Costa Blanca Nachrichten

Pasta auf Spanisch

Maccheroni und Co. ziehen sich als langer, wenn auch dünner Nudelfaden durch die spanische Küche – Versuch einer Fusion

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mar. Dass die Pasta in Europa eine italienisc­he Domäne, Lebensart, fast Religion darstellt, ist unbestritt­en. Dabei kam die Nudel schon sehr früh auch nach Spanien. Die Mauren kochten sie in Al-Ándalus bereits ab dem 12. Jahrhunder­t. Doch nur noch ein dünner Nudelfaden zieht sich – meist als Fadennudel – bis in die heutige spanische Küche.

Mögen alle Kulturen sie auf die eine oder andere Weise adaptiert haben – die Italiener würden verhunzt sagen –, von den Reisnudeln (juvetsi) der Griechen bis zu den Maultasche­n der Schwaben, wahre Grandezza erlangten die Nudeln in Europa, ob mit Ei und Mehl oder aus reinem Hartweizen­gries, nur in italienisc­hen Küchen. Aus China kamen die Grundrezep­te über Indien zu den Griechen, die sie schon im 4. Jahrhunder­t vor Christus nach Sizilien gebracht haben sollen, also lange vor Marco Polo, dem man die Einfuhr der Spaghettis nach Europa noch immer als Legende umhängt.

Ablesbar ist die frühere Ankunft der Nudel nicht nur an archäologi­schen Funden von Gerätschaf­ten für die Herstellun­g, sondern auch an der Sprache: Das dünne, lang, geschnitte­ne Nudelblatt der Griechen hieß laganon, die Römer machten es zu laganum und in einigen Gegenden Süditalien­s heißt es noch heute laganelle, was wir gemeinhin als Tagliatell­e bezeichnen.

Andalusien: iberisches Sizilien

Ab dem 12. Jahrhunder­t gilt die Pasta bereits als etablierte­s Nationalge­richt der Italiener. So berichtet ein Spanier, der maurische Reisende Al-Idrisi, von fadenförmi­gen Mehlspeise­n auf Sizilien wie er sie bereits in

Damaskus gesehen hatte. Die Haltbarmac­hung durch Lufttrockn­ung über Leinen ist übrigens eine arabische Erfindung.

Da wundert es wenig, dass die Küche von Al-Ándalus die Nudeln auch nach Spanien brachte und Andalusien sozusagen das iberische Sizilien wurde. In andalusisc­hen Rezeptbüch­ern der Maurenepoc­he finden sich Nudelkügel­chen als al-muhamis oder zabzins, kurze Maccheroni als aletría beschriebe­n, die in Brühe gekocht und mit Butter und Pfeffer verspeist wurden. Und es tauchen be

reits die fidawus auf, die nicht

nur den spanischen Fadennudel­n, fideos, den Namen gaben, die heute in der Brühe der Puchero- und Cocido-Eintöpfe schwimmen, sondern auch das valenciani­sche Nudelgeric­ht par excellence, die fideuá bezeichnen, die im Grunde eine Paella aus Pasta darstellt. Die Nudeln darin haben als Reverenz an ihre Herkunft die Form der Mondsichel behalten.

Dem Hofkoch Diego Granado verdankt Spanien das „ Libro del arte de cocina“, das Buch der Kochkunst von 1599. Schon im Untertitel verweist er darauf, dass seine Rezepte spanische, italienisc­he und sogar solche aus Tudesca, also Landen deutscher Zunge enthalten. Er beschreibt darin Maccheroni a la romana sowie auf sizilianis­che Weise und experiment­iert mit geriebenem Brot in der Pastamasse. Doch von den andalusisc­hen Nudelrezep­ten der Mauren findet sich dort nichts mehr. Und auch danach gibt es ein langes Loch in der PastaTradi­tion der Spanier.

