Tragödie in der Meerenge
14 Kilometer trennen Los Caños de Meca von Afrika – Im November erschütterte ein Immigrantendrama den Ort
Durch seine verspiegelte Ray-BanSonnenbrille blickt der Surfer Richtung Afrika. Direkt unterhalb des Faro de Trafalgar in Los Caños de Meca hat er seinen Jeep geparkt. Ein kurzer Blick auf die Wind-App seines Telefons, dann schnappt er sich sein Brett und wird sogleich auf den Wellen reiten. Denselben Wellen, die fünf Stunden zuvor einen weiteren leblosen Körper an die Playa de Marisucia gespült haben. Als in der Nacht vom 4. auf den 5. November vor der Küste von Los Caños de Meca ein Boot mit über 40 Immigranten gegen einen Felsen rammte, schafften es nur einige mit Mühe und Not an das 150 Meter entfernte Ufer. Nicht alle trugen Rettungswesten, nur wenige konnten schwimmen.
Nach dem Unglück fanden Spaziergänger die Toten und riefen die Guardia Civil. Bis zum heutigen Tag sind 24 Leichen geborgen worden. 24 Tote mehr in der Statistik. In diesem Jahr kamen nach Angaben der Deutschen PresseAgentur 80 Prozent weniger Migranten über die zentrale Mittelmeerroute zwischen Libyen und Italien nach Europa.
Seenotretter unter Druck
Seit in Italien eine neue Regierung und mit ihr der rechte Innenminister Matteo Salvini an der Macht ist, fährt Rom eine rigorose Antiflüchtlingspolitik. Spanien hat Italien dadurch in Europa als Hauptziel von Migranten abgelöst, gefolgt von Griechenland. Die Menschenschlepper schicken die Boote nun vermehrt durch die Meerenge. Längst hat sich der Wind gedreht und in der Migrationsfrage geben die Sicherheitspolitiker den Ton an. Mauern werden hochgezogen, Fluchtrouten verlagern sich vermehrt. Oft schlägt denen, die helfen wollen, Schweigen oder Hass entgegen.
Die zivilen Seenotretter sind vor allem durch die Abschottungspolitik der italienischen Regierung stark unter Druck geraten, ihre Missionen weitgehend zum Erliegen gekommen. Schiffe wie die „Sea-Watch 3“oder „Lifeline“wurden im Laufe des Jahres von den Behörden etwa auf Malta festgesetzt, andere wie die „Aquarius“von Ärzte ohne Grenzen und SOS Méditerranée verloren ihre Flagge. Doch nun wollen die Hilfsorganisationen Sea Watch aus Deutschland und Proactiva Open Arms mit dem italienischen Projekt Mediterranea wieder dauerhaft vor der libyschen Küste präsent sein.
Fast täglich sind die Schlagzeilen spanischer Tageszeitungen gefüllt mit Nachrichten über Rettungsschiffe, die ein in Seenot geratenes Boot aufgreifen. Als Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez im Juni dieses Jahres entschied, das Rettungsschiff „Aquarius“mit 630 Migranten an Bord in den Hafen von Valencia einlaufen zu lassen, schien es ganz so, als setze er europaweit ein Zeichen für eine neue Einwanderungspolitik. Als einziger europäischer Ministerpräsident hatte er dem Schiff einen sicheren Hafen angeboten, nachdem Italien und Malta der „Aquarius“am 11. Juni die Einfahrt in ihre Häfen verwehrt hatten.
In einem Interview mit dem Radiosender Cope prahlte Pedro Sánchez damit, dass seine Regierung eine Einwanderungspolitik auf den Weg gebracht habe, die es so in dieser Form noch nicht gegeben habe. Seine Entscheidung, das Rettungsschiff „Aquarius“in Valencia anlegen zu lassen, müsse als Appell an die EU verstanden werden, dass das Thema Migrationspolitik alle europäischen Staaten betreffe. Sánchez regte im Juni dieses Jahres an, wenn auch nicht mit allen 28 EU-Mitgliedsstaaten, so doch zumindest mit einem Dutzend einen gerechten Schlüssel für die Verteilung von Immigranten erarbeiten zu wollen.
Marokko bezeichnete er als sicher und hob hervor, dass Spanien eng mit diesem Land zusammenarbeite, um die illegale Einwanderung zu kontrollieren. Sánchez sagte, dass Spanien eine legale Einwanderung brauche, nicht aber gewalttätige Vorgänge, wie der Sturm auf den Grenzzaun in Ceuta oder Übergriffe auf Guardia-Civil- Beamte. Seinem Vorgänger Mariano Rajoy (PP) warf er vor, dass er auf die Zunahme von Einwanderern ohne Papiere nicht reagiert habe. Über die tägliche Tragödie in der Meerenge von Gibraltar verlor Sánchez zunächst kein Wort.
„Nachahmungseffekt als Folge“
Der PP-Vorsitzende Pablo Casado ätzte, dass Sánchez durch die Anlegeerlaubnis der „Aquarius“einen Nachahmungseffekt ausgelöst habe und dass es unmöglich sei, „allen Immigranten eine Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen“. Es sei unhaltbar, „dass Spanien Millionen von Afrikanern aufnimmt, die nach Europa kommen, weil sie sich hier ein besseres Leben versprechen“.
Im September dieses Jahres forderte Andalusiens Ministerpräsidentin Susana Díaz (PSOE) auf einem Forum des Europäischen Sozialfonds im französischen Carcassonne die EU auf, Verantwortung zu übernehmen und an einem Strang zu ziehen. Für Andalusien verlangte sie mehr finanzielle Mittel, um medizinisches Personal zu bezahlen und die Menschenschlep-
Pedro Sánchez: „Spanien braucht eine legale Einwanderung“