Der Sündenfall
Mit Ferrovial verlegt das erste Schwergewicht seinen Sitz ins Ausland – Boss Rafael del Pino in Kritik
Ferrovial gilt als Paradebeispiel für kreatives Steuersparen
Madrid – tl. Der Baukonzern Ferrovial verlegt aus steuerlichen und finanztechnischen Gründen seinen Sitz in die Niederlande. Kaum ein anderes Familienunternehmen hat die Politik dermaßen hofiert. Entsprechend groß ist die Empörung.
Unidas Podemos will Ferrovial künftig von allen öffentlichen Aufträgen ausschließen. Auch die regierenden Sozialisten fuhren schweres Geschütz auf. Solange es aber in der EU keine einheitliche Unternehmensbesteuerung gibt, wird es immer wieder solche Fälle geben. Ganz abgesehen davon, dass in der EU freier Kapitalverkehr herrscht.
Ferrovial ist das erste spanische Schwergewicht, das seinen Sitz ins Ausland verlegt. Ein Präzedenzfall von symbolischer Bedeutung auch wenn führende Ibex-35-Unternehmen ähnliche Schritte kategorisch ausschließen.
Wie auch immer: Unternehmenschef Rafael del Pino (64) begründete den Schritt damit, dass es von Amsterdam aus leichter sei, an internationale Finanzierung zu kommen. Die Entscheidung habe mit den Plänen zu tun, auch in den USA an der Börse notiert zu werden. Allerdings wird die Großbank Santander schon länger in den USA notiert, ohne ihren Sitz ins Ausland verlegt zu haben.
Die steuerlichen Vorteile sind nicht unerheblich, von bis zu 40 Millionen Euro pro Jahr ist die Rede. So profitieren zunächst die Aktionäre, weil die Besteuerung der Dividenden in den Niederlanden wegfällt. Ferrovial-Chef del Pino, drittreichster Mann in Spanien mit einem auf 3,8 Milliarden Euro ge
schätzten Vermögen, hält mehr als 20 Prozent der Anteile an dem Unternehmen. Auch müssen Aktionäre in den Niederlanden keine Finanztransaktionssteuer zahlen. Ebenfalls entfällt für Ferrovial künftig die Besteuerung, wenn Gewinne ausländischer Filialen „ repatriiert“werden.
Die Nachteile für Spanien halten sich in Grenzen. Wie del Pino äußerte, habe sein Unternehmen im vergangenen Jahr in Spanien 282 Millionen Euro an Steuern gezahlt. Diese Steuern seien mit dem Umzug auch nicht in Gefahr. Fast
82 Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet Ferrovial im Ausland. Vor allem in Nordamerika zog das Unternehmen große Aufträge an Land.
Finanzministerin María Jesús Montero relativierte den Steuerbetrag auf netto 186 Millionen Euro und empfand es als „ kurios“, dass der Gewinn sechsmal niedriger ausgefallen sei als im Jahr zuvor. Hinter der Verlegung des Unternehmenssitzes könnten „ andere Motive stehen“, mutmaßte die Ministerin, zumal Ferrovial als Paradebeispiel für kreative Steuervermeidung gilt. Auch andere Regierungsmitglieder äußerten den Verdacht, dass wohl private steuerliche Motive del Pinos Auslöser für die Entscheidung waren. Genannt wird die neue Reichensteuer.
Aktuell beschäftigt Ferrovial in Spanien rund 5.000 Angestellte, weltweit sind es 74.000. „ Ferrovial verdankt Spanien alles“, sagte Wirtschaftsministerin Nadia Calviño. Das 1952 als Eisenbahnbaufirma gegründete Unternehmen hing jahrelang am staatlichen Tropf und profitierte von Aufträgen der öffentlichen Hand, von der AVETrasse über Autobahnen bis zu Flughäfen.
Allein die aktuelle Regierung Sánchez bedachte das Familienunternehmen mit Aufträgen von mehr als einer Milliarde Euro. „ In Spanien gibt es großartige Beispiele für Unternehmer, die gegenüber dem Land eine Verpflichtung sehen. Bei Herrn del Pino ist das nicht der Fall“, sagte Regierungschef Pedro Sánchez.