Hilfe, die Piraten kommen!
Leser schreiben für Leser: Ilse Kübler mit einem Beitrag zur Stadtgeschichte von Dénia
Josefa hüpfte den Klippenpfad entlang, die Ziegen folgten ihr mit übermütigen Sprüngen. Es war früh am Morgen, ein milder Oktobertag. Die Sonne stand schon über dem Meer, aber das Wetter war so nebelig, Josefa sah nur die dichten Schwaden, wie sie sich langsam hoben. Ganz gruselig war ihr, wenn sie an den gestrigen Abend dachte. Ihr Onkel Paco war zu Besuch gekommen. Was hat er gestern Abend alles erzählt, von den wilden Berbern, den wüsten Seeräubern, ihren schnellen Schiffen. Ja, und dass sich die Kinder besonders hüten sollten, denn die Berber nähmen sie gerne als Sklaven. Phff... sie und Sklavin... Aber gut erzählen konnte ihr Onkel!
Sie setzte sich auf ihren Lieblingsplatz, ganz vorne auf der Klippe. Hui, wie war es nebelig. Ein Windstoß... kurz hob sich die Nebeldecke und Josefa erstarrte: das waren Segel, Schiffe, nein Hilfe... Sie vergaß alles und rannte so schnell sie konnte.
Es war der 13. Oktober 1529: die Flotte von Khair Barbarossa landete in Altea, verwüstete die Stadt und drang bis nach Murla und Parcent vor. Sie nahmen alle Menschen, derer sie habhaft werden konnten, gefangen und brachten sie auf ihre Schiffe. Eine schreckliche Plage, die schon lange die Küste heimsuchte.
Die ersten furchtbaren Meldungen über Verwüstungen stammen aus dem frühen 14. Jahrhundert, als Altea la Vella zerstört wurde.
1503 gehen 500 Piraten in Cullera an Land und verschleppen alle Einwohner.
1536 verbietet der Vizekönig von Valencia allen Mauren, ihre Dörfer zu verlassen, um den Kontakt mit den Korsaren zu unterbinden.
29. Juli 1538: Villajoyosa wird von den Piraten eingenommen und völlig dem Erdboden gleichgemacht. Im folgenden Jahr wird der Ort wieder aufgebaut und besonders befestigt. Eine Kompanie mit Pferden wird stationiert. Kapitän wird Don Carlos de Borja
1544 wird Calp von den Berbern erobert und zerstört.
1553: Der Vizekönig von Valencia, Vespasiano Gonzago unter
Philipp II beginnt mit dem Bau von Wachtürmen, rasch wird die ganze Küste befestigt. Im Landesinneren wie in Teulada zum Beispiel, wohnten 600 Einwohner in 160 Häusern. Dort wurde die Kirche zu einer trutzigen Wehrkirche ausgebaut. 1556: Dénia wird überfallen 1563: Im April wird der Grundstein für das Fort de Bernia hoch in den Bergen gelegt.
1575: Miguel de Cervantes wird von den Berbern verschleppt.
1581: Polop und Callosa gehören einem Edelmann, der zu geizig ist, die Kosten für die Wachtürme auf seinem Land zu bezahlen. Er entlässt die Wachleute, nur kurze Zeit später fallen die Korsaren ein und rauben die kräftigsten Bauern und Arbeiter. Sie wissen genau, wen sie mitnehmen sollten.
3. August 1637: Sowohl Calp als auch La Nucia werden überfallen und ausgeraubt.
1638: Die Piraten greifen erneut Dénia an, doch dank Pare Pere werden sie erfolgreich zurückgeschlagen.
Ob Vinaroz, ob, Valencia, ob Torrevieja oder Dénia... immer wieder gellen die Rufe: Die Piraten kommen durch die kleinen Orte.
Und unsägliches Leid und Schmerz breitet sich entlang der Küste aus.
Wer waren diese Piraten, diese wüsten Korsaren? Diese Berber...
Khair ad-Din Barbarossa war wohl der berühmteste von ihnen. Er verließ mit 26 Jahren seine Heimat auf der Insel Lesbos, begleitet von seinen älteren Brüdern und baute sich am Golf von Tunis eine schlagkräftige Korsarenflotte auf. Schon zehn Jahre später war er einer der reichsten Männer des gesamten Mittelmeerraumes. Er eroberte Algerien und wurde vom osmanischen Sultan Süleyman I in Istanbul zum Pascha ernannt. Ab 1533 war er Oberbefehlshaber der Mittelmeerflotte. Sein wichtiger Gegenspieler war Andrea Doria, der Befehlshaber der Genueser Flotte, als auch König Karl dem V. Barbarossa, der Korsar griff die Insel Menorca an, nahm sechstausend Soldaten gefangen und eignete sich alle in Menorca vorhandenen Geschütze an.
1537 trafen erneut Barbarossa und Andrea Doria mit einer riesigen Flotte aufeinander, Andrea Dorias Flotte verlor. Alle Inseln im Besitz der Republik Venedig wurden dem osmanischen Reich tributpflichtig und ihre Bevölkerung versklavt. Ein weiterer berüchtigter Korsar war Barbarossas Nachfolger Turgut Reis, der an Grausamkeit alle übertraf.
Modernen Schätzungen zufolge wurden zwischen 1530 und 1780 etwa 1,2 Millionen Menschen geraubt und versklavt. Die Korsaren kamen bis an die Küsten Irlands, ja 1627 sogar nach Island, wo sie über 100 Isländer verschleppten und in die Sklaverei verkauften.
Ihre Schiffe waren kleine Galeeren mit Lateinersegel und geringem Tiefgang, Galeote und Fuste genannt. Die Korsaren ruderten auch selbst, sie hatten keine Rudersklaven an Bord, wie ihre Gegenspieler, sodass jeder Mann an Bord auch Kämpfer war.
Sie plünderten Passagier- und Handelsschiffe und überfielen regelmäßig küstennahe Dörfer und Städte. Selbst die jungen Vereinigten Staaten von Amerika wurden 1797 noch in Piratenkriege verwickelt, die erst mit dem Friedensvertrag von Tripolis beendet wurden. Die Welt ist moderner geworden, doch heute noch wiederholt sich Josefas Geschichte täglich auf den berüchtigten Piraten Routen in Afrika und Südost Asien.