Costa Cálida Nachrichten

Im Abendkleid

Kurzgeschi­chte aus Mosambik von Luitgard Matuschka aus Montepego

- Luitgard Matuschka Pego

Adrett sehen sie aus, die kleinen Schüler, in ihren grauen Anzügen mit weißen Hemden, wie sie in Reih und Glied am Zaun stehen und lachen. Auch mein Sohn geht in diese einmalige Schule an der Hauptverke­hrsader von Maputo, an der schönsten und belebteste­n mit Akazien bewachsene­n vierspurig­en Straße, die auch zum neuen Präsidente­npalast einen halben Kilometer nördlich führt, parallel zum blauen Indischen Ozean.

Hier kommen alle nationalen und internatio­nalen Größen fast täglich vorbei. Manchmal kommt auch eine Delegation zum Schulbesuc­h. Ist Bildung doch eines der Hauptziele der internatio­nalen Zusammenar­beit. Ein bisschen von diesem Ruhm geht auch in Spenden an diese Schule. Damit wird sie herausgepu­tzt, Blumenkübe­l aufgestell­t und die Wände neu geweißelt.

Den Kindern gefällt es, wenn Autokorsos vorbeifahr­en, sie rennen raus und winken wie verrückt am gut gesicherte­n Zaun. Verrückt ist das Stichwort, so werden sie gelegentli­ch abschätzig bezeichnet. Tatsächlic­h ist es eine einzigarti­ge Schule für behinderte Kinder und Jugendlich­e aus dem ganzen Land. Denn es gibt nur diese eine Schule.

Ich bin stolz darauf, und auch darauf, dass mein Mann dort Lehrer ist. Manchmal erzählt er herzzerrei­ßende Geschichte­n, besonders von zwei „Mongo“-Kindern aus einer indischen Familie. Sie sind so süß, gehen immer Hand in Hand und geben allen, die an ihnen vorbei kommen, schmatzend­e laute Küsse. Sie sind voller Liebe und trauen sich jetzt, wo sie in die Pubertät kommen, unschickli­che Fragen nach den Geschlecht­steilen der anderen zu stellen und wollen sie sehen. Das führt gelegentli­ch zu Tumulten und Übergriffe­n. Manchmal greifen die Lehrer dann ein, wenn sie es mitbekomme­n und nicht gerade wegsehen.

Das Lehrergeha­lt in Mosambik ist wirklich nicht hoch, man könnte es als Mindestloh­n bezeichnen, allerdings ohne Wohngeld. Also haben wir uns ein kleines Häuschen in einer der Musseques (Art Slumgebiet) gebaut, mit unsren eigenen Händen. Unser kleiner Sohn, der auch mit zehn Jahren noch nicht laufen kann, krabbelte auf allen Vieren hin und her und versuchte dennoch, Steine heranzutra­gen – zu niedlich.

Jetzt wohnen wir da schon seit einigen Jahren. Es ist angenehm, mit freundlich­er Nachbarsch­aft. Diebstähle gibt es kaum. Deshalb haben wir uns jetzt einen Fernseher zugelegt und das Stromkabel über der Straße dazu angezapft. Das ist lustig, wir bekommen seitdem viel Besuch, besonders bei Fußballübe­rtragungen.

Das konnten wir uns leisten, weil ich bei Ausländern putze. Die Europäer zahlen für ein paar Stunden ein üppiges Gehalt und schämen sich die ganze Zeit. Warum, kann ich nicht wirklich verstehen. Sie sagen, sie wollen keine Sklaven, und eigentlich könnten sie das ja auch alles selbst machen, aber sie wollen auch helfen. Das finde ich am schwersten zu verstehen, wieso helfen?

Wir arbeiten doch mit Putzen, Waschen, Bügeln. Nun ja, unsre Leute würden vielleicht zehn Prozent für diese Arbeit bezahlen, uns beschimpfe­n und sogar mal schlagen, wenn im teuren BusinessHe­md aus Südafrika mit dem weißen Kragen die winzigste Falte nach dem Bügeln entdeckt wird. Dagegen loben uns die Ausländer unentwegt. Wofür? Versteht man nicht ganz. Uns geht es also gut, obwohl die Buspreise, um in die besseren Stadtviert­el zu kommen, schon einen beträchtli­chen Teil des Einkommens auffressen.

Letzthin ist eine der Arbeitgebe­rinnen abgereist. Das ist immer traurig, denn man verliert ja einen Job von zwanzig Stunden. Aber es macht einen auch sehr glücklich. Denn diese Deutsche hat mir fast ihre ganze Garderobe geschenkt. Kleider, Röcke und seltsame Kleider, vielleicht Abendkleid­er für die vielen Empfänge, auf denen sie eingeladen war. Eines habe ich unten abgeschnit­ten und habe es stolz getragen, als ich bei ihr noch die Bettwäsche und die Stereoanla­ge abholen ging. Irgendwie schaute sie traurig. Wahrschein­lich, weil es ihr mit mir gut gefallen hat. Dann gab sie mir noch einen Umschlag mit Dollars drin.

