Gutes aus Schlechtem
Bildhauer Viktor Ferrando aus Benissa schweißt seine Werke aus alten Kriegsflugzeugteilen oder Autowracks zusammen
Wenn Bildhauer Viktor Ferrando aus Benissa ein Stück Metall in die Hand nimmt, fühlt es sich für ihn nicht einfach nur kalt an. „Es strahlt eine ganz eigene Energie aus“, sagt der 50-Jährige. Entsprechend großen Wert legt er auf die Auswahl des Materials für seine Skulpturen. Er sucht und findet es auf Schrottplätzen, Flohmärkten und im Repertoire von Sammlern. Das Material, sagt er, muss eine Geschichte erzählen – häufig ist es eine düstere.
Wrackteile eines Autos, das an einem tödlichen Verkehrsunfall beteiligt war, hat er schon verbaut, besonders faszinieren ihn Stücke aus dem Zweiten Weltkrieg. Kistenweise stapeln sich in seinem Atelier etwas außerhalb von Benissa die bislang nicht verarbeiteten Metallschätze: Ein Stück eines Junker-Bombers oder eines Messerschmitt-„Amerikabombers“, die die Nazis einsetzten, warten dort – fein säuberlich sortiert neben den entsprechenden Echtheitszertifikaten – auf ihre Weiterverarbeitung. Makaber findet Ferrando seinen Hang zum Material mit Geschichte nicht: „Ich will zeigen, dass man aus schlimmen Dingen noch etwas Gutes machen kann“, sagt er.
Material vom Schrottplatz
Diese Sicht der Dinge anderen zu vermitteln, sei auch kürzlich das Ziel eines Workshops in Kairo gewesen, bei dem er Studenten der Schönen Künste beibrachte, aus Schrott recycelte Kunst zu machen. „Das waren ganz bescheidene junge Menschen, die sich darüber beschwerten, kein Material zur Verfügung zu haben“, sagt Ferrando. Er ging mit den Studenten erst einmal zum Schrottplatz und auf einen Flohmarkt mitten in der Wüste.
Die Schätze, die er dort fand, waren genau das, was er suchte: Graue deutsche Schreibmaschinen aus den 50er Jahren etwa. „Wir zerlegten die Geräte, aus den Einzelteilen entstanden zum Beispiel Büsten, die an die ägyptischer Götter erinnerten“, erklärt der Künstler. Er erinnert sich an einen Studenten, der aus dem Innenleben der Schreibmaschine den Kopf des Osiris gestaltete, des ägyptischen Gotts des Jenseits, der Wiedergeburt und des Nils. „Ich wollte, dass die Kunststudenten konzeptuelles Denken erlernen“, erklärt er.
Zurück in Spanien stürzte er sich wieder in ein Projekt, an dem er insgesamt drei Jahre gearbeitet hat: eine an Science-Fiction-Filme erinnernde Armee aus Schaufensterpuppen, die schwere Rüstungen aus alten Schneiderscheren, Bügeleisen oder Schlittschuhkufen tragen. Zusammengeschweißt hat Ferrando die massiven „Kleidungsstücke“an einer Arbeitspuppe, der die Strapazen mit dem Schweißgerät anzusehen sind: Der angesengte Oberkörper aus Plastik hat keine Arme mehr und ist mit schwarzen Flecken übersät. Alle anderen Überbleibsel der schweißtreibenden Arbeit sind mittlerweile weggeräumt. „Aber Sie hätten mal sehen sollen, wie es vor zwei Wochen hier aussah“, sagt er trocken. Vor kurzem erst ist Ferrando mit der letzten Figur fertig geworden. Einige Kreationen zog er lebendigen Models an und lichtete sie für einen Katalog vor graffitibesprühten Wänden in Valencias Viertel El Carmen oder auf dem Flugplatz von Requena ab.
Einige der filigraneren Rüstungsteile weckten schließlich das Interesse des bekannten spanischen Modedesigners Francis Montesinos. Der Valenciano lieh sich einige der schmiedeeisernen Accessoires für Modenschauen in Madrid oder Cádiz aus. Ferrando wurde daraufhin für seine modische Kreativität mit der Goldmedaille des Ideenwettbewerbs „Foro de Europa 2001“in Madrid ausgezeichnet (CBN berichtete). „Ich sehe mich trotzdem nicht in der Rolle des Designers“, sagt er, „ich bin und bleibe Bildhauer“.
Eigenen Stil gefunden
Nach zwölf Jahren glaubt der 50Jährige, seinen eigenen Stil gefunden zu haben. Der Weg führte ihn über wuchtige, tonnenschwere Eisenskulpturen, die in Valencias Bahnhof Estación del Norte oder auf dem Gelände der Ciudad de las Artes y las Ciencias ausgestellt waren, zu den filigraneren Stücken. „Das Wichtigste für einen Künstler ist, dass er mit einem eigenen Stil assoziiert und wiedererkannt wird. Vielleicht habe ich Glück und man sagt irgendwann ,das ist ein echter Viktor Ferrando‘, so wie man das mit den ganz Großen wie Eduardo Chillida tut.“
Einen seiner wuchtigen Eisenquader hätte Ferrando gern auf einem der beiden neuen Kreisverkehre an der N-332 bei Calp gesehen. „Auf meinen Vorschlag hat der Bürgermeister allerdings bis heute nicht geantwortet“, sagt er mit einem Achselzucken. Er sei überzeugt davon, dass Künstler es in Spanien besonders schwer hätten: „Das Land hat ein generelles Problem mit Anerkennung“, glaubt er. „Und als ich 2006 begann, machte mir zusätzlich die Krise einen Strich durch die Rechnung“, sagt er.
Ein Eigenbrötler
Viktor Ferrando würde wahrscheinlich tagelang in seiner Werkstatt tüfteln, ohne zu merken,