Wachstum nicht um jeden Preis
Nationaler Kongress der Familienbetriebe: Unternehmer geben sich selbstkritisch
Valencia – sk. Um den Ruf der Unternehmerschaft steht es in Spanien nicht zum Besten. 49 Prozent aller Befragten der jährlichen Erhebung im Vorfeld des nationalen Kongresses der Familienbetriebe in Valencia verbanden mit der Figur des Unternehmers ein negatives Image. „Wir müssen das Ansehen der Betriebe verbessern, vor allem der mittelständischen oder großen Familienbetriebe“, so der Vorsitzende des Instituts der Familienbetriebe (IEF), Francisco Riberas.
König Felipe VI musste die Einschätzung verwundert haben, denn er bezeichnete Familienbetriebe als „ökonomische Akteure von großer Relevanz“. In Spanien steuern sie 58 Prozent des Bruttosozialprodukts bei. Dass der positive Schwung des Vorjahrs aber einer gewissen Ernüchterung gewichen ist, spiegelt auch die Studie wider. IEF-Mitglieder bewerteten die aktuelle Wirtschaftslage mit 5,48 Punkten von zehn und damit schlechter als die 6,22 im Vorjahr. 42 Prozent schätzten das Wachstum als schwach und ohne Impulse für den Arbeitsmarkt ein, im Jahr zuvor hatten nur elf Prozent ein so düsteres Zukunftsbild vor Augen.
Nichtsdestotrotz rechneten 64 Prozent mit einer Steigerung des Umsatzes und 46 Prozent mit einer Erhöhung der Belegschaft. 80 Prozent gaben an, mehr zu investieren. Die Herausforderung sei nun, so Riberas, dass die Gesellschaft das Wachstum der Familienbetriebe als etwas Positives einschätze und nicht glaube, es geschehe auf Kosten der Arbeiterschaft.
Wie aber in Spanien die Schere zwischen Produktivität und Gehälter in den letzten zehn Jahren immer weiter auseinanderging, stellte Arturo Bris, Direktor des World Competitiveness Center der IMD Business School aus Lausanne, ziemlich klar dar. „Arbeitsplätze entstanden in Sektoren, die nicht sehr produktiv sind. Man muss das mit Blick auf Produktivität umstrukturieren, mehr Olivenöl anstatt Oliven verkaufen“, sagte Bris.
Ungewöhnliche Offenheit
Mit seinen Sympathien für konservative Parteien und neoliberale Politik hielt der Mittelstand trotzdem nicht hinterm Berg. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez bekam kaum Applaus und musste sich anhören, kurzsichtig Politik zur Machterhaltung zu betreiben. Das Linksbündnis um Ximo Puig in Valencia kam auch nicht besser weg. Auf die Frage, ob Puig & Co. den hiesigen Unternehmern zur Seite stehen, antwortete der Unternehmensvertreter Vicente Boluda nur: „Nächste Frage.“Mehr Gefallen fand PP-Chef Pablo Casado mit der Forderung, bei der Arbeitsmarktreform noch weiterzugehen.
Statt auf schnelle Gewinne setzte die Unternehmerschaft bei diesem Kongress eher auf Werte wie Ausdauer, Selbstkritik, Vorbildfunktion, Überzeugung und Vision. Den schlechten Ruf verbessere man, indem Unternehmer sich „outen“und Arbeit und Werk transparent darstellen, meinte Mercadona-Chef Juan Roig.
Mit ungewöhnlicher Offenheit gewährte der drittreichste Unternehmer Spaniens den rund 700 Anwesenden Einblick ins MercadonaUniversum, sprach von der „Kultur der Anstrengung“und dem Leitspruch seiner Mutter: „Man muss im Leben erst mal etwas geben, bevor man etwas nehmen kann“.
Roig zweifelte die Maxime an, wonach Unternehmen vor allem nach Gewinn streben müssten. „Der Zweck eines jeden Betriebs muss es sein, den Kunden zufriedenzustellen, und zwar, indem die Bedürfnisse aller übrigen Komponenten befriedigt werden – die der Zulieferer, Angestellten, der Gesellschaft und des Kapitals.