Unfreiwilliges Geschenk
Ende einer katastrophalen Saison: Landwirt gibt Zitrusfrüchte gratis ab
Benidoleig – at. Welch eine nette Überraschung. Auf dem Weg von Ondara nach Benidoleig (Provinz Alicante) sehen Isabelle Rousseau und ihr Mann ein einladendes Schild, halten spontan an und füllen eine Tüte mit selbst geernteten Zitrusfrüchten. Kostenlos. „Wenn du Gratis-Orangen willst, pflück sie dir“, steht auf dem Schild. „Nur eine Tüte? Kommen Sie ruhig mit ein paar Kisten wieder“, sagt Landwirt José Cervera zu den Franzosen und zeigt auf die noch vollen Bäume mit Früchten der Sorte Ortanique – eine Kreuzung aus Mandarinen und Orangen. Es sind zwar seine, aber er will sie loswerden. „Ich freue mich, wenn sie nicht vergammeln“, sagt er.
Ansonsten hat der Rentner nicht allzu viel Grund zur Freude. Das Schild hat er nicht aus Nächstenliebe aufgestellt, sondern weil das Verschenken für ihn die Möglichkeit ist, bei der er am wenigsten Verluste macht. Die Alternative wäre, die überfälligen Bäume selbst von den Orangen-Mandarinen zu befreien, um sie anschließend im Müll zu entsorgen. Schon jetzt sind zu viele von selbst abgefallen, vergammeln auf dem Boden und ziehen Mücken an. Die, die noch hängen, belasten die nächste Generation, die bereits als grüne Mini-Orangen hervorsprießt und den Baum für sich will. „Nächstes Jahr wird es nur wenige Früchte geben“, sagt Cervera.
Gewinne machen ist unmöglich
Verschenken oder wegwerfen. Die Alternative, die Früchte zu verkaufen, gab es für Cervera und viele andere Landwirte in diesem Jahr nicht. „Die Ortaniques waren nicht gefragt“, sagt er. Bis zum Schluss hatte er gewartet, in der Hoffnung, sie noch loszuwerden – ohne Erfolg. Auch andere Sorten seien betroffen. Man könne die Zitrusfrüchte in dieser Saison entweder gar nicht oder nur zu Spottpreisen an den Mann bringen.
Für seine Salustiana-Orangen zum Beispiel habe man ihm einen Euro pro 13 Kilo bezahlt. „Damit kannst du nicht einmal die Wasserkosten decken“, sagt er. Wer die Ortaniques losgeworden ist, bekam im besten Fall einen Euro für 18 Kilo. „Im letzten Jahr habe ich 450 Peseten (Anm. der Red.: 2,70 Euro) für zwölf Kilo bekommen.“Wenn er die Preise sieht, zu denen die Orangen im Supermarkt verkauft werden, kommt Cervera nur eins in den Sinn. „Wir sind doch alle verrückt. Damit die einen reich werden, müssen die anderen leiden.“
Das Problem ist nicht neu. Doch in diesem Jahr ist die Lage katastrophal, Valencias OrangenLandwirtschaft steht vor dem Ruin. Damals, bei den Mandeln, sei es ähnlich gewesen, sagt Cervera. „Als die Mandeln aus Kalifornien eingeschifft wurden, mussten wir unsere Bäume entfernen.“
Nicht mit gleichem Maß
Jetzt kommt die Konkurrenz unter anderem aus Süd- und Nordafrika – Importe, denen die EU zum Ärger der heimischen Landwirte keinen Riegel vorschiebt. Ganz im Gegenteil, sie scheinen noch bevorteilt zu werden. „Wenn unsere Orangen über die Grenze gehen, wird mit der Lupe geschaut. Sie dürfen längst nicht mit allen Produkten behandelt werden.“Bei denen, die von außerhalb kommen, sehe das anders aus. So warnt die Gewerkschaft AVA, dass es 19 Pflanzenschutzmittel gebe, die in der EU verboten seien, in Ländern, die Zitrusfrüchte in die EU importieren, dagegen genutzt würden.
Dass er als Landwirt niemals reich geworden wäre, ist dem Spanier klar. „Aber soll ich jetzt mit meiner Rente die Aufrechterhaltung meiner Orangenfelder zahlen? Wenn das nächste Jahr wie dieses wird, drehe ich den Hahn zu.“
Die Tüte der französischen Touristen ist mittlerweile voll, glücklich kommen sie aus den Baumreihen heraus. „Die Geschichte, die hinter meinem Schild steckt, kennen die meisten nicht“, sagt Cervera. Auch Isabelle Rousseau ist überrascht, als sie von der katastrophalen Situation der Orangenbauern erfährt. „Das ist wirklich traurig“, sagt sie.