Neuanfang mit Bauernopfer
Nationaltrainer Vilda gefeuert – Verbandschef Luis Rubiales lässt sich nach Kuss-Eklat nicht zur Aufgabe bewegen
Madrid – sk. Im Kuss-Eklat sieht Ministerpräsident Pedro Sánchez eine „ Lehrstunde für die Welt“. „ Unsere Spielerinnen haben zweimal gewonnen: Einmal auf dem Platz, und dann haben sie der Welt eine Lehrstunde bezüglich der Gleichheit zwischen Mann und Frau gegeben“, sagte Sánchez. Im Zentrum all der Kritik und Empörung steht der Fußballverbandschef Luis Rubiales und gegen den hat Spanien bisher nicht entschlossen vorgehen können. Lediglich der Weltverband FIFA sperrte ihn wegen des unerwünschten Kusses mit Spielerin Jenni Hermoso vorläufig für drei Monate. Sein Amt kann er also derzeit nicht ausüben, auch hat die Spielerin Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs erstattet.
In seinem Bemühen um Erneuerung hat der Fußballverband RFEF das schwächste Glied abgeknipst und den Nationaltrainer Jorge Vilda nach acht Jahren im Amt und dem Gewinn der Weltmeisterschaft entlassen. Jorge Vilda stand nach seinem Applaus bei der Wutrede von Rubiales ohne Stab und Mannschaft da. Mit ihm wollen die
Weltmeisterinnen nicht mehr spielen oder trainieren. Nachfolgerin wird seine Assistentin Montse Tomé. Die 41-jährige Ex-Nationalspielerin aus Asturien wird die erste Frau in Spanien, die eine Fußballnationalmannschaft trainiert. Ohne Zweifel ein Zugeständnis an die Fußballerinnen, denn zwischen ihnen und dem Verband unter Rubiales und seinem Zögling Vilda brodelte es schon lange. Bereits im September 2022 hatten 15 Spielerinnen wegen Vilda ihren Rücktritt aus der Nationalmannschaft erklärt. Sie klagten damals über den mangelnden Respekt der Funktionäre gegenüber den Spielerinnen – im Vergleich zu den Herren.
Derweil stimmte das nationale Sportverwaltungsgericht TAD einer Untersuchung gegen Rubiales zu. Allerdings ordnete das TAD den Fall nur als „ schweres Fehlverhalten“ein, nicht wie von der Regierung gewünscht als „ sehr schweres Fehlverhalten“. Dann hätte die Sportbehörde CSD den kaum mehr tragbaren Verbandschef für die Dauer des Verfahrens sperren und Spanien ein starkes Zeichen setzen können. So droht Rubiales bei einer Verurteilung eine Sperre von zwei Jahren, weil er die Weltmeisterin Jennifer Hermoso bei der Siegerehrung nach dem 1:0-Erfolg der Spanierinnen gegen Europameister England einfach auf den Mund geküsst hatte. Und genau wegen dieses „ einfachen und einvernehmlichen Kusses“will er nicht abdanken.
Die Solidaritätskundgebungen mit den um Glanz und Gloria gebrachten Titelträgerinnen reißen nicht ab. Auch die Nationalmannschaft der Herren stellte sich hinter die Damen, ohne allerdings explizit Rubiales‘ Rücktritt zu fordern. Fußball-Nationaltrainer Luis de la Fuente entschuldigte sich für den Applaus nach der bizarren Verteidigungsrede von Rubiales. „ Ich habe harte Kritik erhalten, die völlig verdient ist. Ich bedauere das, ich verstehe das und bitte um Verzeihung“, sagte der Coach des Männer-Nationalteams.