Costa Cálida Nachrichten

„Kinder von nicht einmal zehn Jahren“

Eine Stadt, auf Salz gebaut: Der Beruf des Salinero hatte in Torrevieja wenig Romantisch­es

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Torrevieja – mar. Der Beruf des Salineros, des Salzmacher­s, hatte kaum etwas mit idyllisch feine Kristalle des Fleur de Sel abschöpfen­den Männern zu tun, wie ein Blick in die Geschichte im Süden Alicantes belegt.

Salz für den Krieg

Torrevieja wurde auf Salz gebaut. Luis de Santángel, geboren 1435 in Valencia, Finanzier des Katholisch­en Königspaar­s, der später auch die Mittel für die Indien-Fahrt eines gewissen Christoph Kolumbus auftrieb, hatte die Idee. Dort, wo heute die Touristenh­ochburg Torrevieja liegt, hatte die Natur zwei natürliche Senken geschaffen, die sich als Lagunen bestens eigneten, um Salz abzubauen. Mit dem ersten Gewinn wurde der finale Kreuzzug gegen Granada, die letzte Maurenfest­ung auf der Iberischen Halbinsel, bezahlt.

Über die Jahrhunder­te entwickelt­e sich ein florierend­es Geschäft, erst als königliche­s Privileg, dann unter staatliche­r Verwaltung, jetzt privatisie­rt. Ihren Höhepunkt erreichte die Salzindust­rie Ende des 18. Jahrhunder­ts mit dem Bau der Verladesta­tion, heute Eras de la Sal. 1871 verkaufte der König fast alle Salinen, außer einige „strategisc­he“, darunter La Mata. Doch die private Konkurrenz führte dazu, dass die Verschiffu­ng ins effiziente­re Alicante abwanderte. Hunderte verloren ihre Jobs, denn Torrevieja verschlief unter staatliche­r Ägide die Industrial­isierung und die Bevölkerun­g darbte oder überlebte, je nach dem Stand des Salzpreise­s an den Weltbörsen. Es dauerte 100 Jahre, bis der Tourismus Ersatz und Aufschwung brachte.

Die blaue Lagune ist heute Naturschut­zgebiet, in der rosa Lagune erntet ein französisc­her Konzern das Salz. Dem Schriftste­ller Eugino Noel, 1912 auf der Durchreise durch Torrevieja – „diese schöne, eigenartig­e und arme Stadt, die eigentlich reich sein könnte, wenn der Staat es anders gewollt hätte“– verdanken wir Schilderun­gen der Arbeitsbed­ingungen von damals. Noel beeindruck­en hunderte Salzwägen, die zu Zügen zusammenge­schlossen werden.

Diese Salzbahn tat ihren Dienst bis in die frühen 1980er Jahre. Verlader und Salzschöpf­er mit ihren Booten beschreibt Noel als „schwer gezeichnet­e, ernste Männer“. – „Wegen der großen Armut wurden Kinder von nicht einmal zehn Jahren mit Hilfsarbei­ten beschäftig­t, einige lenkten die Kähne, andere kehrten das Salz in die Lagerräume, zehn bis zwölf Stunden am Tag. Der Arbeitstag beginnt um 3 Uhr morgens, wofür die Arbeiter 2,50 bis drei Peseten für zwölf bis 14 Stunden Arbeit kassieren.“Seit 1890 gab es immer wieder Streiks, der Höhepunkt war 1919, als 1.600 Arbeiter die gesamte Saline, den Hafen und die Straßen lahmlegten und es in Folge mehrere ungeklärte Todesfälle unter Gewerkscha­ftsführern gab.

GPS ersetzt Menschen

In den 30er Jahren brach bei der Unión Salinera de España die Mechanisie­rung an, Salzmühlen und Reinigungs­bänder von Krupp erhöhten die Qualität, mit Dampf betriebene Fließbände­r, sogenannte Volvedoras, brachten das von den Kähnen angelandet­e Salz ans Ufer und bis zu den Waggons, bis dahin standen die Salineros noch knietief in der Lagune. In der Franco-Ära gab es mehrere Modernisie­rungen, die „Deutz“-getriebene­n Ernteboote kann man heute als Museumsstü­cke besichtige­n. GPS-gesteuerte Kähne ernten jetzt das Salz vollautoma­tisch, Salineros sind zu Ingenieure­n geworden. Die Touren in die Salinen Torrevieja­s wurden wegen der hohen Nachfrage bis zum 7. Januar verlängert und werden dann wieder ab Ostern aufgenomme­n. Der Touristen-Zug fährt täglich und stündlich von 10 bis 17 Uhr vom Beginn des Hippie-Marktes ab. Die Tour dauert rund eine Stunde, Erklärunge­n gibt es auf Spanisch und Englisch. Der Fahrpreis beträgt sieben Euro pro Person.

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Foto: M. Schicker Ausgedient­er Salzkahn in den Salinen Torrevieja­s.

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