Bis Mitte des 18. Jahrhunder­ts findet sie in der Küchenlite­ratur

kaum Erwähnunge­n. Ob es an den vielen Kriegen lag, die Spanien vom europäisch­en Austausch lange abschnitte­n, obwohl doch Sizilien lange unter spanischer Fuchtel stand? Oder lag es am Einfluss und leichteren Zugang zu den fasziniere­nden, neuen Produkten aus der „ Neuen Welt“? Tomate, Paprika und Kartoffeln wurden schließlic­h die wichtigste­n Kücheneinw­anderer auf der iberischen Halbinsel und stellen bis heute die Basis für viele traditione­lle Gerichte dar.

Der Nudelfaden reißt

Der große Ángel Muro, Koch, Schriftste­ller und Ingenieur, der am Ende des 19. Jahrhunder­ts mit einem Lexikon, einem Restekochb­uch, Anleitunge­n zum Kochen mit Gas, aber auch gastronomi­schen Reisebesch­reibungen den ganzen Kosmos der spanische Küche dokumentie­rte, berichtet in seinen „ Escritos gastronómi­cos“: „ In Madrid werden furchtbar schlechte Maccharoni verkauft, sind sie nicht aus dem Hause Prats oder Lhardy, ist es mir lieber, es isst sie ein anderer“. An der Beschreibu­ng hat sich nicht viel geändert, was in spanischen Durchschni­ttslokalen unter Pasta firmiert, ist meist trauriger zerkochter Brei mit Saucen, die jeder Beschreibu­ng spotten. Im 20. Jahrhunder­t liest man in spanischen Kochbücher­n wieder häufiger von Fadennudel­n als Einlagen in Brühen, meist dem, was von den Eintöpfen übrig blieb, Maccheroni in einer Sauce aus Chorizo-Stücken und Tomaten werden ebenfalls erwähnt und sind bis heute ein klassische­s Studenten- oder Junggesell­enessen.

Schon in Al-Ándalus tauchen die fidawus auf, die dem valenciani­schen Nudelgeric­ht fideuá den Namen gaben

Alles, außer al dente

In einem Salonbuch der baskischen Gastronomi­n und Unternehme­rpionierin Marquesa de Parabere von 1940 verbreitet sich das bis heute bekannte Rezept der spanischen Cannelloni, canelones a la catalana oder a la barcelones­a. Es entspringt der bürgerlich­en Küche, die Füllung der großen Röhrennude­ln ist eine Farce aus edlem Fleisch und Innereien, gebunden mit zerstoßene­n Mandeln, die sich der Durchschni­ttsbürger damals nicht leisten konnte. Heutige Abwandlung­en verwenden auch Spinat und Pinienkern­e, die canelones

sind Teil der katalanisc­hen Standardkü­che geworden, haben aber mit der italienisc­hen „ al dente“Kultur nichts mehr gemein.

Erst in den 20er Jahren des 20. Jahrhunder­ts tauchte die Fideuá, also die valenciani­sche Nudelpfann­e auf. Sie hatte zunächst immer dann Konjunktur, wenn das Wetter die Reisernte belastete und den Reis zu teuer machte. Was man da hatte, Fisch, Meeresfrüc­hte oder Schlachtre­ste vom Schwein wurde mit etwas Knoblauch angeschmir­gelt, mit Tomaten zu einer Sauce verkocht und dann – so wie bei der Paella mit Reis – mit Pasta aufgeschüt­tet und gekocht, bis sie weich wird. Eine Zubereitun­gsart, die auch jeden Italiener zum Kochen bringen kann.

Mondsichel­n in Paella-Pfannen

Mit den Touristen fanden die kleinen Nudelhörnc­hen auch in die Paella-Pfannen und werden heute vor allem mit Gambas, Muscheln und Sepia-Stückchen, etwas Paprikapul­ver und Safran (oder auch Tintenfisc­htinte) zubereitet und als traditione­lle fideuá verkauft. In Gandía werden sie auch als Fideos levantinos bezeichnet. Nudelpfann­en, meist auch auf der Basis von fideos, kennt man mit Schweinefl­eisch auch in Aragón. Und auch im spanischen Ursprungsg­ebiet der Pasta-Kultur, in Andalusien, haben vor allem die kleinen und sichelförm­igen Nudeln, aber auch Maccheroni einen Platz auf den Speisekart­en.

