Üben für den „großen Knall“
Große Erdbebensimulation – Torrevieja und Umgebung gelten als „hoch anfälliges Risikogebiet“
Torrevieja – mar. Die größte Erdbebensimulation in Spanien hielten am Mittwoch fast 1.000 Einsatzkräfte, darunter Feuerwehr, medizinische Notfalldienste, Militär, Zivilschutz und UME-Spezialkräfte unter Leitung der Landesregierung ab: das #GranSimulacro2018. „Das ist keine Trockenübung, das Szenario ist real“, erklärte Bürgermeister José Manuel Dolón bei der Präsentation. Und Sofía González López, leitende Technikerin beim Zivilschutz Valencia, ergänzt, dass „es gerade Erdbeben sind, die eine ganze Kette von Katastrophen auslösen können“. Daher wurden in die Übungen auch alle acht öffentlichen Schulen einbezogen.
Wichtigstes Ziel war es, „die Fähigkeit der Notfallkräfte zu überprüfen, bei extremen Notsituationen schnell und angemessen zu handeln und auf überraschende Entwicklungen reagieren zu können.“An verschiedenen Stellen der Stadt, vom Aquópolis, über Hafen und Casino bis in ein Industrieviertel, wurden diverse Szenarien nachgestellt: eingestürzte Gebäude, Brände, Gasaustritte und vieles mehr. Die Herausforderung: Der Zugang zur Unglücksstelle zur Rettung von Leben und die Stabilisierung der Lage. Die Einsatzzentrale würzte die Übungen mit Überraschungseffekten wie Stromausfall oder dem Abbruch der Telekommunikation.
Katastrophe von 1829
Der Bürgermeister erinnerte in einer Ansprache an das Erdbeben von Lorca im Jahre 2011 in einer Stärke von 5,1 auf der Richterskala, das neun Todesopfer und 324 Verletzte forderte und tausende Gebäude unbewohnbar machte. Lorca ist nur 122 Kilometer von Torrevieja entfernt und auch die Vega Baja erlebte zwischen Orihuela und Torrevieja bereits einen „Big Bang“. Am 21. März 1829 forderte ein Beben 389 Todesopfer, ebenso viele Verletzte und zerstörte 5.000 Häuser. Dass dieses tödliche Ereignis fast 200 Jahre zurückliegt, sollte niemanden beruhigen. Die Plattentektonik hat ihren eigenen Zeitplan und die kleineren Erdbeben im Frühjahr – im Mai erlebte Torrevieja ein Beben der Stärke 3,6, das heftigste seit zehn Jahren – sind deutliche Warnschüsse, dass man lieber vorbereitet sein sollte.
Die von Urbanisationen zugestellte Gegend, aber auch das eng und teils abenteuerlich bebaute Stadtzentrum Torreviejas bergen für die Experten ein enormes Risiko. Erst seit 1992 müssen Wohngebäude von Gesetzes wegen über einen Basis-Erdbebenschutz verfügen, der seitdem zum baulichen Genehmigungsverfahren gehört.
Doch der größte Teil der Bebauung, vor allem in Torreviejas Kern, stammt aus den 70er und 80er Jahren. Außerdem zweifeln viele Experten daran, ob der verbriefte Erdbebenschutz danach, in seiner praktischen Umsetzung heute einer gewissenhaften Überprüfung oder einem tatsächlichen Beben standhalten würde.
Basisschutz erst seit 1992
Der Geologe an der Universität Alicante, Sergio Molina, erläutert, dass „wir gerade erst die ersten Schritte machen, um die Anfälligkeit der Städte im südlichen Alicante zu quantifizieren“, in anderen Regionen sei man da schon viel weiter. Die sogenannte Intensitätsskala misst im Gegensatz zur Magnitudenskala die Auswirkungen eines Erdbebens an der Oberfläche. Laut Studien würden in der Provinz Alicante 13 Prozent aller Gebäude als gefährdet oder stark gefährdet eingestuft für seismische Intensitäten über Stufe VII, die ab Richterskala 5,4 erreicht werden kann – je nach Tiefe, Erdbeschleunigung und weiterer Parameter.
Im Falle Torreviejas und Umgebung kommen weitere Risikofaktoren wie Baupfusch, Bodenabsenkungen – wie sie gerade in der Urbanisation Laguna 2 in Orihuela Costa zum Einsturz eines Hauses führten – oder illegale Anbauten hinzu. Die ganze Gegend gilt als „hoch anfällig“für große Schäden. Das Gran Simulacro vom Mittwoch sollte eine Antwort darauf sein. Nicht nur die verschiedenen Einsatzkräfte, sondern jeder sollte sich für einen unkalkulierbaren Ernstfall bereit machen.