Abgesang eines Extranjero
Leser schreiben für Leser: Friedhelm Schmidt aus Orxeta über seine Zeit als Gemeinderat
Die Wahlen stehen an. Für den Einen eine Erlösung, für Andere der Beginn einer Tortur mit ungewissem Ausgang. Für mich heißt das keine Babys mehr küssen, keine falschen Umarmungen von Parteigenossen, keine Besuche mehr in traurigen Altenheimen. Selbst die tristen Gänge der Klinken auf der Suche nach Wählern lasse ich hinter mir. Da waren die Viren und Bakterien, die in den Hospitalzimmern ungehemmt von Bett zu Bett hüpften, durch die Gänge wehten und bei mir Furcht verursachten. Ich vermisse nicht den Geruch von Alt, Desinfektionsmittel, schon gar nicht den von Formaldehyd.
Auch das Streicheln von Haustieren an den Türen, um Stimmen zu ergattern, ist vorbei. Vorüber die Gespräche, die wenig brachten außer vielleicht Frust oder Enttäuschung. Vorbei trotz Hitze und Durst immer freundlich zu sein, das krampfhafte kurze Lächeln bei unhöflichen Absagen. Dafür war bei Wahlveranstaltungen Dauerlächeln angesagt.
Es gab auch Stimmengewinne, nur wurden die meiner Meinung nach nicht durch persönlichen Kontakt mit den Wahlkandidaten, sondern durch Verbesserungen im Ort erreicht. Meine Parteigenossen mögen mir verzeihen.
Sicher sind auch auf persönlicher Ebene Familie und Freundeskreis animiert worden, uns ihre Stimme zu geben. Bei den Wahlveranstaltungen graute es uns allen vor den Marathon-artigen Reden. De facto ging es um Parteiprogramm und Selbstdarstellung. Oft überboten sich die Redner in Repetitiven.
Nach der Wahl und der Vereidigung wollte ich voller Elan und martialisch restrukturierend meine politische Karriere starten. Der Posten eines Gemeinderats gab mir das Gefühl, ich bin mehr, aber mehr als ich geht nicht.
War ich doch nur der Vorzeigekandidat der Estranjeros im Ort? Der Alibiausländer? Diese Frage lasse ich offen. Fakt ist Stimmrecht ja, Veränderungen nach eignen Vorschlägen oder Einfluss nicht wirklich.
Jetzt habe ich mich aus der Wahlliste streichen lassen. Genug mit dem Negativen. Deduktiv wende ich mich jetzt Reisen, Freizeit, Familie und Gesundheit zu.
In den acht Jahren meiner Zeit als Gemeinderat gab es natürlich viele Momente, die ich nicht missen möchte. Die Euphorie in der Wahl-Nacht nach Bekanntgabe des Wahlsieges. Die sichtbaren Veränderungen in den Bereichen Sportanlagen, Urbanistik, Straßenbeleuchtung in Solartechnik, Müllabfuhr oder nicht zu vergessen Fiestas sind nur einige der positiven örtlicher Verbesserungen. Dies alles erfüllt mich mit der Zufriedenheit, ein kleiner Teil des Erfolges zu sein.
Bei den Plenos wurde sachlich, zweckgebunden und höflich diskutiert. Es war für mich jedes Mal ein Treffen der angenehmen Art. Aber noch wichtiger war das Kennenlernen meiner Parteigenossen und der Mitbürger im Ort. Was mich am meisten beeindruckt hat, war die Empathie, oft auch Courage und die Lebensfreude in der Gemeinde. Dies bestätigte die richtige Wahl meiner neuen Heimat immer wieder aufs Neue.
Fazit: Politiker war ich und werde ich nicht. Auch die politische Deklamatorik liegt mir nicht. Es war eine interessante Episode in der Politik. Versuche es jetzt altersbedingt mit Slow Living. So gesehen bleibe ich bei der Erkenntnis: Mein Kopf denkt deutsch, mein Herz ist spanisch und damit lebe ich zufrieden.
Friedhelm Schmidt lebt in Orxeta, war langjähriges Mitglied des Gemeinderats für die PSOE und hat als Autor, Fotograf und Bauträger gearbeitet. Er hat zahlreiche Bücher und Kurzgeschichten veröffentlicht.