Der Kohlenstoff-Fresser
EU-Projekt in der Region Murcia: Wälder aufrüsten zur Bindung von Treibhausgas
Murcia – sg. Einer der bedeutendsten Kämpfer gegen den Klimawandel ist wohl der Wald. Er befreit die Luft von umweltverschmutzendem Kohlendioxid. Seine Biomasse bindet das Treibhausgas, das als hauptverantwortlich für die globale Erwärmung gilt, und setzt Sauerstoff frei. Ein Hektar Wald in der Region Murcia kann im Durchschnitt 47 Tonnen Kohlendioxid aufnehmen. Die Menge entspricht dem Ausstoß eines Autos, das über 400.000 Kilometer unterwegs ist. Dabei soll es aber nicht bleiben. Murcias Wälder sollen ihre Kapazität steigern. Das ist das Ziel des europäischen Umweltprojektes Life Forest CO2, das die Region Murcia leitet.
„Es geht dabei nicht darum, mehr Bäume zu pflanzen“, erklärt der Koordinator des Projektes Miguel Chamón Fernández von der Generaldirektion für Umwelt der Landesregierung von Murcia. „Große Aufforstungskampagnen wurden in den 60er bis 80er Jahren durchgeführt. Wichtig ist jetzt die Instandsetzung und die Pflege der bereits existierenden Wälder.“
Weniger, aber besseres Holz
Ein nachhaltiger Unterhalt besteht unter anderem in Beschneidungen der Bäume, dem Lichten von Waldabschnitten oder dem Abholzen. „Heraus kommt vielleicht ein Wald mit weniger Bäumen, dafür aber mit einer besseren Qualität des Holzes und einer Biomasse, die mehr Kohlendioxid aufnehmen kann als ein unbehandelter Wald“, sagt Miguel Chamón. Zudem soll so das Ökosystem gestärkt und widerstandsfähiger gegen Tempera- tursteigerungen und Trockenheit werden.
Wieviel Kohlendioxid ein Baum bindet, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, wie Baumart, Holzdichte, Bodenbeschaffenheit, Standort oder klimatische Bedingungen. Der Gehalt an Kohlendioxid in der Biomasse wird durch Messungen und Berechnungen ermittelt.
Die am meisten verbreitete Baumart in der Region Murcia ist mit Abstand die Aleppo-Kiefer. Sie wächst auf Flächen von insge- samt über 248.000 Hektar und nimmt pro Hektar 44 Tonnen Kohlendioxid auf. Die Steineiche absorbiert dagegen 103 Tonnen des Treibhausgases pro Hektar. Sie bedeckt jedoch nur eine Gesamtfläche von 6.600 Hektar. Ein weiteres Ziel ist es, Besitzer von Wäldern – das können Gemeinden, das Land oder Privatpersonen sein – an dem Life-Forest-Projekt zu beteiligen. „Sie bekommen von uns einen genauen Plan, in dem steht, wann und wie oft sie ihren Baumbestand beschneiden oder lichten lassen müssen“, erklärt Miguel Chamón.
„Dann wird berechnet, wie viel Kohlendioxid der Wald binden kann, und mit einer von uns entwickelten mathematischen Methode wird die Menge direkt in sogenannte Emissionszertifikate umgewandelt.“
Ein Zertifikat ist eine Tonne Kohlendioxid wert und kann an Unternehmen verkauft werden, die die Luft mit Treibhausgasen belasten und dazu eine Berechtigung benötigen, oder an Firmen, die sich ein umweltfreundlicheres Image zulegen wollen. „Um Geld zu sparen, werden die Unternehmen versuchen, Emissionen zu reduzieren. Eine Raffinerie zum Beispiel wird aber nie null Prozent erreichen“, sagt Miguel Chamón. „Diese Betriebe kaufen dann die Zertifikate von den Waldbesitzern, die das Geld wieder in den Unterhalt ihrer Bäume investieren.“
Geschäft mit dem Recht, Treibhausgase in die Luft blasen zu dürfen
Warum ausgerechnet Murcia?
Dass das Projekt Life Forest ausgerechnet in der Region Murcia durchgeführt wird, die nicht für grüne Wälder, sondern eher für dürregeplagte Landschaften bekannt ist, hat wohl einen Grund. „Murcia gehört zu den Regionen Europas, die die Folgen des Klimawandels am heftigsten zu spüren bekommen,“erklärt Miguel Chamón. „Besonders an der Küste in Águilas und Mazarrón sind die Auswirkungen zu sehen. Die Berggebiete, die der Sonne viele Stunden lang ausgesetzt sind, sind von Trockenheit und Schädlingsplagen gekennzeichnet.“Genau deshalb ist die Region Murcia das geeignete Labor, in dem sich zeigt, was der Klimawandel in Zukunft mit gefährdeten Gebieten anrichten kann.