King Charles von Benidorm
Die Krönung des britischen Thronfolgers wird an der Costa Blanca zur blau-weiß-roten Party
„ We’re at the right place, looking at the weather there“, raunt ein Mann dem anderen zu. Vor ihm stehen auf dem Bartisch eines britischen Pubs ein Teekännchen, eine Teetasse und ein kleines Gefäß mit etwas Milch.
Es ist 11.20 Uhr und in Benidorm hat es 22 Grad bei Sonnenschein. Die anderen Menschen, die mit ihm im Außenbereich des Lokals sitzen, unterhalten sich angeregt auf Englisch. Würde auf den Tischen kein Estrella Galicia stehen und das Wetter dem entsprechen, was auf der drei Quadratmeter großen Leinwand am anderen Ende des Pubs zu sehen ist, könnte sich das Spektakel auch in Großbritannien abspielen.
Doch das Spektakel spielt sich nicht im verregneten, kalten London ab, sondern im sonnig-warmen Benidorm, fast 1.500 Kilometer voneinander getrennt. Der Anblick der vielen Menschen, die in blau-weiß-roten Klamotten stecken, lässt ahnen, dass dieser 6. Mai anders ist. Ein halbes Jahr nach dem Tod von Queen Eliza
Queen Elizabeth II. besuchte Spanien offiziell nur ein einziges Mal
beth II. wird ihr Sohn, Charles III., gekrönt. Der straffe Zeitplan verlangt fast drei Stunden die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Gegen 11.20 Uhr beginnt die Prozession in Richtung Westminster Abbey am Buckingham-Palast.
Auf einen Schlag sind mehrere Stühle zu hören, die beim Umherrücken in Richtung Leinwand ein lautes Quietschen von sich geben. Das Königspaar erscheint winkend und lächelnd in einer goldenen
Kutsche – auf der Leinwand. Das vorige Tuscheln unterbricht kurz, die Augenpaare erwarten gespannt die nächsten Schritte der Zeremonie. Dann hat eine Handvoll weiterer Menschen in Union-Jack-bedruckten Polohemden ihren Auftritt auf der überdachten Terrasse des Pubs. Mit lautem Gegröle und ohne die Blicke der umstehenden Menschen zu beachten, setzen sie sich auf die freien Plätze in der Mitte der Terrasse.
An den Tischen des Lokals weilen schon seit einiger Zeit andere Männer mit weißen kurzen Haaren, einem leicht geröteten Gesicht und den gleichen Polohemden. Der Pub füllt sich immer mehr mit Menschen und Unterhaltungen über das britische Königspaar. Welches soeben die Westminster Abbey betritt. Es folgen zwei Stunden Gottesdienst.
Im Allgemeinen lässt diese britische Blase im Pub, in der Getränke auf Englisch bestellt werden und die Kellnerinnen gefragt werden, ob es „ Chips“gebe, dem Spanischen keinen Platz. Dass König Felipe VI. und Königin Letizia von Spanien an der Krönung teilnehmen, wird von den Zuschauern in
Blau-Weiß-Rot nicht sonderlich beachtet.
Nicht verwunderlich, wenn die Queen tatsächlich nur einen offiziellen Besuch in Spanien hatte. Die Pflege der verwandtschaftlichen Querverbindungen zwischen
dem britischen und spanischen Königshaus schien keine Priorität zu sein. Dabei haben Spaniens ExKönig Juan Carlos I. und seine Ehefrau Doña Sofía Königin Victoria von England als gemeinsame Vorfahrin. Und der heutige spanische König Felipe VI. pflegte ein gutes Verhältnis zu seiner „ Tante Lilibeth“, wie er sie nannte.
Krönung mit Estrella Galicia
Als um 13 Uhr in London Charles III. gekrönt wird, sieht es an der Playa de Levante etwas weniger patriotisch aus. Es spazieren weiterhin Briten an der Promenade entlang, die den Temperaturen entsprechend wenig anhaben und deren Haut einen rötlichen Ton angenommen hat. Sie tragen aber kaum noch blau-weiß-rote Polohemden. Auch die Haare sind etwas weniger weiß und etwas voller als die der Menschen im Pub.
Es ist kein Geheimnis, dass die jüngere britische Generation weniger Interesse an der Monarchie hat als die ältere. Laut einer Umfrage von YouGov wollen nur 36 Prozent der 18- bis 24-Jährigen die Monarchie behalten. Bei den 25bis 49-Jährigen wird die Krone von etwas mehr als der Hälfte unterstützt. Für die spanische Monarchie sieht es ähnlich schlecht aus. Nach Umfragen von „ 40dB“würde nur ein Drittel der spanischen Wahlberechtigten die Monarchie der Republik bevorzugen.
Als der Gottesdienst gegen 14 Uhr endet, schreckt ein Mann der englischen Polohemdgruppe aus seinem Sekundenschlaf. Als wäre nichts passiert, greift er zu seinem Bier, nimmt einen Schluck und stellt es zu den anderen Dutzend leeren Estrella-Galicia-Flaschen. Am anderen Tisch schlürft der Brite seinen Earl Grey aus, setzt sich seine Sonnenbrille auf und macht sich mit nacktem Oberkörper auf in Richtung Playa – er ist ja schließlich in Benidorm.