Der Kirche eine zweite Chance geben
CCN-Interview mit Oberkirchenrat Olaf Waßmuth über die Rolle der Tourismuspfarrämter
Dénia – sk. Klaus Eicher bleibt deutschen Gläubigen an der Costa Blanca drei weitere Jahre erhalten. Oberkirchenrat Olaf Waßmuth hat bei der Südeuropakonferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Amtszeit des Tourismuspfarrers offiziell verlängert. Sicherlich eine gute Nachricht, allerdings steht noch nicht fest, ob Pfarrer Eicher danach nochmals um drei weitere Jahre verlängern kann.
CCN: Für wie zukunftsfähig halten Sie das Tourismuspfarramt der Costa Blanca?
Olaf Waßmuth: Klaus Eichers Entsendung wurde nun von drei auf sechs Jahre verlängert. Das ist die übliche Dienstzeit von evangelischen Auslandspfarrern. Was danach kommt, ist im Moment ganz offen. Ein Tourismuspfarramt ist für die Evangelische Kirche eine große Investition. Normalerweise werden Auslandspfarrstellen von den Ortsgemeinden zu einem großen Teil durch Mitgliedsbeiträge finanziert. So ist es in den meisten der etwa 100 deutschsprachigen Auslandspfarrstellen in aller Welt. Fünf davon sind Tourismuspfarrämter, wovon wiederum zwei an eine Gemeinde gekoppelt sind. Nur bei dreien kommt die Finanzierung zum Großteil aus Deutschland, von der EKD.
Hier gibt es im juristischen Sinne keine Gemeinde, wohl aber sehen sich deutsche Gläubige als solche. Daher war es so umstritten, dass die EKD sich vorwiegend um Touristen kümmern will. Welche Erfahrungen haben Sie noch mit dem Modell gemacht?
Die konkreten Strukturen müssen jeweils am Ort angepasst werden. Ganz ohne eine unterstützende Gemeinschaft vor Ort kommt kein Tourismuspfarramt aus. Insofern gibt es überall „Gemeinde“. Allerdings ist wichtig, dass die feste Gruppe oder eben Gemeinde offen und einladend ist. Dazu ist viel Engagement und Energie notwendig. Wo Menschen eine solche lebendige Gemeinschaft unterstützen und bewusst auf andere zugehen, da gelingt die Arbeit – und das ist auch an der Costa Blanca der Fall.
Wovon macht man die Zukunft des Modells abhängig?
Davon, ob es gelingt, über die feste Gruppe hinaus immer wieder neue Menschen zu erreichen und anzusprechen. Ein Tourismuspfarramt kann nie nur für einen relativ kleinen Kreis von 100 oder 200 Leuten der Person Eicher, dessen Arbeit an der Spitze des Tourismusamts bei der Südeuropakonferenz mehr als gewürdigt wurde, sondern an der Situation der EKD. „Kurzfristig sehe ich eine Zukunft, was aber in zehn Jahren sein wird, das weiß ich auch nicht. Ich bin aber überzeugt, dass wir hier eine Pfarrstelle brauchen“, sagt Eicher.
Die Motive für die zögerliche Personalpolitik der EKD sucht er in den rückläufigen Pfarrstellen. „Es gibt weniger Pfarrstellen in Deutschland. Das ist für die Gesamtentwicklung meiner Meinung nach entscheidender als das Geld“, da sein – entscheidend ist, dass es ausstrahlt auf die Kurzzeittouristen, die hier Urlaub machen. Die große Zahl von 500.000 deutschen Touristen in dieser Region ist der Grund dafür, dass die EKD sich gerade hier engagiert. Nur wenn es gelingt, dass immer wieder einige davon die kirchlichen Angebote entdecken und wahrnehmen, hat das Modell Zukunft. Dazu ist viel Beziehungsarbeit notwendig, durch die das entsteht, was wir „Gemeinde auf Zeit“nennen.
Was erwartet denn die EKD vom Tourismuspfarramt?
Wir hoffen, dass viele Deutsche, die zu Hause keinen Kontakt mehr zur Kirche haben, sie im Urlaub von einer anderen Seite erleben und ihr gewissermaßen eine zweite sagt Eicher. Weniger Menschen bewerben sich auf Auslandspfarrstellen, und die Landeskirchen stehen der Freistellung ihrer Pfarrer oft nicht mehr so offen gegenüber. Glücklicherweise kommt im September ein neuer Ruhestandspfarrer nach Dénia.
