Von wegen Ruhestand
Nach seiner Verrentung hat der ehemalige Lehrer Gabriel Montes in der Kunstfotografie ein neues Betätigungsfeld gefunden
36º 47‘ 10“Nord und 2º 35‘ 30“West: Das sind die Koordinaten einer ganz konkreten, zwischen dem Rad- und dem Fußgängerweg gelegenen Stelle des Feuchtgebietes Ribera de la Algaida im Umfeld der ehemaligen Salinen bei Roquetas. Dort hat der Fotograf Gabriel Montes in den letzten fünf Jahren mehr als 50 mal den Sonnenaufgang verfolgt, seinen Blick und die Kamera dabei stets auf den Horizont im Meer gerichtet.
Den seine künstlerische Kreativität beflügelnden Platz bezeichnet Montes nach einem Songtitel des spanischen Popsängers Antonio Vega als „El sitio de mi recreo“(„Der Ort meiner Zerstreuung“). Es ist zugleich aber auch in Anlehnung an den spanischen Begriff für Schulhof (patio de recreo) eine Anspielung an seine eigene berufliche Vergangenheit.
Vielseitig begabter Zugvogel
Der reisefreudige Fotograf aus dem kleinen Bergdorf Laujar in der Alpujarra Almerías war als Lehrer tätig. Er verließ seinen Heimatort mit nur zehn Jahren, um in einem Internat in Almería die Sekundarschule zu absolvieren, später das Abitur zu machen und um schließlich noch studieren zu können. So vielfältig wie seine Unterrichtsfächer – Musik, Geschichte, Sozialkunde, Französisch und Spanisch – sind auch seine beruflichen Stationen gewesen mit Almería, Teneriffa, Melilla, Neuchatel in der Schweiz und zuletzt Vícar.
Die Fotografie hat er schon während seiner Lehrtätigkeit als Hobby betrieben, wobei er sich die erforderlichen Kenntnisse als Autodidakt aneignete. „Aspekte wie etwa die Bildkomposition habe ich durch das Studium der Kunstgeschichte erlernt, um dieses Wissen anschließend in die Praxis umzusetzen“, sagt Montes.
Und das technische KnowHow eignete er sich durch Experimentieren an, nach dem Prinzip des trial and error. „Anhand der Analyse meiner Aufnahmen sah ich, was mir an den Ergebnissen meiner Arbeit nicht gefiel und ich verbessern oder anders machen sollte.“
Orientierungshilfe hat Montes zu guter Letzt aber auch von einem Meister des Fachs erhalten: Carlos Pérez Siquier aus Almería, Preisträger des Premio Nacional de Fotografía im Jahr 2003. „Als Anhänger seiner Arbeiten habe ich seine Werke eingehend studiert und dabei viel über die Kunstfotografie gelernt“, erzählt Montes.
Sein großes Vorbild lernte er schließlich persönlich kennen, woraus sich eine Freundschaft entwickelte. „Ich zeige ihm immer wieder meine neuesten Arbeiten“, berichtet Montes. „Und Pérez Siquier ist ein anspruchsvoller Lehrmeister.“Nicht zuletzt helfe der prestigereiche Fotograf ihm vor Ausstellungen, die geeigneten Exponate auszuwählen. Seine erste Einzelausstellung hatte Gabriel Montes während seiner Lehrtätigkeit in Melilla, der spanischen Enklave in Nordafrika, in der er mehrere Jahre verbrachte. Bei seiner Ankunft in Melilla war er verblüfft ob der Vielzahl der im Jugenstil errichteten Gebäude in der Stadt. Auf seiner Exposition präsentierte er Aufnahmen mit Details dieser Konstruktionen. „Woraufhin die Kommune seinerzeit begann, die alten Jugendstilhäuser zu restaurieren,“erklärt er.
Mit voller Hingabe und Intensität hat sich der ehemalige Lehrer der Fotografie indes erst nach seiner Pensionierung widmen können. Davor war Gabriel Montes an einer Sekundarschule im Ortsteil in La Gangosa in der Gemeinde Vícar beschäftigt, in der er zuletzt als Direktor tätig war. Im Zuge dieser Anstellung ließ er sich letztlich in der nahe liegenden Urbanisation La Envía nieder.
Von seinem in den Ausläufern der Sierra de Gádor gelegenen Wohnsitz aus machte er sich Radausflüge hinunter zur Küste von Roquetas zur Angewohnheit. Wobei er bei seinen Radtouren durch den Hafen, das Naturschutzgebiet Punta Entinas oder das Feuchtgebiet Ribera de la Algaida stets seine Fotoausrüstung mitnahm.
Die erste Aufnahme, die er in der Ribera de la Algaida anfertigte, zeigte eine Spiegelung der Wolken in einer Lagune des Feuchtgebietes. „Das Foto hatte seinen Reiz, war aber längst nicht optimal“, erinnert sich Montes. So begann er eine beharrliche Suche nach den besten Konditionen, um den künstlerischen Anspruch seiner Aufnahmen zu erhöhen.
Kurz vor und während des Sonnenaufgangs sei die beste Tageszeit, stellte er bald fest. Windstill sollte es am besten sein, aber möglichst nicht wolkenlos. „Nach dem Aufstehen inspizierte ich von meiner heimischen Terrasse das Wetter unten an der Küste und bei geeignetem Wetter machte ich mich mit dem Fahrrad auf den Weg“, berichtet der Fotograf.
Streben nach Perfektion
Eine weitere Einschränkung für seine Arbeit war, dass es zuvor geregnet haben musste, denn nur dann sind die Lagunen des Feuchtgebietes mit Wasser gefüllt, für 15 bis 20 Tage, im Winter maximal auch mal einen ganzen Monat. Bei Erfüllung dieser Bedingung lag er dann für seine Arbeit immer wieder, die Ellbogen in den Boden gerammt, bäuchlings in der Lagune, um die Kamera knapp über dem Wasserspiegel halten zu können.
„Es kam immer wieder mal vor, dass mich Passanten, die mich reglos dort liegen sahen, geschüttelt haben, weil sie dachten, dass ich bewusstlos oder gar tot sein könnte“, erzählt Montes.
Einmal habe ein vorbeigefahre-