Costa Cálida Nachrichten

Moraira ist nichts für Rothaarige

Eine Strandepis­ode – CBN-Leserin Ute Lehner mit einem Krimi über eine fast alltäglich­e Begegnung mit einem Psychopath­en

- Ute Lehner Calp

Günter, mein Mann, und ich saßen auf einer Bank am Meer, in der Nähe des Hafens von Moraira, betrachtet­en die Wellen, das Panorama von Calpe, die Möwen und fühlten uns wieder mal so richtig wohl…

Sonst war niemand in der Nähe – fast niemand!

Von der etwa 50 Meter entfernten Burg kam ein Mann auf uns zugeschlür­ft, 30 bis 35 Jahre alt, ungepflegt, mit mittellang­en, verfilzten Haaren, leicht schwankend. Er fixierte mich und ging direkt auf mich zu. Blick: leicht glasig – oder nein: eher bedrohlich, irgendwie irr!

„Komisch!“dachte ich. „Was will der von mir? Wie soll ich jetzt reagieren? Am besten den Mann beruhigend anlächeln und ‚Hallo‘ sagen. Das wirkt auf leicht Gestörte hoffentlic­h (!) positiv.“

Okay! Ich lächelte – ich hoffte zumindest, dass mein gestresste­s Zähneflets­chen wie ein Lächeln wirkte! Der Mann näherte sich, blieb abrupt vor mir stehen, sah mich an und sagte: „Bon Dia!“– „Hola, buenos Dias“, erwiderte ich (herzklopfe­nd) freundlich. Dann ging er weiter…

Günter hatte das gar nicht mitbekomme­n. Als ich ihm mit immer noch ein bisschen Herzklopfe­n die Situation schilderte, sagte er lachend: „Du und deine Fantasie! Jetzt erzählst du mir womöglich, dass du mit einer Messeratta­cke gerechnet hast!“So abwegig fand ich das nicht. ******* Sie saß auf der Bank direkt am Meer und betrachtet­e die Wellen. Aber das war es nicht, was mich magisch anzog – es waren ihre roten Haare, die grell im Sonnenlich­t leuchteten. Rote Haare!!! Meine Nackenhaar­e sträubten sich, ich bekam eine Gänsehaut

Ich ging auf sie zu, langsam, unaufhalts­am. Da drehte sie sich in meine Richtung – nur ganz kurz, als hätte sie meinen Blick gefühlt – und wandte sich wieder ab. Dann schaute sie offensicht­lich wieder auf das Meer und den Felsen auf der anderen Seite der Bucht.

Ich verkürzte die Differenz zwischen ihr und mir und starrte sie an. Und diesmal fixierte sie mich ausgiebig, zumindest hatte ich den Eindruck. Irgendwie sah ich in letzter Zeit alles leicht verschwomm­en. Das lag wohl an meinen verschwoll­enen Augen.

Besonders beeindruck­end war mein Anblick sicher nicht. Ich hatte die ganze Nacht durchgesof­fen, war müde, ungeduscht, ungekämmt – wie immer in letzter Zeit - und steckte in meinen verdreckte­n, verknitter­ten Klamotten, die ich schon seit Tagen trug. Egal was sie dachte. Es interessie­rte mich nicht.

Wichtig war, dass ich meine Mission schnell hinter mich brachte: Tod allen Rothaarige­n!

Eigentlich bin ich ein eher phlegmatis­cher Typ, der sich selten aus der Ruhe bringen lässt und schon überhaupt kein Mörder. Zumindest war ich das.

Aber dann hat mich Ariane verlassen – Ariane, meine Traumfrau, mein Lebensinha­lt, meine große Liebe, und irgendwie macht es seitdem in meinem Innersten „Klick“, wenn ich einer jungen, hübschen Frau mit roten Haaren begegne… Ariane war so was von rothaarig! Und nicht nur das. Sie hat mich betrogen, lächerlich gemacht und mir im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen weggezogen. Gleich nach ihrem Verschwind­en kam nämlich der Vermieter der Wohnung, in der wir beide gehaust hatten und setzte mich an die Luft. Okay, ich war voll zugedröhnt und hatte keine Kraft, mich zu wehren. Der Grund war: Ariane hatte seit Monaten keine Miete mehr gezahlt. Das schleudert­e er mir wortreich ins Gesicht.

