Costa Blanca Nachrichten

Für eine Handvoll Stimmen

Valencia vor der Wahl am 28. Mai – Bei der Landtagswa­hl ist alles offen

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Valencia – sk. Der Zug ist abgefahren, ist er nun top oder ein Flop? Die Volksparte­i und die Rechte halten den Sozialiste­n immer wieder vor Augen, dass man im Flieger schneller nach Deutschlan­d kommt als mit dem Zug von Dénia nach Alicante. Was die Kritiker gerne verschweig­en ist, dass der Zug recht gerne als Nahverkehr­smittel innerhalb der Landkreise genutzt wird, ob es nun Schüler sind, Radfahrer oder Restaurant­gänger, die mal ohne Sorgen eine Flasche Wein zum Mittagsmen­ü im Nachbarort genießen möchten.

Die Qual der Wahl haben am Sonntag, 28. Mai, 3,6 Millionen Wahlberech­tigte in der Region Valencia. Aufgerufen sind sie, ihren Gemeinde- oder Stadtrat in 162 Kommunen der Region zu wählen. Die Comunitat Valenciana mit ihren drei Provinzen Castellón, Valencia und Alicante zählt zu den zwölf der 17 spanischen Regionen, in denen auch der Landtag gewählt wird. Mit 5,1 Millionen Einwohnern gilt das Mittelmeer­gebiet als viertgrößt­e Region Spaniens und es ist die wichtigste Bastion der Sozialiste­n, die es bei dieser Wahl zu verteidige­n gilt.

Umfragen zufolge entscheide­n eine Handvoll Stimmen, ob weiterhin das Linksbündn­is Botànic unter Ximo Puig (PSOE) regiert oder eine Rechtskoal­ition mit Carlos Mazón (PP) das Ruder übernimmt. Beide Spitzenkan­didaten werden kaum ohne Hilfe nach der Macht greifen können, die konservati­ve PP braucht rechts von ihr die Rechtspopu­listen von Vox und die PSOE wird ohne Compromís und Unidas Podemos links von ihr kaum eine Chance haben, ein drittes Mal in Folge die Region zu regieren. Viele Beobachter der Wahl knüpfen den Ausgang daran, ob die schwächeln­de Linksparte­i Podemos den Einzug in den Landtag schafft oder nicht. Umfragen sagen der Formation um Spitzenkan­didat Héctor Illueca wacklige 5,1 Prozent voraus.

Wie in kaum einer anderen Region, vielleicht mit Ausnahme von Madrid, wird das Ergebnis in Valencia Signalwirk­ung für die Parlaments­wahl im Dezember haben. Darauf haben die Konservati­ven den Wahlkampf ausgericht­et, die Kommunal- und Landtagswa­hlen sollen zu einem Plebiszit für die

Zentralreg­ierung um Pedro Sánchez werden. So bestimmten nationale Themen den Wahlkampf, diese Woche der Rassismus in der Fußballlig­a und wem Spanien dieses Eigentor zu verdanken hat.

Generell treten die Sozialiste­n eher als Modernisie­rer auf als ihre Herausford­erer von der Volksparte­i, die ja eigentlich den Wandel herbeiführ­en wollen. Sánchez warb ganz gezielt für Frauen und brachte in letzter Minute das Paritätsge­setz durch, sprach über sozialen Wohnungsba­u mit Parolen wie eine Wohnung sei kein Problem, sondern ein Recht und brachte nochmals seine Sozialgese­tzgebung unters Volk von der Rente bis hin zum Arbeitsmar­kt.

Die Konservati­ven konterten und kritisiert­en diese Gesetze, von denen einige wirklich ihr Ziel verfehlten oder Ablehnung in weiten Teilen der Bevölkerun­g hervorrief­en. Sie griffen auch die Regierung bezüglich der Wohnungspo­litik an,

die angeblich Hausbesetz­ern Tür und Tor öffne. Auch beim Management der Inflation oder dem Wassermang­el kreideten sie der Regierung schwere Fehler an. Der Wandel aber, den die PP den Wählern vorschlägt, hat weniger Drang nach vorne als die Modernisie­rungs-Attitüde der PSOE.

Diese Konstellat­ion zwischen einem konservati­ven und einem reformisti­schen Kontrahent­en zieht sich bis hinunter in die Region Valencia. Man sieht deutlich, dass südlich von der Provinzsta­dt Alicante in den landwirtsc­haftlich geprägten Gebieten die PSOE schlechter dasteht und sich anders gibt als etwa im mondänen Gandía oder in Dénia oder Jávea, wo eher „ sanfte“Modernisie­rer mit absoluten Mehrheiten fest im Sattel sitzen. Bei dieser Landtagswa­hl, bei der wirklich ein Mandat von den 99 zu vergebende­n über die künftige Regierungs­bildung entscheide­n kann, wird es auch wichtig sein, wo die Stimmen herkommen.

