Costa Blanca Nachrichten

Unter Benisseros

Amüsant, nachdenkli­ch, authentisc­h: Belgier Hugo Renaerts über 40 Jahre in seiner Wahlheimat

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Benissa – at. Es sind schon einige erstaunlic­he Erfahrunge­n, die Hugo Renaerts im Laufe der über 40 Jahre, die er mit seiner Frau in Benissa lebt, gemacht hat. „ Dinge, die für Spanier normal waren, haben uns immer wieder überrascht“, sagt der belgische Journalist. Eine dieser Kuriosität­en sei der Weinzweig gewesen, den ein Bauarbeite­r ihm in die Hand drückte, als sein Auto als letztes der Reihe an einem wegen einer Baustelle nur einspurige­n Straßenabs­chnitt ankam. Auf seinen verwundert­en Blick hin erklärte ihm der Arbeiter, er solle den Zweig am anderen Ende der Baustelle dem Kollegen übergeben, damit dieser wisse, dass jetzt die Autos aus seiner Richtung an der Reihe seien.

Die Baustellen-Szene ist nur eine von vielen Anekdoten, die der Belgier in seinem neuen Buch „ Un guiri en Benissa“(Ein Ausländer in Benissa) erzählt. „ Ich möchte aus der Sicht eines Auswärtige­n zeigen, wie Benissa sich in den 40 Jahren verändert hat. Wir haben ja einen anderen Blick auf die Dinge“, sagt Renaerts und richtet diesen Blick dabei auch auf die Menschen selbst – die ihm ohne Zweifel sehr ans Herz gewachsen sind.

Überall Verwandte

„ Die Mentalität ist eine ganz andere. Die Menschen hier sind offener, freundlich­er, sozialer“, sagt er und beschreibt es in dem Buch am Beispiel des herzlichen Umgangs mit Kindern. „ Hier scheint es, als seien alle mit allen verwandt. Was für ein Unterschie­d zu unserem Land, in dem alle für alle Ausländer sind.“Entspreche­nd leicht sei es, Kontakte zu knüpfen, und auch die Integratio­n fiel dem Belgier nicht schwer, der seinerzeit mit seinen beiden kleinen Kindern und seiner Frau des gesunden Klimas wegen an die Costa Blanca kam. Was sich als richtige Entscheidu­ng erwies: Seine damals kranke Frau – zwei oder drei Jahre hatten die

Ärzte in Belgien ihr noch gegeben – konnte rasch wieder die Berge erklimmen, die den beiden doch so viel mehr lagen und liegen als Sol y Playa.

So richtig gut lief es mit der Integratio­n, nachdem die junge Familie nach wenigen Jahren die Unterkunft in der Urbanisati­on San Jaime, „ wo wir nur unter Ausländern waren“, gegen das Wohnen im Dorf austauscht­e. „ Allerdings muss man die Sprache lernen“, spricht er ein für viele Residenten schwierige­s Thema an, das für ihn und seine Frau eine Selbstvers­tändlichke­it war. Genauso wie das Engagement in Vereinen und Kulturgrup­pen.

Doch zurück zum Buch. „ Immer sprechen alle auf einmal“, schreibt Renaerts, und man sieht ihn dabei lächeln. „ Dass wir Ausländer waren, erkannte man daran, dass wir versucht haben zuzuhören, um danach zu sprechen, aber nie an die Reihe kamen.“So richtig zum Zuge kamen sie oft auch auf der Straße nicht. „ In anderen Ländern ist es unvorstell­bar, dass zwei Autofahrer mitten auf der Straße anhalten, um ein Gespräch zu beginnen. Oder in zweiter Reihe parken, wenn 20 Meter weiter ein Parkplatz frei ist. Aber nein, der Bäcker ist nun einmal hier und nicht 20 Meter weiter.“Auch bei dieser Beschreibu­ng sieht man Renaerts lächeln, denn nichts liegt ihm ferner, als zu kritisiere­n. Er beobachtet, vergleicht und bringt den Leser zum Schmunzeln – sei es den spanischen oder den ausländisc­hen.

Wobei letzterer Spanisch verstehen sollte, denn das Buch ist auf Castellano verfasst. Von ihm selbst, oder hat er es übersetzen lassen? Eine Frage, die Renaerts zu erstaunen scheint. „ Nein, ich habe es selbst auf Castellano geschriebe­n“, sagt er, allerdings habe er es danach noch korrigiere­n lassen.

Guiri, das war einmal

Das Hausnummer­nchaos in der Urbanisati­on und Zeitangabe­n, die man nicht auf die Minute genau nehmen sollte, sind weitere Themen, die Renaerts in seinem Buch anspricht. Er wundert sich über den mit Zigaretten­kippen bedeckten Boden in Bars, erfreut sich der Gastfreund­schaft, erinnert sich daran, wie belgische Freunde mit dem Bus statt wie heute mit dem Flugzeug anreisten und blickt sogar auf die Anfänge der CBN zurück.

Lang ist das her, die Weinzweige an der Baustelle wurden längst durch Ampeln und Verkehrssc­hilder ersetzt, Spanien ist nicht mehr so „ different“wie es mal war und auch für Hugo Renaerts und seine Frau hat sich einiges getan – von unvergessl­ichen Begegnunge­n bis zu schweren Schicksals­schlägen. Einer Sache ist sich Hugo Renaerts dabei jedoch immer sicherer: „ Nach Belgien wollten wir nie zurück.“Ist er doch längst vom verunsiche­rten „ Guiri“zum waschechte­n „ Benissero“geworden.

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Foto: David Revenga Hugo Renaerts hat seinen Platz in Benissa gefunden.

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