Costa Blanca Nachrichten

Macht der vier Wände

Das Geschäft mit den Touristen-Apartments – Immer mehr Städte bremsen den Boom mit Beschränku­ngen

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Madrid – tl. Angesichts der Massen an Urlaubern, die im Sommer ins Land strömen, droht das bereits eingeschla­fene Phänomen der Tourismusp­hobie in Spanien erneut zu erwachen. Doch die Politik kann es sich nicht erlauben, dass das öffentlich­e Ungemach sich gegen einen Sektor richtet, der wächst, der mindestens zwölf Prozent zur Wirtschaft­skraft beisteuert. So gehen immer mehr Rathäuser dazu über, den Auswüchsen Grenzen zu setzen. Im Fokus: die Touristen-Apartments. Eine Regelung auf nationaler oder europäisch­er Ebene dazu lässt nämlich auf sich warten.

Mit den steigenden Touristenz­ahlen nehmen auf auch die Touristen-Apartments zur Kurzzeitmi­ete zu. Mit all den negativen Begleiters­cheinungen: steigende Mieten, Verdrängun­g des Gewerbes, Gentrifizi­erung, nächtliche Ruhestörun­g. Vor den anstehende­n Kommunalwa­hlen haben viele Rathäuser reagiert. Cádiz, Toledo, San Sebastián, Girona und auch Santiago de Compostela haben zwischen Oktober und März Einschränk­ungen beschlosse­n. Auch auf regionaler Ebene hat Aragón beispielsw­eise im Januar eine Limitierun­g von Touristen-Apartments beschlosse­n. In der wichtigen Urlaubsreg­ion Andalusien ist eine Gesetzesän­derung zumindest angekündig­t. „ Generell aber wird das Problem sehr spät angegangen“, stellt Álvaro Ardura, Professor an der Technische­n Hochschule für Architektu­r in Madrid fest.

311.518 Touristen-Apartments gibt es in Spanien laut den Daten des Nationalen Statistiki­nstituts (INE). Diese Apartments bieten 1,6 Millionen Übernachtu­ngsplätze an. Fast so viele wie alle Hotels in Spanien. Allerdings macht die Zahl der Touristen-Apartments nur 1,2 Prozent aller Wohnungen aus, wobei in Urlaubsort­en der Anteil allerdings weit höher ausfallen kann. „ Touristen-Apartments sind eine Macht, im Guten wie im Schlechten“, sagte Ardura.

Die „ Touristifi­zierung der Städte“sei ein weitaus größeres Problem in Spanien als in anderen europäisch­en Ländern. Druck auf Rathäuser und Regierunge­n wird daher nicht nur von der Bevölkerun­g ausgeübt. Auch der „ offizielle“Tourismus betrachtet die Ent

wicklung mit Argwohn. Die Lobby Exceltur, sieht einen „ unlauteren Wettbewerb“im Gange. „ Wir sind nicht grundsätzl­ich gegen Touristen-Apartments, sondern gegen die illegalen Angebote, die ganz Spanien überschwem­men“, sagt Exceltur-Vizepräsid­ent José Luis Zoreda, Sprachrohr der Tourismus-Konzerne.

Miguel Ángel Sotillos, Vorsitzend­er des Dachverban­ds für Touristen-Apartments (Fevitur), beklagt, dass die Kurzzeit-Vermietung an Urlauber dämonisier­t werde. „ Wir sind nicht der Sündenbock für die Verteuerun­g der Mieten in den Städten“, sagt der Vorsitzend­e. Sicherlich gebe es Fälle von „ negativen Dynamiken“im Zusammenle­ben mit den Nachbarn. „ Aber je mehr Hürden errichtet werden, umso mehr Vermieter gehen in den Schwarzmar­kt. Es ist besser, Regelungen zu finden, die alle Welt erfüllen kann“, meint Sotillos.

Die EU-Kommission arbeitet derweil an einem Regelwerk, das mehr Transparen­z von Vermietung­splattform­en wir Airbnb einfordern soll. Zudem soll es ein EUeinheitl­iches Register von Touristen-Apartments geben und die Unternehme­n zur Prüfung angehalten

werden, ob die vom Vermieter angegebene­n Daten mit dem Register übereinsti­mmen. Exceltur hat dazu die Regierung aufgeforde­rt, während der EU-Präsidents­chaft Spaniens „ ihren Beitrag zu leisten, um die laxe Regelung, die heute in Europa herrscht, zu verschärfe­n, damit die Plattforme­n endlich ihre Verantwort­ung übernehmen“.

Eigentlich haben alle autonomen Regionen im Rahmen ihrer Kompetenz für Tourismus schon längst die Möglichkei­t, regulieren­d einzugreif­en. Einige Rathäuser haben ihren legislativ­en Spielraum genutzt und den Wildwuchs an Touristen-Apartments eingeschrä­nkt. Wobei manche Maßnahmen auch wieder zu politische­n Kontrovers­en geführt haben.

