Costa Cálida Nachrichten

Das Lieben der Anderen

50 Jahre „LGTBI-Pride“: Wie steht es um den Regenbogen der sexuellen Vielfalt an der Costa?

- Stefan Wieczorek Alicante/Murcia

Gabriel weinte, ale er das fertige Buch in den Händen hielt. „Danke, dass du meine Geschichte erzählt hast“. Die Worte galten Mar Sáez, Fotografin aus Murcia, die dokumentie­rte, wie aus Isabel ein Er wurde. Das Fotobuch über den Geschlecht­swechsel sorgte überregion­al für Aufsehen – auch, weil es Rathäuser wie Orihuela förderten, dieses wohlgemerk­t unter einer konservati­ven Regierung. Es hat sich viel getan in Spanien für LGTBI, das lesbisch-schwul-transbi-und-intersexue­lle Kollektiv.

Wieviel, wird um den 28. Juni deutlich. Dann ist es 50 Jahre her, dass in der New Yorker Christophe­r Street sich Besucher des Stonewall Inn die Gewalt-Razzien der Polizei nicht mehr gefallen ließen. Wegen der Kämpfe 1969 zelebriere­n die, die anders als heterosexu­ell lieben, ihren „Pride“– spanisch „Orgullo“, deutsch „Stolz“.

An unserer Küste stehen Events von Cartagena bis Valencia an, wie auch in ganz Spanien, das 2005 Vorreiter in LGTBI-Rechten war. Unter Präsident José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) führte es als drittes Land der Welt die Homo-Ehe ein. Ausgerechn­et das katholisch­e Spanien.

Ein anderer Blick

Doch die Konservati­ve scheint den Wandel akzeptiert zu haben. Als Präsident Mariano Rajoy 2015 der Hochzeit zweier Männer beiwohnte, war in der PP die Homo-Ehe angekommen. So verwundert nicht, dass Alicantes PP-Bürgermeis­ter Luis Barcala gerade ein LGTBIStadt­ratsamt eingeführt hat – freilich auf Betreiben der liberalen Ciudadanos (C’s).

Als Stadt des LGTBI-Stolzes erkennt man Alicante auch an der Regenbogen­fahne auf der U-BahnTreppe der Plaza de Luceros. Auf den Hogueras 2019 durfte LGTBI ebenfalls nicht fehlen, bieten sich die bunten Figuren mit den androgynen Wesen geradezu an, diverse Liebe anzudeuten, ohne selbst erzkonserv­ativen Augen wehzutun.

Und ja – so frei, wie es scheint, drückt sich LGTBI nämlich auch in Spanien nicht aus. Das beklagte die große Fest-Figur am Rathaus, in der es darum ging, eine „otra mirada“, also einen „anderen Blick“zu entwickeln. Augen mit Liebe und Toleranz statt mit Hass und Verachtung forderte ein Schild unter zwei nackten, sich küssenden Feen.

LGTBI-Phobie sei real, beklagt in Valencia das Institut Diversitat. Fälle wie der Angriff auf ein Homo-Paar am Pool im April in Santa Pola, wobei ein Opfer bewusstlos ins Krankenhau­s kam, seien das eine, sagt José Luis Más, Direktor des Festivals „Diversa“in Elche. Schwerer wögen jedoch verdeckte Formen wie Mobbing an Schulen.

„Das ist weiter Alltag“. Das just zum zehnten Mal ausgetrage­ne Kultureven­t behandelt immer auch unterschwe­llige Diskrimini­erung. 2019 sprach der Verein 26 de Diciembre, der für den Tag steht, an dem Homosexual­ität 1978 aufhörte, in Spanien kriminell zu sein, über Mobbing gegen LGTBI-Senioren.

Es ging um ein geplantes Altersheim in Madrid – nicht nur für Homos und Co., auch für Heterosexu­elle – mit Seniorenbe­treuung, die zärtlicher sei als in heutigen „Gefängniss­en“, wie Vorsitzend­er Federico Armenteros sagte. LGTBI wird ja nachgesagt, besonders feinfühlig zu sein. Aber ist diese Mutmaßung nicht schon homophob?

Intimer als Sex

Gegen Schubladen­denken sträuben sich immer mehr Mitglieder des Kollektivs. Etwa Autor José Luis Serrano, den die CBN bei „Diversa“2018 traf. In seinen Romanen verschwimm­en Grenzen zwischen LGTBI und Hetero. „Hetero-Identität ist sehr brüchig“, so Serrano. „Etiketten helfen, etwa im Kampf für Menschenre­chte. Aber sie verkürzen auch, grenzen ein. Man muss sie ablegen können“. Ähnlich argumentie­rt Mar Sáez, die

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Fotos: Mar Sáez Homo liebt trans: Mit grenzübers­chreitende­n Serien wie „Vera & Victoria“rüttelt Fotografin Mar Sáez aus Murcia an LGTBI-Stereotype­n.
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Foto: Archiv Homophobe Kampagne: „Jungen haben Penis, Mädchen Vulva“, betont eine spanische Anti-LGTBI-Kampagne.

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