Der noble Vorarbeiter
Chemie-Nobelpreis für an Costa Blanca entdeckte „Gen-Schere“– Doch Entdecker geht leer aus
Elche – sw. „Wir sind zufrieden und enttäuscht zugleich!“, funkte die Universität Alicante am 7. Oktober nach Vergabe des ChemieNobelpreises. Grund zur Freude: Endlich wurde das genetische Verfahren Crispr/Cas ausgezeichnet, das an der Costa Blanca entdeckt wurde. Grund zur Tristesse: Ihr Entdecker, Francis Mojica aus Elche, ist leer ausgegangen. Der Uniprofessor galt seit Jahren als heißer Anwärter auf den Preis. Nun wird der „Vater der Gen-Schere“ihn wohl nie mehr bekommen.
Die Forscherinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna erhielten, stellvertretend für die Erforschung von Crispr, den Nobelpreis. Die Französin und die US-Amerikanerin – da ist sich die Forscherwelt sicher – haben sich für die Weiterentwicklung der Methode zur genetischen Manipulation die Würdigung absolut verdient. Dennoch wäre es schön gewesen, wenn die Jury auch den Mann berücksichtigt hätte, auf dessen Studien die Nobelpreisträgerinnen aufbauten.
„Fahndungsfoto“vom Virus
Nicht nur Alicante und Elche, ganz Spanien habe eine „historische Chance“verpasst, bedauerte Lluis Montoliu vom Obersten Rat für Wissenschaft CSIC. „Man muss wissen, dass es sehr, sehr schwierig ist, einen Spanier als Kandidaten für einen Nobelpreis aufzustellen“, so Montoliu, „und Mojica war einer“. Ohne dessen Vorarbeit hätten die Forscherinnen ihre nun belohnte Arbeit nicht durchführen können. Worum handelte es sich bei diesen Grundlagen?
In den Salinen von Santa Pola entdeckte Mojica vor 30 Jahren, wie die Mikrobe Haloferax mediterranei in einem sehr ungünstigen
Umfeld überlebte. In ihrem Genom wiederholten sich Sequenzen auffällig oft. „Wunderbar und seltsam“war die Entdeckung für den Wissenschaftler, der das Phänomen als Immunsystem gegen Viren interpretierte. Mojica war es auch, der den Namen „clustered regularly interspaced palindromic repeats“, kurz Crispr, erfand.
Crispr schuf – umgangssprachlich erklärt – ein „Fahndungsfoto“vom Virus im Gencode. Tauchte es wieder auf, lenkte Crispr eine „Cas“genannte Schere, die das Erbgut des Virus „zerschnitt“. Mojica schlussfolgerte, dass das Verfahren zur gezielten Gen-Manipulation verwendet werden könnte. Charpentier und Doudna bewiesen 2012, dass Crispr/Cas sogar bei höheren Organismen funktionierte.
Damit hatte die Welt ein präzises und nicht allzu aufwändiges Mittel zum Verändern von Erbgut. Nun musste man kein Nobelpreiskandidat mehr sein, um da eine
Wunderwaffe gegen bis dato unheilbare Krankheiten zu vermuten. Allerdings stand dank Crispr/Cas scheinbar die Tür auch für die Wissenschaftler offen, die sozusagen „Gott spielen“wollen.
Noch lange kein Wunder
Bekannt ist, dass die Gen-Schere in China oder den USA schon an Embryos getestet wurde und dass die Ergebnisse, vorsichtig gesagt, nicht vermuten lassen, dass Crispr in Kürze für medizinische Wunder sorgen wird. Wenn es doch mal soweit ist, und der Medizin-Nobelpreis vergeben wird, werden ganz Spanien und die Costa Blanca wieder auf Francis Mojica hoffen. Er selbst nehme das mit dem Nobelpreis gelassen, sagt der Forscher, ein eher stilles Gemüt, immer wieder. Wohl auch, weil er bereits 30 internationale Auszeichnungen für seinen Fund gewann, darunter den höchsten Medizinpreis der USA, den Albany Medical Center Prize.