Burgfrieden im Milieu
Im Moment keine Morde: Torrevieja bleibt El Dorado für Einbrecher und Drogendrehscheibe
Torrevieja – mar. Die Kriminalitätsstatistik für Torrevieja, Stand erstes Halbjahr 2018, liest sich positiv. Danach seien angezeigte Straftaten um 6,6 Prozent zurückgegangen. Die meisten Delikte sind Diebstähle, 986 wurden gemeldet. In den ersten sechs Monaten gab es zudem 39 Autodiebstähle, 464 Einbrüche (-26 Prozent), 67 Raubüberfälle, 17 Drogendelikte, zwei Vergewaltigungen und kein einziges Tötungsdelikt, im Jahr davor waren es zwei. Kein Vergleich mit dem Horrorjahr 2000, als Torrevieja 22 Morde registrierte, Ergebnis von Bandenkriegen zwischen russischer und armenischer Mafia.
Damals war die Wahrscheinlichkeit, in Torrevieja umgebracht zu werden 20 Mal höher als in Madrid. 2015 und 2016 gab es drei und vier Tötungsdelikte, alle im privaten Umfeld, keines im Milieu.
Die Gegend bleibt, trotz statistischen Rückgangs, ein Dorado für Einbrecher. Zahlreiche Urbanisationen sind abgelegen und schwer einsehbar, zudem sind viele Häuser nicht ganzjährig belegt und, so führt es die Guardia Civil in einer Analyse aus, da sich Einwohner oft kaum kennen, wird es schwer, Fremde zu identifizieren. 2017 führte Torrevieja die Einbruchsstatistik mit elf Fällen pro 1.000 Einwohner an, gegenüber 4,12 in Barcelona oder 2,42 in Madrid.
Das Problem bei der „Verbrechensstatistik“: Sie meldet nur die angezeigten Straftaten, sowohl von Seiten der Opfer, Zeugen oder den Behörden selbst. Werden letztere weniger aktiv, aus Personalmangel oder anderen Gründen, sinkt die Zahl der Anzeigen und bessert die Statistik auf, nicht zwingend auch die Lage. Das gelte besonders für Drogendelikte, erklärt José Ramírez*, pensionierter Polizist aus einer Nachbarstadt, den wir in einer Bar in der Innenstadt treffen.
Paradies für Einbrecher
„Wachen sind chronisch unterbesetzt, es wird jedes Jahr schlimmer. Mehr Menschen, weniger Polizei. Meine Kollegen kommen nicht her, sie bearbeiten nur noch die Fälle, die ihnen direkt vorgelegt werden, eigene Ermittlungen schaffen sie kaum noch“, kommentiert er. „Torrevieja ist eine Drehscheibe und ein Fixpunkt im europäischen Drogengeschäft, hier wird nicht nur für Endkunden gedealt“, sagt er. „Die Gangs haben sich spezialisiert, daher ist es friedlich. Torrevieja hat eine klare Aufgabe: Hier kommt ein großer Teil der Ware, Marihuana wie Kokain, durch, die in Andalusien anlandet.
Der Küstenort gehört nach offiziellen Zahlen zu den ärmsten Kommunen Spaniens, 2017 rangierte er in der Liste der zehn einkommensschwächsten Gemeinden auf Rang acht. Gibt es typische Armutskriminalität in der Stadt? Ramírez bezweifelt das. „Die Statistiken sind Blödsinn. Man müsste sie gewichten. Wenn einer drei Flaschen Brandy klaut, wird das genauso als Fall registriert, wie wenn ein Politiker Millionen klaut, da stimmt doch was nicht.“*Name von der Redaktion geändert.