¿Hablar español?
Vom Spanischanfänger zum Simultandolmetscher beim Arzt – Höhen und Tiefen eines Sprachenlerners
Bald nachdem wir vor Jahren in unser eigenes Haus an der Costa Blanca eingezogen waren, stand fest, dass wir als frischgebackene Residenten nach unumgänglicher Voraussetzung die Landessprache zu erlernen hätten. Zudem wir aus der Vorbelastung Anderer rasch erahnen konnten, was es bringt, wenn man nach zwanzig Jahren Spanien, gerade noch sein Bier auf Spanisch bestellen kann.
Das „Kulturdezernat“unserer Ortsgemeinde hatte dazumal und in einer Art Anflug von Großzügigkeit beschlossen, einen Spanischkurs für ihre Residenten in die Wege zu leiten. Unbestreitbarer Erfolg dieser Aktion war der radikale Aufnahmemodus für Lernwillige, vielmehr die didaktisch einzig gescheite Taktik, dass von der ersten Lehrstunde an ausschließlich Spanisch gesprochen wird. Diese harte Grundregel trennte sogleich die Spreu vom Weizen, weil nämlich der Großteil der hoffnungsvollen Teilnehmerschaft stante pede das Weite suchte.
Effizientes Nur-Spanisch-System
Als standhafter zeigten sich die männlichen Anwärter, vermutlich weil es sich bei unserer bestallten Profesora um eine ausnehmend hübsche und charmante junge Dame handelte. Was wiederum so manche der Angetrauten dazu veranlasste, vielleicht doch lieber den Spanischkurs vorzuziehen, und den als Ersatz in Erwägung gezogenen Paella-Kochkurs, sausen zu lassen. Aber das Nur-Spanisch-System funktionierte hervorragend. Das erwies sich aus unseren Fortschritten, oder wenn zweifelnde Abtrünnige – „Nein wir nehmen lieber Privatkurse“– nach heiklen Problemen mit hiesigen Demonstrativpronomen, reumütig als Erstklässler im Reigen der Standhaften Aufnahme suchten.
So richtig in Fahrt geraten, hatten wir, meine Frau und ich, allein schon aus linguistischen Motiven, voll auf spanisches Fernsehen gesetzt; ein Entschluss der später an der Tücke der Materie scheitern musste. Nicht etwa, dass die Spanier schlechtes Fernsehen machten – am Fiasko unserer guten Vorsätze trug vorwiegend der umwerfende Werbeanteil aller heimischen TVKanäle bei. Sobald uns klar geworFreund den war, dass wir unser Fernsehspanisch vorwiegend aus ausführlichen Erläuterungen weiblicher Intimpflege, Schönheitsartikeln, oder mehr oder weniger Brauchbarem aufzunehmen hatten, war Schluss: Punto y final. Wir ertappten uns schon mehrmals dabei, dass wir daheim im Jargon einer Waschmittelwerbung miteinander kommunizierten.
Aber schließlich sind wir an den einzig richtigen Weg gelangt: mehr direkten Umgang mit spanischen Nachbarn und Freunden; denn wie unsere Profesora schon allen Anfangs meinte, würde uns Elementares am sichersten weiterbringen. (Eine Dame aus unserem Kurs schickte ihren Mann aus, ein Huhn zu kaufen: der zeigte am Marktstand mit dem Finger auf ein Huhn und fragte: „Se vende?“Das Huhn hat er nach Hause gebracht...).
Und wir machten Fortschritte. Meine Frau arbeitete sich flott durch Einkäufe und Obligates; ich selber wurde schamlos von Freunden ausgenutzt, die schon fest auf meinen sprachlichen Beistand bauten. Meine erste wichtige Aufgabe war es, einem Freund bei vereinbarten Konsultationen im Hospital beizustehen. Es galt zwei Vorderzähne zu untersuchen und eine Augenuntersuchung vorzunehmen.
Unsere erste Station war der Zahnarzt. Vier Patienten vor uns, kamen im Minutentakt aus der Ordination, jeder eine riesige Papierserviette vor den Mund gepresst. Nach viermaliger gleicher Prozedur waren wir an der Reihe. Es waren keine fünf Minuten vergangen. Während ich meine sorgfältig studierten odontologischen Begriffe ordnete, saß mein Freund schon auf dem Stuhl; der Zahnarzt hantierte mit einer riesigen Injektionsspritze, und ehe ich als Dolmetscher auch nur „Buenos días“sagen konnte, sahen wir uns schon vor die Tür gesetzt. Mein Freund, jetzt als fünfter Serviettenträger in der Wartereihe.
Wiederum in Minutentakt kamen die Vier zurück, mit neuer Serviette, und einen Tampon im Mundwinkel. Nachdem wir eingetreten waren deutete der Doktor mit einem metallenen Gegenstand auf seinen Stuhl. Zwei Klicks, und die Vorderzähne meines Freundes plumpsten – diesmal nach Sekundentakt – in einen Papierkorb.
Meine Aufgabe als Übersetzer belief sich jetzt darauf meinem zu erläutern, dass er eine Stunde lang auf seinen Tampon beißen müsse. Jede Nachfrage war unnötig geworden, nachdem uns einer der vorherigen Patienten hervornuschelte, dass dieser Arzt allein für die Extraktion von Zähnen zuständig wäre. Mehr zahle die Sozialversicherung nicht.
Tampon und Sprechverbot sollten sich noch als echtes Handikap in der ausstehenden Augenuntersuchung erweisen; der jetzt noch halb anästhesierte Patient vermochte selber nur nur Knappes aus Serviette, Tampon und Zahnlücken hervorzuzischeln.
Die Augenstation zeichnete sich durch eine straffe Organisation aus. Dort sortierten drei Schwestern, je nach vorgebrachten oder vermuteten Beschwerden, die Patienten zu einer minuziösen Voruntersuchung; hier traf mich die volle Schwere meiner Aufgabe. Nicht nur, dass ich selber kaum verstehen konnte, was mein Freund hervorlallte, hatte ich die ganze Konsultation in knappest studiertes „Oftalmologisches“einzureihen, von Deutsch ins Spanische – und retour, zu übersetzen.
Ständig bemüht, dem immer unruhiger gewordenen Patienten nach komplizierter Choreographie die Sicht auf eine Art Schirmständer abzudecken – ein Gestell aus welchem einige weiße Spazierstöcke hervorleuchteten, dazu war unsicher ob diese jetzt als Nachlass Geheilter, oder als Notwenigkeit für gerade Behandelte zu erachten wären. Unsere Schwester ließ sich nicht aus der Fassung bringen, sie drückte uns einen Zettel ihrer eigenen Diagnose in die Hand und schubste uns in die Warteschlange vor dem Ärztezimmer. Dort bemühte sich eine freundliche „Doctora“in gutem Deutsch um den jetzt schon recht mitgenommen Patienten.
Wir ertappten uns dabei, dass wir im Jargon einer Waschmittelwerbung miteinander kommunizierten