Auf Gran Canaria strömen sonntags 150 Gläubige in den Templo Ecuménico an der Vergnügungsmeile der Playa del Inglés. Regelmäßige Besucher und eine Million Urlauber pro Jahr kommen bei Gottesdiensten ebenso zusammen wie bei den zahlreichen anderen Formaten, die Sabine Manow anbietet, insbesondere bei den Wanderungen. „Viele sagen, so hätten sie Kirche nie erlebt“, sagt Manow. Diesen Begegnungen abseits des Alltags der Urlauber misst die EKD große Bedeutung zu. Positive Chance geben. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass schon eine einzige positive Erfahrung reichen kann, um wieder neu in Kontakt zu kommen. Oft sind es ja auch sehr konkrete Erfahrungen, die dazu geführt haben, dass Menschen sich von der Kirche abwenden. Dabei ist unsere Kirche moderner und lebendiger als viele glauben. Im Urlaub sind viele Menschen neugierig und suchen nach Abstand zum Alltag und nach einer neuen Perspektive auf ihr Leben. Aus einer überraschenden Erfahrung mit der Kirche kann sich dann eine neue Beziehung entwickeln.
Ein großes Problem ist hier die Armut, Entwurzelung und Vereinsamung alter Menschen. Wie passt das in das Konzept eines Tourismuspfarramts?
Die Tourismuspfarrämter Eindrücke im Urlaub sollen die Deutschen auch im grauen Alltag wieder in die Kirche führen.
Ohne Gemeinde geht es nicht
„Ein Stück weit von Zuhause weg fällt es oft leichter, sich in eine Gemeinde einladen zu lassen“, sagt Waßmuth. Das Pfarramt Costa Blanca macht ein Strandcafé, lädt zu Picknickgottesdiensten an malerischen Orten wie nun Benifato ein oder veranstaltet Frühstückscafés und Talkrunden. Der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt.
„In Tourismuspfarrämtern wird mehr experimentiert, weil man weiter weg von Hannover ist und die Leute das gut annehmen“, sagt Pfarrer Christof Meyer. An der Costa del Sol bietet das Tourismuspfarramt Wanderungen und immer häufiger sind keine Sozialstationen. Sie haben zuerst eine andere Aufgabe. Allerdings kann kein Christ an der Not seines Nächsten vorbeigehen. Insofern geschieht auch immer wieder konkrete Hilfestellung.
Das Honorarkonsulat baut diesbezüglich aber auf die Kirche – und die Kirche auf ihre Ehrenamtlichen?
Wir hoffen generell, dass ehrenamtliche Residenten die Arbeit im Tourismuspfarramt mittragen. Und das geschieht auch hier an der Costa Blanca, wo Pfarrer Eicher auf rund 40 Ehrenamtliche zählen kann. Ehrenamtliche Arbeit ist ja keine Notlösung. Alle evangelischen Christen haben Anteil am Auftrag ihrer Kirche. Viele Ehrenamtliche bringen Kompetenzen mit, die der Pfarrer nicht hat. Diese Kompetenzen klug zu nutzen und immer wieder Menschen zum Mitmachen zu motivieren, macht einen guten Pfarrer aus. Und ich bin sicher, dass es vielen Residenten auch Freude macht, sich mit ihren Fähigkeiten einzubringen. Hochzeiten oder Bestattungen an. „Wir sind ja nicht wie die katholischen Kollegen an einen geweihten Ort gebunden. Eine Hochzeit etwa an einem Strand ist durchaus möglich. Wenn es den Leuten gefällt, kommen die zur Taufe ihres Kindes wieder.“
Die Befürchtungen, das Tourismuspfarramt untergräbt das Gemeindeleben, haben sich zumindest in Dénia als unbegründet erwiesen. Die Möglichkeiten, sich in der Gemeinschaft einzubringen, dürften eher gestiegen sein. Dass die Gemeinden offen gegenüber Urlaubern, jungen Menschen und Familien sein müssen, kann nur positiv sein. Den Verlierer dieser Entwicklung muss man in der Weite des Einzugsgebiet suchen und findet ihn im Kreis Marina Baja.
„Es gibt weniger Pfarrstellen. Das ist für die Entwicklung entscheidender als Geld“