Spanischkurs beim Einkauf
Auszug aus Stephanie Warlitz’ Buch „Alles ist möglich. Mit dem Fettnäpfchen im Wohnmobil nach Spanien“
Das Buch erzählt von gehäuften kuriosen Erfahrungen auf den Wegen mit einem Wohnmobil von der Ostsee-Insel Fehmarn über die Provence nach Süd-Spanien bis Andalusien. Vor allem handeln sie von den menschlichen Begegnungen rings um das Mar Menor in der Provinz Murcia. Noch nie war eine Reise für Steffi und dem windsurfbegeisterten Martin sowie Hündin Susi so aufregend und aufschlussreich wie die im Winterhalbjahr 2016/17.
Kaum verging ein Tag, an dem nichts erstaunliches geschah. Erfreuliches wie Spannendes. Manches könnte unter der Rubrik „Pleiten, Pech und Pannen“verbucht werden. Die humorvoll geschriebenen Begegnungen mit interessanten Menschen und deren Macken basieren auf Tatsachen.
Tunnel- oder Kugel-Blick?
Wenig Lust habe ich, die allwöchentlichen Einkäufe gemeinsam mit meinem Mann zu tätigen. Wieso nicht? Deswegen: „Steffi, was brauchst du?“„Bier, Wurst, Käse, Joghurt, Obst, Gemüse, Wasser und etliches mehr habe ich auf dem Zettel stehen. Wir müssen das besorgen, was wir brauchen.“
Kaum stecke ich die Münze in den Einkaufswagen, rennt mein Mann mit ihm vorweg. Ist ja nett, dass er diesen schiebt und rufe hinterher: „Warte bitte, ich will beim Fleisch schauen, was ich nehmen möchte.“Ungehört stehe ich alleine vor der Auslage und überlege, mal wieder Gulasch zu kochen.
Weiter durchforste ich in meinem Gedächtnis, was ich im Auto habe und was ich zudem benötige. Kümmel habe ich diesmal von Deutschland mitgenommen. Als Ersatz schmeckt das Cumin irgendwie „muffig“. Weiter suche ich nach Zwiebeln. Oh ja, Brot darf ich nicht vergessen. Auch die Milch und den Joghurt nicht. Alles balanciere ich kunstvoll auf meinen Armen. Wo ist mein Einkaufswagen? Ach, da vorne beim Bier. Also renne ich dorthin und lege es ab.
„Komm‘ bitte mit dem Wagen da hinten hin. Wir brauchen noch mehr“. „Wie? Ich denke, wir sind fertig!“ist Martins Reaktion. „Nein. Saft, Fisch, Obst und Gemüse und Aufschnitt brauchen wir zudem“, ist meine schnelle Antwort. Also bewege ich mich in Richtung der gewünschten Lebensmittel. Weil ich zu schnell oder zu langsam bin, steht der Einkaufswagen wieder nicht in meiner Nähe. Wo? Martin studiert diverse Salamis. Wie ein Lastenträger laufe ich zu ihm. „Jetzt sind wir aber fertig!“meint er. „Nein, wir müssen noch zwei mal fünf Liter Wasser mitnehmen.
Da ich glaube, Martin folgt mir, renne ich los. Denkste! Wo steckt er denn nun? Ach, er steht bereits in der Reihe an der Kasse. Also schleppe ich mich mit dem schweren Wasser bis dorthin ab. Ehe an der Kasse eine größere Diskussion zwischen uns entsteht, halte ich vorläufig meinen Mund. Aber in unserem Wohnmobil setzen wir uns mit dem Thema auseinander.
„Ich kann doch nicht wie ein Lasten-Esel kreuz und quer nach dem Einkaufswagen suchen. Das ist doch völlig bekloppt! Wieso überlässt du mir nicht den Wagen?“„Ich dachte, du hättest alles besorgt. Ich wollte nicht so lange an der Kasse stehen“, argumentiert Martin.
Wieder einmal mehr komme ich zu der Erkenntnis, dass Frauen und Männer einkaufstechnisch völlig verschiedene Wesen sind. Wir Frauen überlegen, ob wir alle Gewürze im Schrank haben und was wir außerdem kochen und was dazu passen könnte und wir uns auf die Suche danach begeben – was eben zeitaufwendig ist. Indessen langweilen sich die Männer nur. Bestenfalls haben sie im Gedächtnis, Bier und Salami zu kaufen. Solche Auseinandersetzungen sind unnütz und nervenaufreibend. Frauen und Männer haben unterschiedliche Betrachtungsweisen. Ich meine: Männer besitzen den „Tunnel-Blick“und Frauen haben einen „Rundum-Blick“. Das sind völlig verschiedene Blickrichtungen und somit ergeben sich andere Methoden, also Vorgehensweisen.