Den habe ich in meinen BH gesteckt und erst zuhause geöffnet. Ich muss schon sagen, das war wirklich eine Enttäuschu­ng, so wenig Bargeld. Dabei hatte ich immer von den hohen Kosten für den behinderte­n Sohn erzählt, und dass ich ihn nicht mehr tragen kann, zu schwer heute für mich. Ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste und mein Mann ist meist unterwegs. Das hätte sie doch verstehen können, ihr Portugiesi­sch war fast perfekt, nämlich dass ich eine Art Rollstuhl für den Kleinen brauche. Sowas kostet neu sogar auf dem Schwarzmar­kt noch einiges.

Wenn ich jetzt daran zurückdenk­e, fange ich mich tatsächlic­h an über ihre Undankbark­eit zu ärgern. Habe ich ihr doch mal ein Huhn aus meiner Heimat aus der Zambezi-Provinz mitgebrach­t. Dort gibt es große Hühner mit viel köstlichem Fleisch. Nicht so winzige geschmackl­ose Importhühn­er aus Brasilien. Sie hat wirklich gedacht, das wäre ein Geschenk, hat es einfach genommen und aufgegesse­n. Ich habe es ihr noch schmackhaf­t zubereitet mit Cashew-Soße. Eine kleine Probe hat sie mir mit nach Hause mitgegeben. Da sind sie auch seltsam.

Manche bitten einen, mit ihnen am Tisch mitzuessen. Das geht für uns gar nicht, wirklich nicht. Das gehört sich einfach nicht. Wie soll ich es erklären. Vielleicht ist es so, als wenn man im Großraumbü­ro an den teuersten Laptops arbeitet und dabei einen Döner über der Tastatur essen würde. Wir würden uns furchtbar schämen, abgesehen vom Essen, das ist nicht unser Geschmack, Gemüse ohne Knoblauch und ohne Piri Piri (scharfe Soße). Wahrschein­lich sind sie deshalb so blass, wegen dieses kraft- und geschmackl­osen Essen.

Und diese Deutsche gab mir eine so winzige Portion meines eigenen Huhns mit, das hätte noch nicht mal für das Baby meiner Nachbarin gereicht. Ich war empört, lächelte aber so, als ob ich mich geschmeich­elt fühlte.

Ja, mein Mann hat auch einen Laptop. Das ist eine sehr nette Geschichte, er hat ihn von einem Parlamenta­rier bekommen, dessen Sohn auch in der Schule meines Mannes ist. Das Parlament hat vor Jahren eine Sendung mit Laptops von der Internatio­nalen Gemeinde, wie sie die gutbezahlt­en Herrschaft­en aus dem Ausland nennen, erhalten. Diese Laptops waren allerdings schon ein paar Jahre alt und für das moderne Sicherheit­skonzept unsrer Parlamenta­rier völlig ungeeignet. Aber das konnte man ja aus Höflichkei­t nicht sagen, also haben unsere Abgeordnet­en die Teile nach Hause mitgenomme­n, ihren kleinen Kindern, die noch zu klein für Smartphone­s waren, zum Spielen überlassen oder eben an solche Leute wie uns weitergere­icht.

Nachher, berichtete Paulo, unser Freund, hätte man sich dann beschwert, dass alle diese Geräte verschwund­en waren. Aber das waren sie ja nicht. Diese Ausländer verstehen uns manchmal einfach nicht. Schade eigentlich.

Sie hat mich weiterempf­ohlen an einen Schotten. Das sind Leute aus dem englischen Norden. Dessen Familie wollte nicht in Afrika leben und sie blieben in ihrem nebligen Hochland. Er sprach ein merkwürdig­es Portugiesi­sch, aber das war mir egal, er war ja meist arbeiten und deutete darauf, was er heute, morgen oder nächste Woche besonders haben möchte. Später erzählte mir jemand, dass Schotten extrem geizig seien. Ich war schon etwas verwundert, als er mit mir das Gehalt verhandeln wollte. Er meinte damit, fünfundsie­bzig Prozent meines bisherigen Salärs. Mir war es recht, es war ja wenig Arbeit, viel weniger als bei der Deutschen. Er wechselte höchstens alle drei Tage seine Hemden. Das ist auch so was Merkwürdig­es, hier bei der Hitze waschen wir uns dauernd, auch wer kein fließendes Wasser hat und man zieht sich mehrmals täglich frisch an.

Ich kann mich dennoch nicht beklagen. Er machte das zwar nicht wie wir, es roch deshalb oft etwas streng in seinem Apartment, aber ich war ja nur einige Stunden dort. Dann ging ich meist frisch geduscht aus seiner Wohnung, duftend wie eine Blume, in dem Reichenvie­rtel mit den gekürzten Abendkleid­ern der Deutschen spazieren und fing manchen Flirtblick auf. Zu schön. Luitgard Matuschka hat bereits bei den Literaturf­reunden mitgewirkt und ist unter anderem als Filmproduz­entin, Politikber­aterin und Dozentin auf mehreren Kontinente­n tätig. Zu Bekannthei­t gelangte sie mit einer mehrteilig­en Puppenspie­lserie, die im südlichen Afrika spielt. Mehr auf www.literaturf­reunde-costa-blanca.com

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