Die raue Schönheit
Reise zu den Picos de Europa – Grüne Täler und hohe Berge locken im Dreiländereck Asturien, Kantabrien, León
Ein langjähriger Wanderfreund konfrontierte mich mit der Frage: „ Hast Du auch manchmal Sehnsucht nach grünen Almen mit Alpenblumen, dichten Wäldern und glitzernden Bergseen? Vielleicht auch mal nach regnerischem Wetter?“Als er meine Zustimmung erkannte, empfahl er mir, doch mal in den Norden Spaniens, nämlich in die Picos de Europa zu fahren.
Er konnte natürlich nicht wissen, dass ich gerade von dorther kam und noch vollerr Enthusiasmus über das Erlebte war. Die Landschaft des Nationalparks Picos de Europa in allen Einzelheiten zu beschreiben, ist beinahe unmöglich! Sie besteht aus drei Bergmassiven, die durch die Flüsse Sella, Cares, Duje und Deva voneinander abgegrenzt sind. Beeindruckende Felsformationen prägen den Nationalpark oberhalb von 1.500 Metern. Darunter wechseln sich Buschvegetation, Weideland, Mischwälder, Buchen-, Eichenund Steineichenwälder ab, was der Landschaft einen grünen Touch gibt.
Hohe Berge mit Geschichte
Diese dichten Wälder bieten Wölfen, Gämsen, Rehen, Hirschen, Auerhühnern, Geiern und Steinadlern Zuflucht. Aber ohne Regen kein Grün! Deswegen muss man
dort immer mal, auch oft im Sommer, mit tief hängenden Wolken und Nieselregen rechnen. Im Winter sind die Hänge und Gipfel schneebedeckt und es gibt Schneegruben, die sich das ganze Jahr
über halten.
Der Nationalpark Picos de Europa ist der älteste Spaniens und mit einer Ausdehnung von rund 65.000 Hektar, 40 Kilometer Länge und 20 Kilometer Breite einer
der größten Europas. Er umfasst die Provinzen Kantabrien, Asturien und León. Wahrscheinlich waren es die Seefahrer, die diesem Gebirge den seltsamen Namen gaben. Denn diese schroffen, nur 20 Kilometer von der Küste entfernten Gipfel waren das Erste, was sie bei ihrer Rückkehr von ihrem Heimatkontinent sahen. Auf einer Fläche etwa so groß wie Berlin formen 50 Zweitausender eine grandiose Bergwelt. Dazwischen tiefe Täler, große Gletscherseen und viele wilde Schluchten.
Da ist es schon fast ein wenig verwunderlich, dass es die Araber bis hierher geschafft haben. Im Jahre 711 waren sie an der Südspitze Spaniens gelandet, hatten die Westgoten bei Jerez de la Frontera vernichtend geschlagen und haben danach in wenigen Jahren die ganze Iberische Halbinsel erobert. Nur ein kleines Gebiet im Nordwesten wollte die muslimischen Herrscher von Córdoba nicht anerkennen und man bereitete den Arabern in den wilden Bergen von Asturien eine herbe Niederlage. Dieser Erfolg trug mit dem 100 Jahre später in Galizien entdeckten Grab des heiligen Apostels Jakobus zur 770 Jahre dauernden Rückeroberung durch die Christen bei.
Eine Reise ins Grüne
Sicher ist Wandern die beste Art des Kennenlernens, aber auch für ruhigere Landschaftsbewunderer, sprich: Ausflügler, sind die „ Picos“ein lohnendes Ziel. Wenn Sie die Seen von Covadonga, den majestätischen Naranjo de Bulnes oder die phantastische CaresSchlucht vor sich sehen, werden Sie froh sein, sich auf den Weg gemacht zu haben. Spätfrühling, Sommer und Frühherbst sind die besten Jahreszeiten, die Gegend zu erkunden.
Um Ihren Aufenthalt ein wenig zu planen, könnten Sie die Informationsbüros in den Gemeinden und im Empfangszentrum der Parkverwaltung bei den Bergseen Covadongas aufsuchen. Reisen Sie über Potes an, würde sich ein Ausflug zum vier Kilometer entfernten Monasterio de Santo Toribio de Liébana anbieten, das malerisch an
einem Berghang liegt. Die Geschichte des Klosters lässt sich bis ins 6. Jahrhundert zurückverfolgen. Die heutige, von Franziskanern betreute Anlage stammt überwiegend aus dem 13. Jahrhundert.
Der Wallfahrtsort birgt eine kostbare Reliquie, einen Splitter des heiligen Kreuzes, den der heilige Toribio, Bischof von Astorga, im fünften Jahrhundert aus Jerusalem mitbrachte. Im 16. Jahrhundert erhielt das Kloster das Privileg, ein Heiliges Jahr auszurufen, immer dann, wenn der 16. April, der Festtag des heiligen Toribio, auf einen Sonntag fällt. Ähnlich, wie es mit dem „ Heiligen Compostelanischen Jahr“gehandhabt wird.