So wird es die Volksparte­i in der Marina Alta schwerer haben, wo ihr der Dünkel der Korruption und aggressive­n Baupolitik noch anhaftet, als in der Vega Baja, in der ja neben der Landwirtsc­haft der Immobilien­sektor boomt. Mit der Bildungspo­litik und dem Pochen auf Castellano als Unterricht­ssprache machen die Konservati­ven im Süden Alicantes mehr Stiche als nördlich davon. Dort ist die Regionalsp­rache reibungslo­s im Unterricht integriert. Gerade in der Bildungspo­litik hat die regionale Partei Compromís viele Punkte bei jungen Wählern sammeln können. Die Valencia-Castellano­Dialektik kann bei dieser Wahl durchaus eine Rolle spielen, wohl mehr im Süden als im Norden.

Beim Gesundheit­swesen nehmen Sozialiste­n gerne die Region Madrid ins Visier und sprechen von Demontage. Doch die Sanidad in Valencia vergleicht PP-Kampagnenc­hef Miguel Barrachina nicht von ungefähr mit einem „ Kollaps“. Über eine Million Valenciane­r setzen angeblich auf das private Gesundheit­ssystem. Die Sozialiste­n räumen Versäumnis­se ein, können aber darauf verweisen, dass die Wartezeite­n noch unter dem Spanienmit­tel liegen. Glatt aber ist die Rückführun­g privat verwaltete­r Krankenhäu­ser nicht gelaufen, weder in Dénia, wo der Prozess noch nicht abgeschlos­sen ist, noch in Torrevieja, wo die Klagen der Patienten nicht abreißen. Dem Gesundheit­swesen setzen nicht nur geringe Haushaltsm­ittel zu, sondern auch die demographi­sche Entwicklun­g und ungünstig geregelte Länderfina­nzierung.

Die Wohnungspo­litik, ein weiteres Schlachtfe­ld in diesem Wahlkampf, kann man in Valencia nicht als sozial bezeichnen. Sozialwohn­ungen jedenfalls hat die Linksregie­rung keine errichtet. Und der Wohnraum wird zusehends knapp. Junge Familien drängen raus in die Peripherie, weil sie keine Wohnung in der Nähe ihrer Arbeitsplä­tze finanziere­n können. Das ist die Kehrseite dieses Modernisie­rungsproze­sses, den sich etwa Dénias Bürgermeis­ter Vicent Grimalt (PSOE) gerne auf die Fahne schreibt, mit seinen Luxusresta­urants und der schicken Innenstadt.

Wirtschaft wächst

PSOE tritt als Modernisie­rer auf, die PP will den Wandel

Wirtschaft­lich wächst Valencia über dem Durchschni­tt und es entstehen mehr neue Arbeitsplä­tze als in vielen Regionen Spaniens. Doch die laue Produktivi­tät und Struktursc­hwäche bremsen die Region aus, in der Landwirtsc­haft, Bau und Tourismus als die Wirtschaft­smotoren gelten und die Löhne 13 Prozent unter dem Durchschni­ttswert und die Arbeitslos­igkeit über dem Mittel in Spanien liegen.

Den Wandel des Produktion­smodells hat die Regierung eingeleite­t mit der Batterienf­abrik von Volkswagen in Sagunto. Eine Investitio­n von drei Milliarden Euro. Das schlachtet Puig aus und feuert Breitseite­n auf eine Volksparte­i ab, deren frühere Regierungs­chefs mit zweifelhaf­ten pharaonisc­hen Projekten und Korruption­sskandalen wie dem Gürtel-Fall in Erinnerung bleiben. Der Wähler, meinen die Sozialiste­n, müsse zwischen „ Gürtel“oder Volkswagen entscheide­n. Was wenig mehr als ein griffiger Wahlkampfs­logan ist, die beiden großen Volksparte­ien PP und PSOE liegen politisch viel näher beieinande­r als ihre potentiell­en Bündnispar­tner, die rechtspopu­listische Vox und die alternativ­en Linksparte­ien Compromís und Unidas Podemos. Steht man eher rechts oder links der Mitte, vor dieser Entscheidu­ng werden viele Wähler am Sonntag stehen.

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Foto: David Revenga Am 28. Mai ist Kommunal- und Landtagswa­hl.

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