Korkeichen in Gefahr
Raupe nimmersatt: Plage gefährdet Kork-Industrie und märchenhaften Naturpark Los Alcornocales
lAlgeciras – mar. Korkeichen, die das Rohmaterial unter anderem für die Korken für Wein- oder Champagnerflaschen liefern, assoziieren wir normalerweise mit Portugal, mit seinen berühmten Korkeichenwäldern, in denen die knorrig wachsenden Bäume mindestens 20 bis 30 Jahre alt werden müssen, bis ihre Rinde behutsam alle neun Jahre geschält werden kann. Doch auch Spanien ist ein großer Produzent von Kork, die Extremadura, die nahtlos in den portugiesischen Alentejo übergeht, einige Hügellandschaften in Katalonien sowie vor allem die Bergwelten der Provinzen von Cádiz und Huelva in Andalusien sind voller Korkeichen, mal als Wälder, mal als waldähnliche Plantagen.
Mit 574.000 Hektar behauptet Spanien rund 25 Prozent der weltweiten Anbaufläche und 30 Prozent des Kork-Marktes. Portugal beherrscht 60 Prozent. Der Markt boomt, Kork als Dämmstoff, für Kunsthandwerk und natürlich als Verschluss für Weinflaschen. Es gibt Korken, die sind teurer als mancher Wein im Supermarkt. Das Geschäft ist rentabel.
Die chronische Dürre macht auch die Korkeichen anfälliger für Plagen, ein Schmetterling sucht sie heim, dessen Raupen die Bäume zerfressen und absterben lassen. Der Übeltäter heißt lymantria dispar auf Latein, auf Spanisch lagarta peluda (behaarte Eidechse), auf Deutsch Schwammspinner. Er hat sich über Asien und Nordafrika schon vor Jahrzehnten auch in Südeuropa ausgebreitet. „ Im Moment zerstört der Schwammspinner die Baumbestände im Naturpark Los Alcornocales“, erklärt die Parkdirektion der Junta de Andalucía. Alcornocal, das ist das spanische Wort für die Korkeiche.
Kork-Jobs für 2.000 Menschen
Die Raupen des Schwammspinners stürzen sich auf jeden Trieb und jedes Blatt, dadurch stellen die Korkeichen aus Notwehr das Wachstum der Rinde ein, es gibt dann auch keine Eicheln mehr. „ Mittelfristig bedeutet das den Ruin des Sektors, der in Spanien 2.000 Menschen Arbeit gibt“. Im Schnitt erntet Spanien rund 62.000 Tonnen Kork im Jahr, 150 Unternehmen sind in der Branche tätig.
Nicht zuletzt sind Korkeichen
wälder auch Biotope und wunderschöne Naturgebiete, wie der Naturpark Los Alcornocales mit rund 170.000 Hektar in der Provinz Cádiz. Er ist ein tiefgrünes Geheimnis, das von vielen übersehen wird. Der Park, der drittgrößte Naturpark der Iberischen Halbinsel, liegt dabei nur rund 40 Kilometer westlich von Estepona und Marbella, grenzt an die Sierra de Grazalema im Norden und zieht sich bis hinunter nach Algeciras und Tarifa. Neben den Korkeichen findet sich hier auch die höhere Portugiesische Ei
che und die Steineichen in einer märchenhaften Landschaft mit vier Stauseen und etlichen Bächlein, die, beschützt vom dichten Laub, länger Wasser führen als anderswo im trockenen Spanien.
In den mal lichten, mal dschungelhaft dichten Eichenwäldern, die mit Eichenweiden genauer beschrieben sind, stromern auch die Ibérico-Schweine herum, fressen Eicheln und Kräuter. Diese „ dehesa“lebt von der Symbiose zwischen Schwein und Eiche. Und die Produzenten des
berühmten Ibérico-Schinken, die ihre Preise auch wegen der traditionellen Aufzucht und Fütterung der Schweine rechtfertigen können, stünden ohne die Eicheln der Eichenwälder ohne Betriebsgrundlage da.
Spaniens Eichenwälder sind auch Öko-Futterplatz für Ibérico-Schweine
Die Bekämpfung des Schädlings ist problematisch. Das in den USA häufig gegen den Schwammspinner eingesetzte Insektizid Mimic ist effektiv, aber giftig und schadet erwünschten Insekten, es ist in Europa verboten. Brackwespen und Raupenfliegen kommen als natürliche Feinde in Frage, deren Einsatz bringe aber nur langfristige Erfolge.
In Frage käme der Einsatz des Insektizids Diflubenzuron, ein Benzamid, das bis Ende 2018 in der EU erlaubt war. Dafür bräuchte es aber eine Sondergenehmigung aus Brüssel, die über das Landwirtschafts- und Umweltministerium in Madrid eingereicht werden müsste. Diese solle Madrid nun schnell einholen, die Landesregierung in Sevilla meint, „ es gab in 25
Jahren Einsatz mit dem Mittel keinerlei Probleme, weder für Mensch, noch Umwelt“.
Die Eigentümer des Naturparks Los Alcornocales, zu dem neben öffentlichen Flächen in der Mehrheit private Fincas gehören, haben mit natürlichen Bekämpfungsmethoden keine Erfolge gehabt, sagen sie. Ihr Sprecher, José Manuel Macías, erklärt, dass man „ den Bacillus Thuringiensis ohne Erfolg gesprüht habe, da hätte man gleich Wasser versprühen können“. Die Bakterien werden sonst gegen Stechmücken eingesetzt. Im Jahr 2000 gab es eine kleinere Plage, „ man spritzte Chemie und das Problem war erledigt“. Doch das sei verboten, weil „ die Stoffe andere Arten schädigen“.
Bis dato blieb die Plage auf den Süden Andalusiens beschränkt, doch die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass die Ausbreitung nach Norden in die Extremadura und damit fast zwangsläufig auch nach Portugal kaum zu verhindern ist, zumal Temperaturen und Dürre die Tiere geradezu einladen. Mit einer Kartierung der Fälle und Konzentrationen wollen die Spanier den portugiesischen Kollegen helfen, damit die zumindest gewarnt sind.