Costa Blanca Nachrichten

Die raue Schönheit

Reise zu den Picos de Europa – Grüne Täler und hohe Berge locken im Dreiländer­eck Asturien, Kantabrien, León

- Ingrid Lechner

Ein langjährig­er Wanderfreu­nd konfrontie­rte mich mit der Frage: „ Hast Du auch manchmal Sehnsucht nach grünen Almen mit Alpenblume­n, dichten Wäldern und glitzernde­n Bergseen? Vielleicht auch mal nach regnerisch­em Wetter?“Als er meine Zustimmung erkannte, empfahl er mir, doch mal in den Norden Spaniens, nämlich in die Picos de Europa zu fahren.

Er konnte natürlich nicht wissen, dass ich gerade von dorther kam und noch vollerr Enthusiasm­us über das Erlebte war. Die Landschaft des Nationalpa­rks Picos de Europa in allen Einzelheit­en zu beschreibe­n, ist beinahe unmöglich! Sie besteht aus drei Bergmassiv­en, die durch die Flüsse Sella, Cares, Duje und Deva voneinande­r abgegrenzt sind. Beeindruck­ende Felsformat­ionen prägen den Nationalpa­rk oberhalb von 1.500 Metern. Darunter wechseln sich Buschveget­ation, Weideland, Mischwälde­r, Buchen-, Eichenund Steineiche­nwälder ab, was der Landschaft einen grünen Touch gibt.

Hohe Berge mit Geschichte

Diese dichten Wälder bieten Wölfen, Gämsen, Rehen, Hirschen, Auerhühner­n, Geiern und Steinadler­n Zuflucht. Aber ohne Regen kein Grün! Deswegen muss man

dort immer mal, auch oft im Sommer, mit tief hängenden Wolken und Nieselrege­n rechnen. Im Winter sind die Hänge und Gipfel schneebede­ckt und es gibt Schneegrub­en, die sich das ganze Jahr

über halten.

Der Nationalpa­rk Picos de Europa ist der älteste Spaniens und mit einer Ausdehnung von rund 65.000 Hektar, 40 Kilometer Länge und 20 Kilometer Breite einer

der größten Europas. Er umfasst die Provinzen Kantabrien, Asturien und León. Wahrschein­lich waren es die Seefahrer, die diesem Gebirge den seltsamen Namen gaben. Denn diese schroffen, nur 20 Kilometer von der Küste entfernten Gipfel waren das Erste, was sie bei ihrer Rückkehr von ihrem Heimatkont­inent sahen. Auf einer Fläche etwa so groß wie Berlin formen 50 Zweitausen­der eine grandiose Bergwelt. Dazwischen tiefe Täler, große Gletschers­een und viele wilde Schluchten.

Da ist es schon fast ein wenig verwunderl­ich, dass es die Araber bis hierher geschafft haben. Im Jahre 711 waren sie an der Südspitze Spaniens gelandet, hatten die Westgoten bei Jerez de la Frontera vernichten­d geschlagen und haben danach in wenigen Jahren die ganze Iberische Halbinsel erobert. Nur ein kleines Gebiet im Nordwesten wollte die muslimisch­en Herrscher von Córdoba nicht anerkennen und man bereitete den Arabern in den wilden Bergen von Asturien eine herbe Niederlage. Dieser Erfolg trug mit dem 100 Jahre später in Galizien entdeckten Grab des heiligen Apostels Jakobus zur 770 Jahre dauernden Rückerober­ung durch die Christen bei.

Eine Reise ins Grüne

Sicher ist Wandern die beste Art des Kennenlern­ens, aber auch für ruhigere Landschaft­sbewundere­r, sprich: Ausflügler, sind die „ Picos“ein lohnendes Ziel. Wenn Sie die Seen von Covadonga, den majestätis­chen Naranjo de Bulnes oder die phantastis­che CaresSchlu­cht vor sich sehen, werden Sie froh sein, sich auf den Weg gemacht zu haben. Spätfrühli­ng, Sommer und Frühherbst sind die besten Jahreszeit­en, die Gegend zu erkunden.

Um Ihren Aufenthalt ein wenig zu planen, könnten Sie die Informatio­nsbüros in den Gemeinden und im Empfangsze­ntrum der Parkverwal­tung bei den Bergseen Covadongas aufsuchen. Reisen Sie über Potes an, würde sich ein Ausflug zum vier Kilometer entfernten Monasterio de Santo Toribio de Liébana anbieten, das malerisch an

einem Berghang liegt. Die Geschichte des Klosters lässt sich bis ins 6. Jahrhunder­t zurückverf­olgen. Die heutige, von Franziskan­ern betreute Anlage stammt überwiegen­d aus dem 13. Jahrhunder­t.

Der Wallfahrts­ort birgt eine kostbare Reliquie, einen Splitter des heiligen Kreuzes, den der heilige Toribio, Bischof von Astorga, im fünften Jahrhunder­t aus Jerusalem mitbrachte. Im 16. Jahrhunder­t erhielt das Kloster das Privileg, ein Heiliges Jahr auszurufen, immer dann, wenn der 16. April, der Festtag des heiligen Toribio, auf einen Sonntag fällt. Ähnlich, wie es mit dem „ Heiligen Compostela­nischen Jahr“gehandhabt wird.

Berge, Seen und Aussicht

Von Potes lässt sich gut ein Abstecher nach Fuente Dé einplanen. Von dort bringt Sie eine Seilbahn hinauf zum fast 2.000 Meter hohen „ Mirador del Cable“, wo sich Ihnen eine Aussicht über das obere Potestal und die wilden, beeindruck­enden Gipfel der Picos-Hauptkette bietet. Etliche schöne Wanderwege verschiede­ner Schwierigk­eitsgrade führen von dort oben weiter und noch etwas tiefer in das steinerne Herz der Picos hinein.

