Liebe Leser,
diese Woche haben Sie zwischen der Costa del Sol und der Costa Blanca bestimmt festgestellt, dass es viele Leute mit der Maskenpflicht nicht mehr so genau nehmen. Die Jugend benimmt sich an den Stränden, als kündige sich der Tod erst mit Alterswehwehchen drei Generationen nach ihnen an. Beim Anblick des sich täglich verdichtenden Autobahnverkehrs und den sich ankündigenden Touristen aus Deutschland, England und Madrid erinnert man sich an die Prophezeiungen der Berufsschwadronierer von der Plaza España, die das ganze Land im Oktober wieder auf dem Sofa vor dem Fernseher sehen, wie es eingesperrt und blöd auf die steigenden Corona-Fallzahlen starrt.
Man könnte jeden Tag einen Leichtsinnigen abwatschen, ehrlich. An der Promenade joggen sie einen halben Meter an einem vorbei und pfeifen immer just aus dem letzten Loch, wenn sie auf gleicher Höhe von Passanten sind. Was für ein Timing! Wie können die Leute nur so doof sein und wie ferngesteuert alle in die gleichen Buchten rennen, nur weil sie in den sozialen Netzwerken gehypt werden? Muss es denn jetzt die Tapasmeile in der 1,50 Meter breiten Altstadtgasse sein? Kann man nicht aus Verantwortungsbewusstsein auf das Einkaufszentrum am Samstag verzichten? Manche Leute gehen in der Coronavirus-Epidemie mit so gutem Beispiel voran, dass selbst ein Forrest Gump bald als Double von Albert Einstein durchgehen könnte.
Zügelt man den Volkszorn etwas und schaut, wo und wie sich das Virus bei den Rückschlägen ausbreitet, sieht die Sache etwas anders aus. Der Strandbesuch steht bestimmt nicht an oberster Stelle bei den Infektionsherden. Das Virus scheint sich im Freien nicht so gut auszubreiten wie in geschlossenen Räumen. Mit Geburtstagsfeiern, Verwandtschaftsbesuchen und Kaffeeklatsch im Wohnzimmer sollte man jetzt vorsichtig sein. Täglich sieht man das Coronavirus in den TV-Nachrichten über Lleida. Es brach unter Feldarbeitern aus, sie schlafen auf den Straßen oder wohnen auf engstem Raum und arbeiten unter erbärmlichen Bedingungen. Was ist eigentlich mit der Arbeitsaufsicht? Warum haben die Behörden nie überprüft, ob bei der Arbeit Corona-Auflagen eingehalten werden und ob diese Hütten, wo sie wie Vieh hausen, nicht gegen sämtliche Gebote verstoßen, vorneweg gegen das der Menschlichkeit? Und sieht es beim Ausbruch in Valencia in der Fleischindustrie nicht ähnlich aus? In den Gewächshäusern Almerías geht es genauso zu. Wie konnte Gütersloh passieren?
Man kann über mangelnde Vorsicht beim Maskengebrauch, nicht weit genug von einander entfernte Tische und leeres Hygienegel schimpfen. Nur grenzt das an Scheinheiligkeit, wenn man andere als Virenschleudern verunglimpft und sich beim Supermarktbesuch an der BilligFleischtheke bedient und den Wagen mit Äpfeln, Birnen, Pfirsichen und Erdbeeren aus der „mediterranen Huerta“füllt.