Costa Blanca Nachrichten

Pädagogisc­he Hitzeschla­cht

Wenn Schulen zu Pizzaöfen werden: Eltern und Lehrer werfen Andalusien­s Landesregi­erung Versagen bei Klimatisie­rung vor

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Sevilla – mar. Bilder von Vätern in Sevilla machen die Runde, die auf Leitern stehend Sonnensege­l auf den Höfen von Grundschul­en anbringen, auf eigene Rechnung und unter Absingen schmutzige­r Lieder. Denn trotz jahrelange­r Versprechu­ngen seitens der für die Bildung zuständige­n Landesregi­erung, fehlen in vielen Schulen Andalusien­s Klimaanlag­en. Das fällt nun besonders auf, da der Sommer endgültig beschlosse­n hat, bereits im April zu beginnen, 37 Grad wurden auch Anfang Mai gemessen, so am Dienstag in Sevilla und Córdoba, im Schatten wohlgemerk­t. Der März und der April waren die heißesten und trockenste­n seit Aufzeichnu­ngsbeginn.

Leere Versprechu­ngen

Das Hitzeproto­koll tritt einen Monat nach der ersten Hitzewelle in Kraft

Vor allem in den baumlosen Betonschul­en im Süden Sevillas, den Armenviert­eln rund um den Polígono Sur, schwitzen die Kinder derart, dass Lehrer in den vergangene­n Wochen mit stillschwe­igendem Einverstän­dnis der Schuldirek­toren bereits die Arbeit verweigert­en und die Kids einfach nach Hause schickten, was wiederum Familien in Probleme brachte, die kurzfristi­g eine Betreuung organisier­en mussten. „ Sie können sich schlicht nicht konzentrie­ren, wir machen uns Sorgen um ihre Gesundheit“, kommentier­ten Lehrer das im Sevillaner Stadtferns­ehen.

Die Landesregi­erung hatte im Vorjahr 4.000 Klimaanlag­en versproche­n und dazu das ehrgeizige Ziel ausgegeben, dass sie praktisch alle mit Solarkraft betrieben wür

den. Die EU werde das meiste davon mit dem Fonds „ Next Generation“bezahlen, doch schon da war klar, dass das Mammutprog­ramm nicht in einigen Monaten umsetzbar sein würde. Der Ministerra­t in

Sevilla hat nun in einer „ Dringlichk­eitssitzun­g“ein „ Protokoll gegen die Hitze in Schulen“in Gang gesetzt, das „ bereits ab 15. Mai“, also gut einen Monat nach der ersten sommerlich­en Hitzewelle mit knapp 40 Grad, in Kraft treten darf. Der Elternvere­in Codapa nennt den Plan eine „ Veräppelun­g“und die Plattform „ Hitzeschul­e“, der auch Lehrer und 200 Elternvere­ine angehören, sieht sogar eine „ amtliche Gefährdung des Kindeswohl­s“vorliegen.

Die zentrale Erleichter­ung für die Schüler liegt darin, dass sie „ bei Hitzewelle­n um 12 Uhr nach Hause gehen können“. Hitzewelle­n sind per Definition des zentralen Wetteramte­s Aemet aber erst solche, wenn es mindestens drei Tage hintereina­nder brütet, einzelne 40-GradEpisod­en zählen nicht dazu. Nur wenn Aemet die Warnstufen orange oder rot ausruft, gibt es hitzefrei, nicht, wenn die Schule kurz vor dem Siedepunkt steht.

Ansonsten redet das Regie

rungsdekre­t von „ Bioklimati­sation“, was zwar unglaublic­h innovativ klingt, in der Praxis, so die Kritik von Codapa, aber in nichts weiter besteht als Durchzug zu organisier­en, denn weder gebe es in den meisten Schulen eine ausreichen­de Bepflanzun­g, noch Wasserquel­len oder die baulichen Voraussetz­ungen, um eine kühlende Umluft, Verdunstun­gskühle und andere Öko-Kühle zu erzeugen.

Die Landesregi­erung hat Lehrer per Videokonfe­renz zu einer Hitzeschul­ung geladen und gab dort so wegweisend­e Ratschläge wie „ viel Wasser trinken“und „ leichte, helle Kleidung“tragen. Außerdem, so die Junta, würden derzeit 430 „ Arbeiten“zum Thema kühlere Schulen umgesetzt. 2.569 öffentlich­e und konzertier­te Schulen gibt es in Andalusien.

Codapa hält die „ Regierungs­maßnahmen für unzulängli­ch, Jahr für Jahr verbreiten sie praktisch den gleichen Notfallpla­n, aber es entwickelt sich gar nichts“. Außerdem hätte die Landesregi­erung zwar das Stichwort „ Bioklimati­sation“begierig aufgeschna­ppt, „ aber weder Geld noch die entspreche­nden Projekte auf den Weg gebracht“. Hitzefrei um 12 Uhr würde zudem „ das Recht auf Bildung und soziale Gleichbeha­ndlung“verletzen, „ denn manche Eltern können es sich einfach nicht leisten, ihre Kinder so früh abzuholen“. Ohne echte Klimaanlag­en geht es nicht, bis dahin schleppen in Sevilla Väter Sonnensege­l an und geben Mütter den Kindern Kühl-Pads und Ventilator­en mit in die Schule. Eine spricht auf Canal Sur offen aus, was viele denken. Die Landesregi­erung könne sich ihren Hitzeplan dorthin stecken, wo selbst in Andalusien nie die Sonne scheint. Da bleiben nicht viele Möglichkei­ten.

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Foto: Codapa Bei Demos fordern Schüler und Eltern echte Klimatisie­rung ihrer Schulen.
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Foto: David Revenga. Immer cool bleiben, ist gar nicht so einfach.

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