Berge, Seen und Aussicht
Von Potes lässt sich gut ein Abstecher nach Fuente Dé einplanen. Von dort bringt Sie eine Seilbahn hinauf zum fast 2.000 Meter hohen „ Mirador del Cable“, wo sich Ihnen eine Aussicht über das obere Potestal und die wilden, beeindruckenden Gipfel der Picos-Hauptkette bietet. Etliche schöne Wanderwege verschiedener Schwierigkeitsgrade führen von dort oben weiter und noch etwas tiefer in das steinerne Herz der Picos hinein.
Wieder zurück in Potes, würde sich eine Weiterreise nach Cangas de Onis anbieten. Von da sollte Sie einer Ihrer Ausflüge zum Wallfahrtsort Covadonga führen, der recht versteckt in einem engen Talkessel liegt. Der Charakter des Wallfahrtsortes wird durch die hoch über dem Talgrund errichtete Kirche und fast mehr noch durch die unweit gelegene Mariengrotte unterstrichen, vor der lange Schlangen anstehen, um die Schutzheilige „ Virgen de las Batallas“aus nächster Nähe zu sehen.
Die Legende erzählt, dass hier ein adliger Anführer namens Pelayo das islamische Heer besiegte. Diese Schlacht leitete die beginnende Reconquista, die Rückeroberung Spaniens ein und stellt gleichzeitig die Geburtsstunde der asturischen Monarchie dar.
Ganz besonders reizvoll und nicht weit von diesem Wallfahrtsort entfernt liegen die beiden Glet
scherseen Enol und Ercina in einer herrlichen Berglandschaft auf 1.100 Meter Höhe, wo ein schöner Rundweg zu einem entspannenden Spaziergang einlädt. Bedenken Sie aber, dass die Strecke talaufwärts bis hoch zu den beiden Bergseen in den Monaten August, Septem
ber und an Feiertagen konsequent von 10 Uhr morgens bis 19 Uhr abends für den Privatverkehr gesperrt und nur durch öffentlichen Pendelbus-Verkehr geregelt ist.
Neben dem Besuch in Covadongas gehört auch die Ruta del Cares im Zentralmassiv zum
Pflichtprogramm der Picos-Touristen, gilt sie doch als die schönste Wanderung dieses Gebirgsstocks. Auf dem Weg zum Ausgangspunkt Poncebos versprechen mehrere Miradores entlang der Straße einen Blick auf den berühmtesten Berg der Picos, den 2.518 Meter hohen Picu de Uriellu, des roten Abendlichts wegen auch Naranjo de Bulnes, Orange von Bulnes, genannt. Dieser Berg bietet bestes Abenteuerambiente und ist eine tolle Spielwiese für eine Vielzahl von Klettereien.
Besonderer Wanderweg
Sechs Straßenkilometer sind es von Arenas de Cabrales (liegt an der AS 114) bis Poncebos, dem Ausgangspunkt für die Ruta del Cares. Dieser Erlebnis-Wanderweg verbindet die Dörfer Poncebos in Asturien und Caín in Leon. Er stellt, früher wie heute, während der Winter mit intensiven Schneefällen die einzige Verbindung der beiden Ortschaften dar. Unten im Tal rauscht der Fluss, in einigen Abschnitten führt der Weg durch kleine, in den Stein gewaschene Tunnel oder auf über dem Abgrund hängenden Brücken entlang. Jedes Jahr unternehmen etwa 300.000 Personen diese Route entlang des Cares.
Eine gute Woche sollten Sie für den Besuch dieses Nationalparks schon einplanen, denn auch die vielen malerischen, urigen Dörfer sind eine Stippvisite wert: dort, wo der Beruf des Schäfers noch Tradition hat. Almen – die sogenannten „ majadas“– zeugen von der traditionsreichen Herstellung des Gamonedo-Käses. Der geräucherte Rohmilchkäse aus Ziegen-, Kuhund Schafsmilch gehört neben dem Cabrales, einem Blauschimmel-Käse aus der gleichnamigen Region, zu den bekanntesten Käseproduktionen der Picos. Als ein echter Genuss erweist sich auch die Chorizo a la Sidra, eine in Apfelwein gekochte Wurst. Typisches Getränk der Gegend ist die Sidra.
Bevor Sie die Heimreise antreten, empfehle ich Ihnen eine Besichtigung des 30 Kilometer von Santander entfernten Ortes Santillana del Mar, der den Beinamen „ spanisches Rothenburg ob der Tauber“trägt. Von da aus ist es ein Muss und nur wenige Minuten zur Altamira-Höhle, die für ihre steinzeitlichen Deckenmalereien bekannt ist und zum Unesco-Weltkulturerbe zählt. Seit 1962 kann man diese Altamira-Deckenmalereien zwar auch im Deutschen Museum in München bewundern, aber was wäre eine Besichtigung ohne das ganze landschaftliche Drumherum.
Vielleicht werden auch Sie sich mit etwas Wehmut von dieser wundervollen Bergregion verabschieden, wo Meer, Berge und grüne Almen eine einzigartige Symbiose bilden.
Anreise: Von der Costa Blanca über Madrid und Burgos. Nach Potes zirka 900 Kilometer.