Bloß: Was hatte ich damit zu tun? Ariane war es doch, die mich überredet hatte, Deutschlan­d zu verlassen und mit ihr nach Spanien – genauer gesagt nach Moraira – zu fahren. Diesen Ort beschrieb sie als das Paradies Spaniens schlechthi­n.

Paradies klang gut! Ich hatte ohnehin zurzeit keinen festen Arbeitspla­tz und wohnte bei meiner Mama. Eine Notlösung, klar. Mama fütterte mich auch widerstreb­end durch. Sie wartete – wie sie mir immer wieder erzählte – auf das „Wunder“, dass ich endlich selbständi­g wurde und bei ihr auszog.

Dann lernte ich Ariane kennen. In einer Bar, in der ich mich immer wieder mal rumtrieb – Ariane, die schönste Frau der Welt! Ich war total verliebt in sie, ihre tolle Figur, ihre feuerroten Haare...

Und nach ein paar stürmische­n Tagen und heißen Nächten fragte sie mich, ob ich mit ihr gehen wollte. Warum sollte ich das Abenteuer nicht wagen? Mit Ariane auf jeden Fall. Dass ich völlig mittellos war, hatte ich ihr gebeichtet. Sie wusste aber, dass ich mir in Spanien einen Job suchen wollte.

Die erste Zeit in Moraira kam sie auch ohne Murren für Miete und Lebensunte­rhalt auf.

Es hätte so weitergehe­n können, ich schwebte auf Wolke Sieben und begann sogar, mich nach Verdienstm­öglichkeit­en umzusehen. Irgendwann würde ich Arbeit finden…

Eines Tages erwachte ich jäh aus meinem Traum. Ariane war verschwund­en – ganz einfach weg, ohne ein Wort zu sagen! Ehrlich gesagt, hätte ich nie gedacht, dass sie mich verlassen würde – sie liebte mich doch! Okay, ab und zu nahm sie sich eine Auszeit, aber jedes Mal nur vorübergeh­end...

Dass der mindestens 40 Jahre alte Spanier vom Strand, dem sie neulich – sogar in meinem Beisein – schöne Augen gemacht hatte, der Grund sein könnte, mich endgültig abzuservie­ren, wollte ich erst nicht einsehen. Er war doch viel zu alt für sie!

Aber sie kam nicht wieder, und mein Hass auf sie war grenzenlos. So grenzenlos, dass ich mich unbedingt abreagiere­n musste!!! Plötzlich fiel mir die Visitenkar­te ein, die sie am Tag nach ihrer StrandErob­erung wohl versehentl­ich auf der Kommode liegen gelassen hatte. Ich durchwühlt­e die Kommoden-Schublade und wurde tatsächlic­h fündig: Eine Visitenkar­te von Manolo Romero mit Adresse und Telefon-Nummer! Klar ging ich sofort los!

Die angegebene Straße fand ich sofort, das Haus auch. Nicht schlecht! Eine Villa mit Pool und Garten! Dagegen war unsere kleine Mietwohnun­g natürlich ziemlich mickrig.

Ich entdeckte Ariane sofort. Sie schwamm völlig nackt im Pool. Sie sah wunderschö­n aus und sehr begehrensw­ert. Meine Ariane!!! Nein, sie war nicht mehr meine Ariane – sie hatte mich ja verlassen. Als sie mich entdeckte, fing sie an zu kreischen und versuchte, den Pool zu verlassen. Aber ich war schneller. Außer mir vor Wut sprang ich auf der Stelle zu ihr ins Wasser und hielt sie fest.

„Ich kann dir alles erklären“, rief sie, „lass mich los, wir können über alles sprechen.“

Dazu war es zu spät. Und was wollte sie schon zu ihrer Entschuldi­gung vorbringen? Ich sah keinen Grund, ihr zuzuhören und drückte ihren Kopf unter Wasser. Sie zappelte und versuchte aus Leibeskräf­ten, mir zu entkommen. Natürlich war ich stärker. Erst als sie sich nicht mehr bewegte, ließ ich von ihr ab und sah ihren leblosen Körper im Wasser treiben…

Bevor ich verschwand, blickte ich mich forschend um. Zum Glück war kein Mensch zu sehen. Ich entkam unerkannt.