Diese Erkenntnis gewann ich vor etwa fünf Jahren. Seitdem gehe ich alleine einkaufen. Und mein Mann? Den setze ich bei einem spanischen Café ab. Für 1,50 Euro gibt es Café oder Bier inclusive Internet. Dafür kann ich in Ruhe meine Einkäufe tätigen. Fehlt nur noch der aufheiternde Ausspruch: „Jetzt kannst du dich beim Einkaufen richtig austoben.“
Dabei bereitet mir das Besorgen und das Einsortieren der Lebensmittel überhaupt keinen Spaß. Zum anderen könnte auf weitere Männer der Eindruck entstehen, als würde Frau ihren Partner in eine Art „Männer-Betreuung“abgeben wollen mit dem Spruch: „Mach Platz! Sitz!“
Dem ist nicht so. Zum Glück haben andere Paare die gleiche Idee. Und so wären wir wieder bei der jahrhundertelangen Erfahrung: Frauen für sich und Männer für sich. Dennoch gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen Mann und Frau. Sonst wären beide nicht zusammen. Und das in vielen Fällen in unserer Generation ein ganzes Leben lang.
Markt-Besuch mit allem drum und dran
Sonntag, 22. November 2016. Immer noch sind es sommerliche 22-Grad-Temperaturen. Wir fahren zum Anfang der La Manga. Der sonntägliche Markt ist nicht nur für mich durch seine Größe etwas Besonderes. Inzwischen kenne ich viele Standbesitzer samt Ware und Preisen. Martin wird mich nach eineinhalb Stunden abholen, um mir den gefüllten Rucksack zu tragen.
Nahe der Polizeistation von Cabo der Palos, oberhalb des Hauptverkehrskreisels, sind an jedem Sonntag zwei Parallel- und drei Querstraßen für Marktbetreiber reserviert. Überall hört man laute Zurufe, wie gut, selten, einmalig und vor allem barato, günstig, es „nur“heute ist. Auf einfachen bäuerlichen Ständen sind in Massen übereinander Blumen-, Weiß- und Spitzkohl, Kohlrabi sowie grüner Salat gestapelt. Drei Stück für 1 Euro. Gleich nebenan werden Slips und BHs in allen Farben, Größen und Modellen mit 5 Euro für drei Stück angeboten. Zigeuner reichen in weißen Plastiktüten ihre je fünf Kilo abgepackten Apfelsinen und Zitronen für 2 Euro den wartenden Kunden herüber. An der vorletzten Querstraße gibt es einen Stand mit nahezu neuen Pullovern, Hosen und Blusen. Pro Stück möchte die Marokkanerin 5 Euro.
Der Honig-Mann
Mein Ziel ist der Honig-Mann. Seit vielen Jahren kaufe ich bei ihm miel de bosque, romero oder eucalipto níspero. Alle Honigsorten von ihm sind naturbelassen. Den Geschmack der Waldfrüchte, des Rosmarins oder des Eukalyptus nehmen die Geschmacksknospen beim Verkosten wahr.
Die Níspero-Frucht ist dabei etwas Besonderes. Im Mai wird die kleine orangefarbene Frucht, die etwa die Form einer kleinen Aprikose hat, geerntet. Sie beinhaltet unter anderem reichlich Vitamin C und A und wirkt verdauungsfördernd und entzündungshemmend. Süßsäuerlich ist ihr Geschmack. Selbstverständlich gibt es neben meinen Favoriten weitere Honigsorten sowie jede Menge Kräuter und Gewürze.
Der Honig-Mann erteilt gerne der treuen Kundschaft mit seinem umfangreichem Fachwissen Auskunft über die heilende Wirkung seiner Ware. Er kennt sich aus. Er weiß, was gegen Rheuma, Blasenschwäche oder Impotenz, Grippe, Herzrhythmus- sowie Verdauungsstörungen und gegen alles mögliche helfen kann.
Da ich auch vom Zuhören Spanisch lerne, ist das für mich stets eine in jeder Beziehung aufschlussreiche Quelle. Also stehe ich neben der anderen Kundschaft und höre den Gesprächen zu. Natürlich verstehe ich längst nicht alles. Doch manches verbleibt in meinem Gedächtnis. Die Autorin schreibt unter dem Pseudonym Stephanie Warlitz. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne. In ihrem bodenständigen Leben war sie tätig als Arzthelferin, Kauffrau, Reiseleiterin, Tanzlehrerin und schrieb Reportagen für diverse Zeitungen und Fach-Journale. Im Winterhalbjahr lebt sie vorwiegend am Mar Menor. Der Roman „Alles ist möglich. Mit dem Fettnäpfchen im Wohnmobil nach Spanien“ist in zwei Teilen im Sommer 2018 im Twentysix-Verlag erschienen. Für je 12,99 Euro können der erste Teil mit 280 Seiten sowie der zweite Teil mit 352 Seiten im Buchhandel oder über Amazon bestellt werden: ISBN: 983740747398, bei Kindle als E-Book für 6,99 bzw. 5,49 Euro.