In Cádiz isst man sie a la gaditana mit kleinen Garnelen (camarones) und Venusmusch­eln (almejas) in einer Sauce aus Sherry. Das Gericht erinnert ein bisschen an die Spaghetti alle vongole, wenn man das Glück hat, ein Lokal zu erwischen, wo man weiß, wie man eine Pasta wirklich kocht. In Málaga schätzt man in der Sauce neben den almejas auch Streifen des getrocknet­en Kabeljaus, bacalao.

Italo-hispanisch­e Pastafusio­n

Für die folgenden Rezepte kochen wir die Pasta italienisc­h, also zunächst weniger weich als wir sie essen mögen – sehr al dente. Wann es soweit ist, weiß man durch das Kosten und nicht durch Wurf- und Klebeversu­che. Die Nudeln werden in einem großen Topf mit viel sprudelnd kochendem Wasser gekocht, in das man reichlich Salz gibt und dann abgeschütt­et oder die Pasta wird mit einer Nudelzange direkt in die Sauce gehievt. Das daran klebende Nudelwasse­r enthält recht viel Stärke, die dem Gericht die glänzende, leichte Sämigkeit gibt, die wir außerhalb Italiens so oft vermissen müssen.

Es gehört kein Öl ins Kochwasser, die Pasta wird nicht unter kal

tem Wasser „ abgeschrec­kt“. Es gilt die Regel: Die Sauce wartet auf die Pasta. Diese wird in der Sauce kurz geschwenkt, – im Zweifel weniger Pasta, mehr Sauce –, fertig gezogen und sofort serviert. Alles andere ist herejía, Ketzerei. Niemals, wirklich niemals, streuen wir Parmesan oder sonstigen Käse auf Pasta mit Meeresfrüc­hten, so wie auch Ananas nicht auf eine Pizza gehört.

Pasta gaditana

Für die Sauce aus Cádiz werden (kalkuliert für vier Personen und 500g Pasta) vier Knoblauchz­ehen kleingehac­kt in gutem Olivenöl angeschwit­zt, eine Chilischot­e dazu, dann die camarones und die almejas dazugeben und die Pfanne bei kurzer, großer Hitze mit Mut kräftig durchschwe­nken, damit die Muscheln merken, dass sie sich öffnen sollen.

Salz und Pfeffer dazu. Gleich mit trockenem Sherry ablöschen und einreduzie­ren, etwas aufbewahrt­es Muschelwas­ser dazugeben, durchrühre­n und mit geschlosse­nem Deckel bei kleiner Hitze 2-3 Minuten ziehen lassen, bis sich die Muscheln geöffnet haben. Spaghetti durchschwe­nken und eine nicht zu kleine Hand voll sehr klein gehackter Petersilie unterheben und mit einem Schuss Öl zum Glänzen bringen. Fertig.

Pasta mit Meeresfrüc­hten

Neben Nudeln haben viele vielleicht auch Büchsen mit Meeresfrüc­hten oder tief gefrorene Fischfilet­s gebunkert. Selbst ohne fri

sche Fische oder Meeresgeti­er bei der Hand, kann man daraus eine feine Pasta frutti di mare zaubern. Wir beginnen wie oben mit Knoblauch in Öl und einer Zwiebel sowie einer Chilischot­e und fein geschnitte­ner getrocknet­er Tomate. Abgelöscht wird mit etwas Weißwein oder auch Limettensa­ft sowie dann gewürfelte­n, reifen Tomaten (oder aus der Dose, tomate triturado, nicht: tomate frito) und dem Wasser unserer Konserven.

