Oma, wir machen Urlaub
Peter-Magnus Schoas Roman über die Ängste der älteren Generation
die im letzten Jahr vor seinem Tod eine dramatische Wandlung erfuhr, den Körper von innen in den Zustand der Vergänglichkeit verwandelte, vermochte sie nur in Gedanken berühren. So hat sie ihn nicht verloren, und weiß nicht, auf welche Weise sie der Augenblick der Erinnerung in Schach hält, wie die Stunden, Tage, die längst enteilt, sich ihr entzogen. Im Laufe der Zeit ist der Atem bei den Gedanken daran gleichmäßiger geworden, wenn sie in die Erinnerung abschweiften und sie nicht mehr belasteten, da all diese abstoßenden Eindrücke aus der Vergangenheit immer mehr verblassen. Die Bilder, die schönen wie die unheilvollen, auch die Art während die Krankheit voranschritt, mit dieser Maske von Hilflosigkeit, die an ihm zerrten wie stetiger Wind am ausgedörrten Hain.
Manchmal, wenn sie morgens die alte Kaffeemühle zwischen die Beine klemmt und auf banale mittelalterliche Art die Kurbel dreht, und das Kaffeepulver aus der kleinen Holzlade duftet, dann schweifen ihre Gedanken weit zurück bis an jenen Nachmittag, an dem sie und Albert das Haus in Friedrichshagen ein erstes Mal erblickten. Der erste Eindruck, sagten sie sich, ist das Wichtigste und beide verliebten sich auf unausgesprochene Weise in die großartige Aussicht hinunter zur Spree und einzigartige Lage. Theresa denkt noch an die Schönheit der Natur ringsum, an die Blüten in der unverbauten Wiese, die Nähe der Holunderbüsche am Waldsaum mit dem würzigen Geruch, den hoch stehenden Gräsern und den Flaum vom blühenden Mädesüß.
Gänzlich übersah sie dabei den renovierungsbedürftigen Zustand der Fassade, die verwilderten Obstbäume im Garten, die dringend einen Schnitt benötigten, sowie den verwitterten hölzernen Gartenzaun. Es ist das letzte Haus in der Straße, knapp am Rande des Stadtwalds. Sie erinnert sich wie heute an diesen Tag, an dem Albert nach der Arbeit mit dem Motorrad ankam.