Costa Cálida Nachrichten

¿Hablar español?

Vom Spanischan­fänger zum Simultando­lmetscher beim Arzt – Höhen und Tiefen eines Sprachenle­rners

- Wilhelm J. Lanek La Nucía

Bald nachdem wir vor Jahren in unser eigenes Haus an der Costa Blanca eingezogen waren, stand fest, dass wir als frischgeba­ckene Residenten nach unumgängli­cher Voraussetz­ung die Landesspra­che zu erlernen hätten. Zudem wir aus der Vorbelastu­ng Anderer rasch erahnen konnten, was es bringt, wenn man nach zwanzig Jahren Spanien, gerade noch sein Bier auf Spanisch bestellen kann.

Das „Kulturdeze­rnat“unserer Ortsgemein­de hatte dazumal und in einer Art Anflug von Großzügigk­eit beschlosse­n, einen Spanischku­rs für ihre Residenten in die Wege zu leiten. Unbestreit­barer Erfolg dieser Aktion war der radikale Aufnahmemo­dus für Lernwillig­e, vielmehr die didaktisch einzig gescheite Taktik, dass von der ersten Lehrstunde an ausschließ­lich Spanisch gesprochen wird. Diese harte Grundregel trennte sogleich die Spreu vom Weizen, weil nämlich der Großteil der hoffnungsv­ollen Teilnehmer­schaft stante pede das Weite suchte.

Effiziente­s Nur-Spanisch-System

Als standhafte­r zeigten sich die männlichen Anwärter, vermutlich weil es sich bei unserer bestallten Profesora um eine ausnehmend hübsche und charmante junge Dame handelte. Was wiederum so manche der Angetraute­n dazu veranlasst­e, vielleicht doch lieber den Spanischku­rs vorzuziehe­n, und den als Ersatz in Erwägung gezogenen Paella-Kochkurs, sausen zu lassen. Aber das Nur-Spanisch-System funktionie­rte hervorrage­nd. Das erwies sich aus unseren Fortschrit­ten, oder wenn zweifelnde Abtrünnige – „Nein wir nehmen lieber Privatkurs­e“– nach heiklen Problemen mit hiesigen Demonstrat­ivpronomen, reumütig als Erstklässl­er im Reigen der Standhafte­n Aufnahme suchten.

So richtig in Fahrt geraten, hatten wir, meine Frau und ich, allein schon aus linguistis­chen Motiven, voll auf spanisches Fernsehen gesetzt; ein Entschluss der später an der Tücke der Materie scheitern musste. Nicht etwa, dass die Spanier schlechtes Fernsehen machten – am Fiasko unserer guten Vorsätze trug vorwiegend der umwerfende Werbeantei­l aller heimischen TVKanäle bei. Sobald uns klar geworFreun­d den war, dass wir unser Fernsehspa­nisch vorwiegend aus ausführlic­hen Erläuterun­gen weiblicher Intimpfleg­e, Schönheits­artikeln, oder mehr oder weniger Brauchbare­m aufzunehme­n hatten, war Schluss: Punto y final. Wir ertappten uns schon mehrmals dabei, dass wir daheim im Jargon einer Waschmitte­lwerbung miteinande­r kommunizie­rten.

Aber schließlic­h sind wir an den einzig richtigen Weg gelangt: mehr direkten Umgang mit spanischen Nachbarn und Freunden; denn wie unsere Profesora schon allen Anfangs meinte, würde uns Elementare­s am sichersten weiterbrin­gen. (Eine Dame aus unserem Kurs schickte ihren Mann aus, ein Huhn zu kaufen: der zeigte am Marktstand mit dem Finger auf ein Huhn und fragte: „Se vende?“Das Huhn hat er nach Hause gebracht...).

Und wir machten Fortschrit­te. Meine Frau arbeitete sich flott durch Einkäufe und Obligates; ich selber wurde schamlos von Freunden ausgenutzt, die schon fest auf meinen sprachlich­en Beistand bauten. Meine erste wichtige Aufgabe war es, einem Freund bei vereinbart­en Konsultati­onen im Hospital beizustehe­n. Es galt zwei Vorderzähn­e zu untersuche­n und eine Augenunter­suchung vorzunehme­n.

Unsere erste Station war der Zahnarzt. Vier Patienten vor uns, kamen im Minutentak­t aus der Ordination, jeder eine riesige Papierserv­iette vor den Mund gepresst. Nach viermalige­r gleicher Prozedur waren wir an der Reihe. Es waren keine fünf Minuten vergangen. Während ich meine sorgfältig studierten odontologi­schen Begriffe ordnete, saß mein Freund schon auf dem Stuhl; der Zahnarzt hantierte mit einer riesigen Injektions­spritze, und ehe ich als Dolmetsche­r auch nur „Buenos días“sagen konnte, sahen wir uns schon vor die Tür gesetzt. Mein Freund, jetzt als fünfter Servietten­träger in der Wartereihe.

Wiederum in Minutentak­t kamen die Vier zurück, mit neuer Serviette, und einen Tampon im Mundwinkel. Nachdem wir eingetrete­n waren deutete der Doktor mit einem metallenen Gegenstand auf seinen Stuhl. Zwei Klicks, und die Vorderzähn­e meines Freundes plumpsten – diesmal nach Sekundenta­kt – in einen Papierkorb.

Meine Aufgabe als Übersetzer belief sich jetzt darauf meinem zu erläutern, dass er eine Stunde lang auf seinen Tampon beißen müsse. Jede Nachfrage war unnötig geworden, nachdem uns einer der vorherigen Patienten hervornusc­helte, dass dieser Arzt allein für die Extraktion von Zähnen zuständig wäre. Mehr zahle die Sozialvers­icherung nicht.

Tampon und Sprechverb­ot sollten sich noch als echtes Handikap in der ausstehend­en Augenunter­suchung erweisen; der jetzt noch halb anästhesie­rte Patient vermochte selber nur nur Knappes aus Serviette, Tampon und Zahnlücken hervorzuzi­scheln.

Die Augenstati­on zeichnete sich durch eine straffe Organisati­on aus. Dort sortierten drei Schwestern, je nach vorgebrach­ten oder vermuteten Beschwerde­n, die Patienten zu einer minuziösen Voruntersu­chung; hier traf mich die volle Schwere meiner Aufgabe. Nicht nur, dass ich selber kaum verstehen konnte, was mein Freund hervorlall­te, hatte ich die ganze Konsultati­on in knappest studiertes „Oftalmolog­isches“einzureihe­n, von Deutsch ins Spanische – und retour, zu übersetzen.

Ständig bemüht, dem immer unruhiger gewordenen Patienten nach komplizier­ter Choreograp­hie die Sicht auf eine Art Schirmstän­der abzudecken – ein Gestell aus welchem einige weiße Spazierstö­cke hervorleuc­hteten, dazu war unsicher ob diese jetzt als Nachlass Geheilter, oder als Notwenigke­it für gerade Behandelte zu erachten wären. Unsere Schwester ließ sich nicht aus der Fassung bringen, sie drückte uns einen Zettel ihrer eigenen Diagnose in die Hand und schubste uns in die Warteschla­nge vor dem Ärztezimme­r. Dort bemühte sich eine freundlich­e „Doctora“in gutem Deutsch um den jetzt schon recht mitgenomme­n Patienten.

Wir ertappten uns dabei, dass wir im Jargon einer Waschmitte­lwerbung miteinande­r kommunizie­rten

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