leute kennenlernt. Und wenn sie den Ball richtig trifft, ist die Golf-Novizin im siebten Himmel. Dabei hat man den Schotten ja das Golfspielen sozusagen in die Wiege gelegt hat – hält sich doch dort hartnäckig die Legende, der Golfsport sei von schottischen Schäfern erfunden worden, die zum Zeitvertreib mit ihren Hirtenstöcken Steine durchs Gelände schmetterten. Außerdem gilt Saint Andrews als heiliger Rasen und ältester Golfplatz der Welt.
Von Schnöseligkeit keine Spur
In ihrer Heimat hat das Golfen nichts Elitäres, es ist schon immer
Volkssport gewesen. Eine Jahresmitgliedschaft in einem der vielen Clubs koste um die 100 Pfund, sagt Carol, und sie hat noch einen guten Tipp parat: Einen Schotten sollte man niemals mit der These konfrontieren, es könnten womöglich doch die Niederländer gewesen sein, die dem Golfen zu Weltruhm verhalfen. „ Der eine oder andere könnte schlecht draufkommen“, gibt die Schottin zu.
Das Resümee nach Stunden zwischen Abschlag und Green: Von Schnöseligkeit war nichts zu spüren, Klischees wurden nicht bedient. Aber Gott sei Dank standen beim Abschied doch noch zwei brandheiße Porsche-Cabriolets auf dem Parkplatz vor dem Clubhaus – sonst hätte man als routinierter Anti-Golfer wohl noch mehr zu Kreuze kriechen müssen.