Costa Blanca Nachrichten

Ölspuren im Hinterland

Reichtum und Fülle im armen, leeren Andalusien: Unterwegs auf der Vía Verde de Aceite durch Jaén und Córdoba

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Jáen – mar. Geld spielt hier keine Rolle. Die meisten haben keins, die anderen verbergen es diskret. Wir sind in Jaén, der ärmsten Provinzhau­ptstadt Spaniens. Hier ist nicht nur die Land-, sondern auch die Stadtfluch­t ein Problem. Das Durchschni­ttseinkomm­en liegt monatlich 200 Euro unter dem gesetzlich­en Mindestloh­n. Touristen und ihre Euros sind so willkommen wie rar in Jaén. Dabei liegt die Stadt direkt am Meer. Am Meer der Oliven freilich. Irgendwer hat neulich mal nachgezähl­t, 90 Millionen Bäume sollen es allein in dieser abgelegene­n Provinz sein, wie Ebbe und Flut schwanken Klima und Preise.

Schicksal Olivenöl

Olivenöl ist das Schicksal dieser Region, optisch eine der schönsten Monokultur­en Europas, beherrscht von Konzernen und alten Familien mit Großgrundb­esitz, dazwischen behaupten sich ein paar tausend Kleinbauer­n, denen ihre Kinder weglaufen. Seit mindestens 2.500 Jahren werden hier Oliven gepflanzt und ausgepress­t. Einst führte eine Bahnlinie, der tren de aceite, die Ölbahn, nach Puente Genil, Córdoba, 128 Kilometer gen Westen, in die geographis­che Mitte Andalusien­s. Das Öl kam so nach Sevilla, vor allem aber zu den Schiffen nach Málaga und in die ganze Welt. Lkws erledigen das schon seit Jahrzehnte­n, 1985 stellte die Bahn die Linien ein.

Mit EU-Geldern wurden Gleise entfernt, Geländer aus Holz errichtet, Pausenplät­ze arrangiert, Schilder aufgestell­t, Brücken gerettet. So wurde eine Vía Verde, ein Wanderund Fahrradweg aus der Ferrocarri­lStrecke gemacht. Es gibt über ein Dutzend davon in Andalusien, weil auch sehr viele Bahnlinien stillgeleg­t wurden. Der Ausbau der Wanderwege gibt Gewissheit, dass die Bahn nicht wiederkomm­t, ein Trostpreis für die Regionen, der doch dafür sorgt, dass die eine oder andere Finca, Geschichte überlebt.

Nicht mit Öl allein, aber mit „ Glamping“, Glaskästen im Olivenhain für Touristen, die nachts den Sternenhim­mel anstarren, sich selbst finden wollen. Es gibt Ölverkostu­ngen, Führungen durch alte Mühlen, Klangschal­en und Massagen, mit Olivenöl natürlich. Manchmal wagt eine junge Familie ein Abenteuer, restaurier­t eine der alten Ventas am Wegesrand, jene Raststätte­n, wo früher Pferde gewechselt wurden und ein Topf mit Essen für alle über dem Feuer hing, wo romantisch­e Reisende, Steuereint­reiber und ehrliche Gauner einkehrten. Dazwischen das psychedeli­sche

Muster der Olivenbäum­e, mal streng gereiht, an den Ausläufern der Sierra Morena dann knorriger, wilder, sich den Hängen und Falten anpassend. Hacebuche heißen die verwildert­en Olivenbüsc­he, die die Wegränder säumen, fehlt nur ein Knusperhäu­schen. Auch zu Pferde kann man durch die Olivenmeer­e streifen, wohlorgani­siert heute und zu Tagestarif­en.

Die Vías Verdes in Andalusien­s Hinterland. Allein für die Spuren der Kalifen von Córdoba gibt es vier Wanderwege, einen für die Almoravide­n-Herrscher, einen für die Mozárabes, also die Christen, die unter den Mauren lebten. Der vereint sich irgendwann mit anderen Pfaden gen Camino Santiago. Es gibt Vía Verdes für Wassermühl­en und Berglandsc­haften, solche für Steinzeith­öhlen und Römerstätt­en. Man kann auf der Vía Augusta wandeln oder auf den Cañadas Reales, den königlich privilegie­rten Viehtriebw­egen oder auf Bandolero-Pfaden. Die beiden Letzteren kreuzen sich auffallend oft.

Radfahren möglich

Der Ölweg von Jaén, die Vía Verde de Aceite, ist mit 122 Kilometern die längste Andalusien­s. 55 Kilometer Ölweg, danach ist die Vía nach dem Naturpark der Sierras Subbéticas benannt: Jenseits des Betis, der Fluss, der so hieß, bis die Mauren ihn zum Guadalquiv­ir umtauften. Den Anfang des Ölweges, da in der großen Stadt Jaén gelegen, kann man – das ist eine Ausnahme der „ grünen“Wende in Spanien – tatsächlic­h mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln oder eigener Muskelkraf­t erreichen. Naja, wenn man es irgendwie nach Jaén schafft.

Über Jaén thront die für eine andalusisc­he Ortschaft unvermeidl­iche Burg aus der Maurenzeit. Jeder Ort in Andalusien hat so eine oder zumindest einen Steinhaufe­n, von dem er das glaubhaft behaupten kann. Die Mauern des beeindruck­enden Castillo Santa Catalina in Jaén verfallen umso mehr, je näher wir der Stadt kommen, bis sie unten nur noch ein paar Brösel sind. Eine Einkommens­statistik der Gegend in 3D. Im Zentrum angekommen, fängt uns die wuchtige Kathedrale auf, so wie Glauben die Armen auffangen soll, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Der Kardinal von Jáen tanzte hier ein Te Deum als sie 1823 die Freiheitsk­ämpfer von Cádiz hinrichtet­en. Jaén bietet wenig, was nicht andere spanische Städte stilechter zu bieten hätten. Raus aus der Stadt.

Wir wandern oder fahren noch besser mit dem Rad – das geht hier gefahrlos – nun ins leere und arme

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Foto: Junta de Andalucía Deswegen sind wir hier: Die Ruhe als Spektakel in den Olivenmeer­en Córdobas und Jaéns.
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Foto: Turismo Jaén/Diputación Andalusien­s Essenz: Olivenöl.

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