Elches gutes Gedächtnis
Der Lehrstuhl Pedro Ibarra der Universität Miguel Hernández hütet einen digitalen Schatz
Elche – ann. Im Vordergrund weht die Hakenkreuzflagge, daneben ein Matrose der deutschen Kriegsmarine. Auf der Kaimauer im Hintergrund eine Menschenmenge, die meisten von ihnen haben die Faust in die Höhe gereckt. Das Foto über den feindseligen Empfang 1936 eines Kriegsschiffes aus Nazi-Deutschland im Hafen von Alicante, seinerzeit eine der Bastionen der spanischen Republik, ist eines dieser faszinierenden Zeugnisse, die einen beim Durchstöbern des digitalen Archivs der Universität Elche baff machen. Die Matrosen des Schiffes, auch das wissen wir dank des Archivs, statteten später dem Palmenhain in Elche einen Besuch ab, kletterten wie Affen in die Palmen und posierten vor dem Fotografen.
Vor knapp 15 Jahren gründete die Universität Miguel Hernández 2009 den Lehrstuhl Pedro Ibarra mit dem Ziel, anhand eines digitalen Archivs die Geschichte der Stadt Elche und ihrer Umgebung besser erforschen und kennenlernen zu können. Entstanden ist seitdem eine Enzyklopädie aus über 50.000 Biografien, Texten, Dokumenten, Fotografien, Videos, Tonbandaufnahmen, Monografien und Büchern, die einen unermesslichen historischen Schatz darstellen, ein immenses digitales Gedächtnis.
Das außerdem weiter wächst. Immer neue Dokumente und Bilder erreichen den Lehrstuhl, die historische Momente der Stadt Elche festhalten, aber auch Alltagsszenen und Aufnahmen aus den Familienalben der Elcher Bevölkerung zeigen. Die Idee vom Leiter des Lehrstuhls, der Geschichtsdozent Miguel Ors, ist es, dass die Memoria Digital ein interaktives Portal ist, dessen Nutzer auch weitere Informationen zu einem Zeitzeugnis beisteuern können.
Die meisten Inhalte stammen natürlich aus dem 20. und 21. Jahrhundert, aber das Archiv enthält auch einige ältere Zeugnisse. Wie etwa die Gravur, die ein Künstler namens E. Meissner im 19. Jahrhundert vom Palmenhain in Elche anfertigte. Oder ein Dokument über eine „ Hexe“, die im 17. Jahrhundert von der Inquisition verurteilt wurde.
Die Memoria Digital dürfte nicht nur für Elches Bewohner, Historiker und Forschende von Interesse sein. In die Gesichter der Menschen zu blicken, die Elche in den vergangenen Jahrzehnten bewohnten, zu sehen, wie sich die Palmenstadt und das Leben in nur einem Jahrhundert verändert hat, ist ebenso faszinierend wie beängstigend.