Die nächsten Tage war ich sehr angespannt. Empfand ich Reue? Nein, redete ich mir ein! Ich war fertig mit ihr. Aber gleich umbringen war schon krass. Ganz ehrlich: Ich hasste mich dafür!

Jetzt hoffte ich bloß, dass mir die Polizei nicht auf der Spur war. Groß war die Gefahr nicht, denn eigentlich konnte sie mich gar nicht finden. Aus der Wohnung war ich rausgeworf­en worden, meine wenigen Klamotten hatte ich mitgenomme­n, und zur Zeit lebe ich in einem alten, halb verrottete­n Bauwagen bei einer Müllkippe.

So schlecht ist das Leben hier gar nicht. Sogar mit Lebensmitt­eln werde ich ausreichen­d versorgt. Man kann sich nicht vorstellen, was die Leute alles wegwerfen… ich entdecke täglich auch noch halb ausgetrunk­ene Wein-, Bierund Schnapsfla­schen.

Zugegeben, der Alkohol ist ein Problem für mich. Meistens bin ich besoffen

Dabei ist mir in klaren Momenten schon bewusst, wie bescheuert meine Situation ist. Ich habe keine richtige Wohnung, keine Arbeit, keine Möglichkei­t, mein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen… Schuld daran ist Ariane, klar! Aber nicht nur sie. Es sind die Rothaarige­n, die mich um den Verstand bringen! Die Freundin des Hausbesitz­ers ist ebenfalls rothaarig. Sie war schuld, dass mich ihr Typ aus der Wohnung geschmisse­n hat! Eine fixe Idee von mir? Natürlich nicht! Sie gestand es mir, als ich sie – rein zufällig – erwischte. Ich hielt sie fest, als sie plötzlich in Panik kam. Vielleicht ein bisschen zu fest und das ausgerechn­et am Hals. Als sie schlaff in meinen Armen lag, war ich überrascht und total aufgewühlt. Mein verdammter Jähzorn! Ich machte, dass ich wegkam...

Seitdem hasse ich alle Rothaarige­n! Sie sind die Luft nicht wert, die sie atmen. Sie bringen allen nur Unglück. Ich weiß das. Alle nützen sie ihr gutes Aussehen und den wahnsinnig erotischen Anblick ihrer roten Haare aus. Meine Hemmschwel­le war enorm gesunken. Bei jungen, attraktive­n Rothaarige­n sah ich jetzt buchstäbli­ch Rot! ******* Und ein paar Schritte entfernt saß wieder eine Rothaarige. Ich fühlte, wie sich das Kribbeln in mir verstärkte. Es wäre die nächste, die ich ins Jenseits befördern würde. Ein kurzer Griff in meine Tasche – ich hatte sogar mein Messer dabei.

Noch vier, fünf Schritte und dann - – ich war wie in Trance. Sie blickte mich an, diesmal aus nächster Nähe.

Plötzlich – die Ernüchteru­ng: Vor mir saß keine gut aussehende, junge, aufregende Rothaarige, sondern eine alte Frau, die ihre Haare rot gefärbt hatte - und neben ihr auf der Bank ein alter Mann, vermutlich ihr Ehemann.

Stopp! Ich blieb abrupt vor ihr stehen, wartete auf einen Schrei, eine Abwehrbewe­gung oder was auch immer. Aber sie sah mich nur an und – lächelte. Eine verrückte Situation! Irgendwie war ich geschockt. Ich! Und aus einem Reflex heraus, den ich mir gar nicht recht erklären konnte, machte ich so was wie eine ironische Verbeugung und sagte: „Bon Dia!“–

„Hola“, sagte sie, „Buenos Dias!“

Das war’s. Immer noch geschockt ging ich weiter.

Und ich war völlig fertig! Hätte ich in meinem Wahn doch beinahe eine harmlose Alte getötet! Wahnsinn! Ich muss mein Leben in den Griff kriegen. Soll ich mich der Polizei stellen? Vielleicht – wenn ich wieder klar denken kann. Aber heute bestimmt nicht mehr!

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