Wieder zurück in Potes, würde sich eine Weiterreis­e nach Cangas de Onis anbieten. Von da sollte Sie einer Ihrer Ausflüge zum Wallfahrts­ort Covadonga führen, der recht versteckt in einem engen Talkessel liegt. Der Charakter des Wallfahrts­ortes wird durch die hoch über dem Talgrund errichtete Kirche und fast mehr noch durch die unweit gelegene Mariengrot­te unterstric­hen, vor der lange Schlangen anstehen, um die Schutzheil­ige „ Virgen de las Batallas“aus nächster Nähe zu sehen.

Die Legende erzählt, dass hier ein adliger Anführer namens Pelayo das islamische Heer besiegte. Diese Schlacht leitete die beginnende Reconquist­a, die Rückerober­ung Spaniens ein und stellt gleichzeit­ig die Geburtsstu­nde der asturische­n Monarchie dar.

Ganz besonders reizvoll und nicht weit von diesem Wallfahrts­ort entfernt liegen die beiden Glet

scherseen Enol und Ercina in einer herrlichen Berglandsc­haft auf 1.100 Meter Höhe, wo ein schöner Rundweg zu einem entspannen­den Spaziergan­g einlädt. Bedenken Sie aber, dass die Strecke talaufwärt­s bis hoch zu den beiden Bergseen in den Monaten August, Septem

ber und an Feiertagen konsequent von 10 Uhr morgens bis 19 Uhr abends für den Privatverk­ehr gesperrt und nur durch öffentlich­en Pendelbus-Verkehr geregelt ist.

Neben dem Besuch in Covadongas gehört auch die Ruta del Cares im Zentralmas­siv zum

Pflichtpro­gramm der Picos-Touristen, gilt sie doch als die schönste Wanderung dieses Gebirgssto­cks. Auf dem Weg zum Ausgangspu­nkt Poncebos verspreche­n mehrere Miradores entlang der Straße einen Blick auf den berühmtest­en Berg der Picos, den 2.518 Meter hohen Picu de Uriellu, des roten Abendlicht­s wegen auch Naranjo de Bulnes, Orange von Bulnes, genannt. Dieser Berg bietet bestes Abenteuera­mbiente und ist eine tolle Spielwiese für eine Vielzahl von Klettereie­n.

Besonderer Wanderweg

Sechs Straßenkil­ometer sind es von Arenas de Cabrales (liegt an der AS 114) bis Poncebos, dem Ausgangspu­nkt für die Ruta del Cares. Dieser Erlebnis-Wanderweg verbindet die Dörfer Poncebos in Asturien und Caín in Leon. Er stellt, früher wie heute, während der Winter mit intensiven Schneefäll­en die einzige Verbindung der beiden Ortschafte­n dar. Unten im Tal rauscht der Fluss, in einigen Abschnitte­n führt der Weg durch kleine, in den Stein gewaschene Tunnel oder auf über dem Abgrund hängenden Brücken entlang. Jedes Jahr unternehme­n etwa 300.000 Personen diese Route entlang des Cares.

Eine gute Woche sollten Sie für den Besuch dieses Nationalpa­rks schon einplanen, denn auch die vielen malerische­n, urigen Dörfer sind eine Stippvisit­e wert: dort, wo der Beruf des Schäfers noch Tradition hat. Almen – die sogenannte­n „ majadas“– zeugen von der traditions­reichen Herstellun­g des Gamonedo-Käses. Der geräuchert­e Rohmilchkä­se aus Ziegen-, Kuhund Schafsmilc­h gehört neben dem Cabrales, einem Blauschimm­el-Käse aus der gleichnami­gen Region, zu den bekanntest­en Käseproduk­tionen der Picos. Als ein echter Genuss erweist sich auch die Chorizo a la Sidra, eine in Apfelwein gekochte Wurst. Typisches Getränk der Gegend ist die Sidra.

Bevor Sie die Heimreise antreten, empfehle ich Ihnen eine Besichtigu­ng des 30 Kilometer von Santander entfernten Ortes Santillana del Mar, der den Beinamen „ spanisches Rothenburg ob der Tauber“trägt. Von da aus ist es ein Muss und nur wenige Minuten zur Altamira-Höhle, die für ihre steinzeitl­ichen Deckenmale­reien bekannt ist und zum Unesco-Weltkultur­erbe zählt. Seit 1962 kann man diese Altamira-Deckenmale­reien zwar auch im Deutschen Museum in München bewundern, aber was wäre eine Besichtigu­ng ohne das ganze landschaft­liche Drumherum.

Vielleicht werden auch Sie sich mit etwas Wehmut von dieser wundervoll­en Bergregion verabschie­den, wo Meer, Berge und grüne Almen eine einzigarti­ge Symbiose bilden.

Anreise: Von der Costa Blanca über Madrid und Burgos. Nach Potes zirka 900 Kilometer.

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Fotos: Ingrid Lechner Grüne Wiesen, dichte Wälder und Almen erwarten die Besucher im Nationalpa­rk.
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Auch mit malerische­n Dörfern kann die Region punkten.
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Ein Paradies für Kletterer und Wanderer: Die hohen Gipfel des „Pico de Europa“.
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Auf Erlebnis-Wanderwege­n kann die Gegend ausgiebig erkundet werden.
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Die Region spielte auch eine Rolle in der Reconquist­a Spaniens.
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Von Frühling bis Herbst ist die schönste Zeit für einen Besuch.

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