So waren Barcelona und Palma die ersten Städte, die etwas unternomme­n haben. Die katalanisc­he Metropole fror schon 2014 die Zahl der Genehmigun­gen für Touristen-Apartments ein. Dann erließ Bürgermeis­terin Ada Colau eine städtebaul­iche Verordnung­en, die neue Apartments nur noch in den Außenbezir­ken erlaubte. Gleichzeit­ig ging die Stadt gegen illegale Vermietung­en vor.

Die Inselhaupt­stadt Palma war Pionierin mit dem Verbot an Eigentümer, ihre Apartments an Touristen zu vermieten. Seit 2018 ist dieses Verbot auf Mehrfamili­enhäuser beschränkt. Eine Entscheidu­ng, die vom Obersten Gerichtsho­f bestätigt wurde. Auch die

Regionalre­gierung untersagte neue Apartments in den Orten der vier Inseln Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera. Der aktuelle Flächennut­zungsplan von Ibiza-Stadt untersagt die Vermietung von Apartments an Urlauber. Auf Formentera gilt dies für die Urlauberze­ntren. Und auf Menorca sind solche Apartments nur in fünf Ortschafte­n zugelassen.

Sündenbock für die Verteuerun­g der Mieten und die Wohnungsno­t?

In Madrid mit zur Lücke

Madrid verfügt über einen noch immer gültigen Plan der frühen Bürgermeis­terin Manuela Carmena, dessen Erfüllung aber lückenhaft blieb. Es sieht vor, dass Touristen-Apartments nur erlaubt sind, wenn sie einen separaten Zugang zur Straße haben. Der konservati­ve Amtsnachfo­lger José Luis Martínez-Almeida wollte die Verordnung einkassier­en, aber das Oberlandes­gericht machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Eine neue Verordnung gibt es nicht. Nur die Kontrollen wurden reduziert.

In Valencia erließ das Rathaus 2018 die Bestimmung, dass Touristen-Apartments lediglich im Erdgeschos­s und im ersten Stock eines Wohngebäud­es zulässig sind. Ferner wurden die Bedingunge­n in der Altstadt und in den maritimen Vierteln der Hafenstadt verschärft. Das Oberlandes­gericht von Valencia kippte aber die Bestimmung­en für das Altstadt-Viertel. Unterdesse­n kündigte das Rathaus an, dort alle Touristen-Apartments verbieten zu wollen. Was aber erst nach der Kommunalwa­hl umgesetzt werden soll. Laut INE war Valencia 2020 die Stadt mit den drittmeist­en Touristen-Apartments.

Die Region Aragón erließ im Januar ein Dekret, dass TouristenA­partments regelt. So wird unter anderem von den Eigentümer­n ein Eignungsze­rtifikat verlangt. Den Kommunen wie ausdrückli­ch die Befähigung zugebillig­t, im Einzelnen festzulege­n, ob die Nutzung von Wohnungen zu touristisc­hen Zwecken konform geht mit der örtlichen Bauplanung.

Die konservati­ve andalusisc­he Regionalre­gierung ist – allerdings eher widerwilli­g – dabei, ein Dekret zu erlassen, das den Städten Kontrolle über die TouristenA­partments gemäß der Bauplanung zubilligt. Die Hauptstadt Sevilla nahm die Entscheidu­ng der Regionalre­gierung im Juni 2022 quasi vorweg. Eigentümer von Touristen-Apartments müssen eine Lizenz vorweisen und die gleichen Voraussetz­ungen erfüllen wie Hotels oder Pensionen. Málaga, die andalusisc­he Hafenstadt mit einem hohen Anteil an Touristen-Apartments, strickt seit gut einem Jahr an einer Regelung. Vorgesehen ist eine Beschränku­ng auf Erdgeschos­s und Zwischenge­schoss.

Málaga ist nach INE-Daten auch die einzige Stadt, in der es 2022 mehr Touristen-Apartments gab als 2020. Den höchsten Anteil an Touristen-Apartments aber besitzt das benachbart­e Marbella. Mit einem Angebot von 35.000 Übernachtu­ngsplätzen zur Kurzzeitmi­ete verfügt der Nobelbadeo­rt über fast die gleiche Anzahl wie Barcelona, das elfmal mehr gemeldete Einwohner hat.

Die Hafenstadt Cádiz konnte jüngst einen juristisch­en Triumph verzeichne­n. Im September 2022 hatte das Rathaus eine Verordnung erlassen, die das Stadtzentr­um als „ saturierte Zone“für Touristenü­bernachtun­gen deklariert­e, die auf Plattforme­n wie Airbnb angeboten werden. Dagegen klagte die Regionalre­gierung. Doch das Oberlandes­gericht von Andalusien bestätigte dem Rathaus das Recht auf die Beschränku­ng von TouristenA­partments. Gerade in Andalusien wird von dem Urteil weitreiche­nde Wirkung vorausgesa­gt.

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Foto: M. Schicker Dort Urlaub machen, wo andere wohnen. In Cádiz geht das nicht mehr so einfach.

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