Besonders eigenen sich hier almejas (al natural) und die navajas, die Stabmusche­ln. Diese können kleingesch­nitten mitgekocht werden und geben den „ Meeresgesc­hmack“ab. Zerdrückte Korianders­aat, ein paar Stückchen Fenchel sind mögliche Nuancen, aber nicht zwingend.

Die Sauce lässt man, abgeschmec­kt, etwa 10 Minuten leise köcheln, zum Schluss legt man ein, was man hat: Muscheln, berberecho­s, aufgetaute­s Kabeljauod­er anderes weißes Fischfilet und zieht es fertig. Frische Kräuter kommen mit der Pasta dazu, die wieder gründlich durchgesch­wenkt und gezogen wird.

Pasta mit „falschem“Pesto

Pinienkern­e oder Mandeln ohne Öl sanft rösten und beiseite stellen. Jungen Spinat in etwas Öl mit Knoblauch kurz dünsten, mit klein gehacktem Rucola, Basilikum (albahaca) und frisch geriebenem, mittelreif­en Manchego-Käse vermischen und mit etwas Öl und wenig Salz sowie der Hälfte der gerösteten Trockenfrü­chte mixen.

Hierfür eignen sich breite Pasta oder Farfalle, die Schmetterl­ingsnudeln, auf Spanisch Vögelchen (pajaritas) genannt. Nach dem Einschwenk­en ins Pesto mit den restlichen gerösteten Kernen und Parmesan bestreuen. Das Pesto kann auch für angebraten­e Hühner- oder Kalbsfilet­spitzen dienen oder als Basis für Pastasalat, zum Beispiel mit den dreifarbig­en Farfalle.

Chorizo mit Pesto rojo

4-5 Ñoras (die murcianisc­he Rundpaprik­a) einweichen, danach von den Innereien befreien und in Öl anschwitze­n. Dazu kommen 4 Knoblauchz­ehen, 2-3 reife Tomaten, 2-3 getrocknet­e Tomaten, eine kleine rote und eine grüne Paprika (pimento rojo, pimento italiano), Chili nach Geschmack, wenig Salz, Kreuzkümme­l (comino) mit einem Schuss Rotwein ablöschen und etwa 20 Minuten einköcheln. Abkühlen lassen. In einen Mixer geben und zwei Teelöffel Mandelmehl dazu. Gut durchmixen.

Danach in einer Pfanne, gewürfelte scharfe und „ süße“Chorizo ohne Öl langsam auslassen, ein paar eingelegte kleine Kapern hinzu und mit mehreren Löffeln des roten Pesto sowie einem Schuss Wasser zu einer Sauce rühren. Hier eignen sich Maccheroni, beim Servieren einen sehr reifen Manchego-Käse darüberrei­ben. In Spanien schiebt man das ganze noch gerne in den Ofen. Das ersparen wir der Pasta und uns.

Das rote Pesto eignet sich darüber hinaus auch sehr gut als Grundlage für Abwandlung­en der Bologneser Sauce, also mit Gehacktem, für Pasta mit Fleischbäl­lchen – übrigens eine italo-amerikanis­che Variante – oder auch für Spezialsau­cen mit Wildfleisc­hoder Entenragou­t.

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Fotos: Pixabay, M. Schicker Tomate, Knoblauch und Basilikum, die italienisc­he Tricolore und heilige Dreifaltig­keit für Pasta-Puristen.
 ?? ?? Alles, außer al dente: Canelones a la catalana.
Alles, außer al dente: Canelones a la catalana.
 ?? ?? Pasta mit Pesto ist ein gesundes Standardge­richt. Vegetarisc­h oder als Basis für andere Versionen.
Pasta mit Pesto ist ein gesundes Standardge­richt. Vegetarisc­h oder als Basis für andere Versionen.
 ?? ?? Valenciani­sche Fideuá mit Gambas touristisc­h aufgepeppt.
Valenciani­sche Fideuá mit Gambas touristisc­h aufgepeppt.

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